Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe wegen unterbliebener Mitteilung der Änderung der Anschrift

 

Leitsatz (amtlich)

Die Aufhebung der Prozeßkostenhilfe nach § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO wegen der nicht unverzüglichen Mitteilung der Änderung der Anschrift gem. § 120 a Abs. 2 ZPO setzt keine grobe Nachlässigkeit oder Absicht voraus. Ein atypischer Fall ergibt sich nicht daraus, dass der Antragsteller über seinen Prozessbevollmächtigten erreichbar blieb.

 

Normenkette

ZPO § 124 Abs. 1 Nr. 4, § 120a Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Wesel (Entscheidung vom 02.12.2015; Aktenzeichen 4 Ca 1429/14)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 18.08.2016; Aktenzeichen 8 AZB 16/16)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Prozesskostenhilfebeschluss des Arbeitsgerichts Wesel vom 02.12.2015 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I.

Mit dem angegriffenen Beschluss, der am 07.12.2015 zugestellt wurde und gegen den am 09.12.2015 sofortige Beschwerde eingelegt wurde, hob das Arbeitsgericht die ursprünglich ratenfrei bewilligte Prozesskostenhilfe auf, nachdem der Kläger die Änderung seiner Wohnanschrift dem Gericht nicht mitgeteilt hat. In der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom Juni 2014 gab der Kläger eine Adresse in E. "Am T." an. Nachdem dem Kläger die Mitteilung über die entstandenen Prozesskosten im Januar 2015 nicht zugestellt werden konnten ergab eine Einwohnermeldeamtsauskunft durch das Gericht, dass die Wohnanschrift des Klägers sich geändert hat auf eine Adresse in der "F. straße" in E.. Der Kläger ist in der sofortigen Beschwerde der Ansicht, die Änderung der Wohnadresse sei für die Prozesskostenhilfe irrelevant, der er jederzeit über seinen Rechtsanwalt erreichbar war. Die Aufhebung der Prozesskostenhilfe sei daher überzogen.

II.

Die gemäß §§ 78 Satz 1 ArbGG, 127 Abs. 2, 567 Abs. 1 und 2, 569 Abs. 1 und 2 ZPO zulässige, form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist in der Sache unbegründet.

Nach § 120a Abs. 2 ZPO ist die Partei, der Prozesskostenhilfe gewährt wurde, verpflichtet, eine Verbesserung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse innerhalb von vier Jahren nach der rechtskräftigen Entscheidung oder Beendigung des Verfahrens dem Gericht ebenso unverzüglich mitzuteilen, wie eine Einkommensverbesserung von mehr als 100,-- € brutto monatlich oder den Wegfall einer entsprechenden Belastung. Gleichfalls besteht die Verpflichtung, eine Änderung der Anschrift dem Gericht unverzüglich mitzuteilen.

Auf diese Verpflichtung wird die antragstellende Partei mit der Antragstellung bereits im Formular über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, dort unter Ziff. K, fettgedruckt, hingewiesen. Ein entsprechender Hinweis erfolgt zudem im Hinweisblatt zum Formular für die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe.

Das Formular über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse mit dem entsprechenden Hinweis wird durch die antragstellende Partei unterschrieben.

Nach § 124 Abs. 1 Ziff. 4 ZPO soll das Gericht die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben, wenn die Partei entgegen der oben genannte Verpflichtung absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit Angaben unrichtig oder nicht unverzüglich mitgeteilt hat.

Voraussetzung der Aufhebung XE "Aufhebung" der Prozesskostenhilfe, die nach dieser Vorschrift den Regelfall bei einem entsprechenden Verstoß darstellt, ist, wie sich aus der Formulierung des Absatzes 1 als Sollbestimmung ergibt, ein Verstoß gegen die Verpflichtung aus § 120a Abs. 2 S. 1 bis 3 ZPO (LAG Düsseldorf 2 Ta 555/14 vom 05.12.2014).

Die Voraussetzungen sind vorliegend gegeben.

Der Antragsteller hat von sich aus dem Gericht seinen Wohnungswechsel nicht angezeigt.

Zwar verkennt das Gericht nicht, dass unverzüglich bei der Mitteilung der Adressänderung an das Gericht nicht bedeutet, dass ein Wohnungswechsel dem Gericht innerhalb weniger Tage nach dem Umzug bekanntzumachen ist. Es ist nachvollziehbar und auch nicht zu beanstanden, wenn ein gewisser - kurzer - Zeitraum zwischen dem Wohnungswechsel und der Nachricht an das Gericht vergeht. Ein Zeitraum von mehr als einem Monat ist jedoch nicht mehr im Rahmen der zuzubilligenden Toleranzgrenzen (so: LAG Düsseldorf, 2 Ta 309/15 v. 03.07.2015; dagegen geht Groß, BerH, PKH, 12. Aufl. 2014, § 124 Rz. 22 sogar nur von einer zweiwöchigen Karenzzeit aus.).

Eine grobe Nachlässigkeit XE "grobe Nachlässigkeit" oder Absicht ist dagegen nicht erforderlich.

Die Beschwerdekammer folgt der Begründung des LAG München (10 Ta 51/15 vom 25.02.2015) ebenso LAG Sachsen vom 16.12.2015 (4 Ta 157/15 (3)), wonach das subjektive Tatbestandsmerkmal der Vorsätzlichkeit oder der groben Nachlässigkeit sich allein auf die Unrichtigkeit der Mitteilung bezieht (ebenso LAG Sachsen vom 16.12.2015 Az.: 4 Ta 157/15 (3), Musielak ZPO, 12.Auflage 2015 § 124 ZPO Rn. 8a, LAG Düsseldorf 5 Ta 644/15 vom 20.01.2016; aA. LAG Bade...

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