Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtswegzuständigkeit. Schmerzensgeldklage nach AGG gegen Entleiher. Leiharbeitsverhältnis

 

Leitsatz (redaktionell)

Zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer besteht zwar kein klassisches Arbeitsverhältnis, anderseits sind aber arbeitsrechtliche Beziehung zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer nicht zu verneinen, da Leiharbeitnehmer in den Betrieb des Entleihers eingegliedert und ihm gegenüber weisungsabhängig sind. Im Leiharbeitsverhältnis ist die Arbeitgeberfunktion zwischen Verleiher und Entleiher aufgeteilt, sodass aus der Zweierbeziehung Arbeitnehmer/Arbeitgeber im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung eine Dreierbeziehung wird.

 

Normenkette

ArbGG § 2 Nrn. 3a, 3b, 3c, 3d, § 61b

 

Verfahrensgang

ArbG Duisburg (Beschluss vom 02.09.2010; Aktenzeichen 2 Ca 1163/10)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 02.09.2010 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Duisburg vom 29.07.2010 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beklagte.

Streitwert für das Beschwerdeverfahren: 11.550,00 EUR.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung von Schmerzensgeld aus dem AGG wegen einer Benachteiligung aufgrund seiner ethnischen Herkunft in Anspruch.

Der Kläger war im Rahmen einer Arbeitnehmerüberlassung von der TÜV Rheinland Personal GmbH Expert Service (im Folgenden: TÜV Rheinland) seit dem Jahr 2006 bis einschließlich Februar 2010 bei der Beklagten als Schweißer zu einem monatlichen Entgelt von 2. 888,00 EUR eingesetzt.

Der Kläger fühlte sich im Betrieb der Beklagten diskriminiert. Er behauptet, im Betrieb der Beklagten fortgesetzten diskriminierenden Verhaltensweisen seiner dortigen Vorgesetzten wegen seiner russischsprachigen Herkunft ausgesetzt gewesen zu sein.

Die TÜV Rheinland kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger am 02.03.2010 aus verhaltens- und betriebsbedingten Gründen.

Mit Schreiben vom 01.04.2010, welches der Beklagten per Fax am selben Tag und per Post am 06.04.2010 zuging, machte der Kläger gegenüber der Beklagten außergerichtlich einen Anspruch auf Schmerzensgeldzahlung geltend.

Mit seiner am 19.05.2010 erhobenen und am 02.06.2010 beim Arbeitsgericht Duisburg eingegangenen Klage fordert der Kläger von der Beklagten Schmerzensgeld wegen einer Benachteiligung aufgrund der ethnischen Herkunft aus dem AGG.

Die Parteien streiten vorab über die Zulässigkeit des zu den Arbeitsgerichten beschrittenen Rechtswegs.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts ergebe sich aus § 2 Nr. 3 a-d, 61 b ArbGG. Die Arbeitgeberfunktion sei bei einem Leiharbeitsverhältnis zwischen Verleiher und Entleiher aufgeteilt, sodass sich Ansprüche des Leiharbeitnehmers sowohl gegenüber dem Verleiher als auch gegenüber dem Entleiher ergeben könnten. Für beide müsse die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts gegeben sein, da man anderenfalls zu einem systemfremden Ergebnis käme.

Die Beklagte hat die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts gerügt und die Ansicht vertreten, aus prozessrechtlicher Sicht sei lediglich die TÜV Rheinland Arbeitgeber des Klägers, sodass eine Anwendung des § 2 Abs.1 Nr. 3 ArbGG schon aufgrund der fehlenden Arbeitgebereigenschaft der Beklagten im Verhältnis zum Kläger ausscheide. Zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer bestehe kein Arbeitsverhältnis im engeren Sinne und nur darauf sei unter dem prozessualen Gesichtspunkt der Rechtswegzuständigkeit abzustellen.

Mit Beschluss vom 29.07.2010 hat das Arbeitsgericht den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für eröffnet erklärt. Wegen der diesbezüglichen Begründung wird auf die Entscheidungsgründe in dem angefochtenen Beschluss (Bl.140 d. A.) Bezug genommen.

Von der weiteren Darstellung des tatbestandlichen Teils wird in entsprechender Anwendung des § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die sofortige Beschwerde der Beklagten ist statthaft und zulässig, aber unbegründet.

Die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen ergibt sich vorliegend aus § 2 Abs.1 Nr. 3 a ArbGG, wonach die Arbeitsgerichte ausschließlich zuständig sind für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus dem Arbeitsverhältnis.

1. Das Arbeitsgericht hat in dem angefochtenen Beschluss den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten zu Recht als eröffnet angesehen und zur Begründung, auf die im Übrigen gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen wird, im Wesentlichen darauf abgestellt, dass zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer zwar kein klassisches Arbeitsverhältnis bestehe, anderseits das Vorhandensein arbeitsrechtlicher Beziehung zwischen diesen beiden Parteien daher auch nicht werde in Abrede gestellt werden können, da Leiharbeitnehmer in den Betrieb des Entleihers eingegliedert und ihm gegenüber weisungsabhängig seien. Im Leiharbeitsverhältnis sei die Arbeitgeberfunktion zwischen Verleiher und Entleiher aufgeteilt, sodass aus der Zweierbeziehung Arbeitnehmer/Arbeitgeber im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung eine Dreierbeziehung werde. Dem schließt sich die...

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