Verfahrensgang

ArbG Bremen (Urteil vom 10.03.1998; Aktenzeichen 10h Ca 10336/97)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bremen vom 10.03.1998 – Az: 10h Ca 10336/97 – wird auf ihre Kosten als unbegründet zurückgewiesen.

Die Revision wird gegen dieses Urteil zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Sozialplanabfindung.

Die 1948 geborene Klägerin war seit dem 01.06.1980 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin tätig. Die Beklagte hat ihre Betriebsstätte von Neu-Wulmstorf nach Bremen-Hemelingen im März 1997 verlegt.

Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien ist von der Beklagten am 29.11.1996 zum 31.03.1997 durch Änderungskündigung gekündigt worden. Die Beklagte bot der Klägerin ab dem 01.04.1997 an, das bisherige Arbeitsverhältnis zu den identischen Bedingungen in Bremen-Hemelingen fortzusetzen. Eine zunächst erhobene Kündigungsschutzklage hat die Klägerin zurückgenommen.

Zur Milderung der Nachteile, die die Belegschaftsmitglieder infolge der Verlegung erleiden, ist ein Sozialplan (Bl. 6 bis 11 d.A.) geschlossen worden, der u. a. folgende Regelungen enthält:

1.5 Arbeitnehmer, die einen angebotenen zumutbaren anderen Arbeitsplatz in der neuen Betriebsstätte in Bremen ablehnen, haben keine Ansprüche nach diesem Sozialplan.

Unzumutbar ist der Wechsel, wenn

  • der Mitarbeiter pflegebedürftige eigene Verwandte auf- oder absteigender Linie oder einen pflegebedürftigen Ehegatten bzw. dessen entsprechende Verwandte pflegt. Die Pflegebedürftigkeit richtet sich nach den Bestimmungen über die Pflegeversicherung. Der Mitarbeiter und die gepflegte Person dürfen nicht mehr als 10 km Luftlinie voneinander entfernt wohnen;
  • der Mitarbeiter Kinder hat, die eine allgemeinbildende Schule maximal in der 10. Klasse besuchen.

1.6 Eine auf eigene Krankheit gestützte Unzumutbarkeit hat der betroffene Arbeitnehmer durch ein amtsärztliches Zeugnis nachzuweisen; die Kosten hierfür trägt die Firma.

4.1 Arbeitnehmer, für die der Wechsel nach Bremen unzumutbar ist, haben einen Anspruch auf Abfindung.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf den Sozialplan (Bl. 6 bis 11 d.A.) Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 01.04.1997 haben die Bevollmächtigten der Klägerin einen Anspruch auf Sozialplanabfindung unter Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung eines Facharztes für Neurologie und Psychiatrie vom 21.01.1997 geltend gemacht. Bezüglich des genauen Inhaltes der ärztlichen Bescheinigung wird auf Blatt 12 der Akte Bezug genommen.

Die Beklagte hat die Zahlung der der Höhe nach unstreitigen Sozialplanabfindung abgelehnt.

Am 10.10.1997 ist die Klägerin im sozialpsychiatrischen Dienst des Gesundheitsamtes des Landkreises Harburg psychiatrisch untersucht worden; bezüglich der Einzelheiten der amtsärztlichen Stellungnahme vom 29.10.1997 wird auf Blatt 43 ff der Akte Bezug genommen.

Wegen der Einzelheiten der Zugverbindungen zwischen Neu-Wulmstorf und Bremen-Hemelingen wird auf Blatt 46 der Akte verwiesen.

Mit ihrer am 23.05.1997 beim Arbeitsgericht Lüneburg eingereichten, der Beklagten am 04.06.1997 zugestellten Klage begehrt die Klägerin Zahlung einer Abfindung in Höhe von DM 61.660,44 nebst Zinsen. Auf Rüge der örtlichen Unzuständigkeit durch die Beklagte und aufgrund eines Verweisungsantrages der Klägerin hat sich das Arbeitsgericht Lüneburg durch Beschluß vom 27.06.1997 für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das örtlich zuständige Arbeitsgericht Bremen verwiesen. Eine Klagerweiterung um DM 250,– wegen der aufgewendeten Kosten für die amtsärztliche Untersuchung ist durch Teilvergleich vom 10.03.1998, in der streitigen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht Bremen geschlossen, erledigt worden.

Die Klägerin hat vorgetragen:

Die Sozialplanabfindung stehe ihr zu, da ein Wechsel nach Bremen aus gesundheitlichen Gründen unzumutbar gewesen sei. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln wäre sie ca. 4 Stunden täglich unterwegs gewesen; deren Benutzung stünden im übrigen gesundheitliche Probleme (Platzangst) entgegen. Eine Benutzung eines Pkw mit täglichen Fahrtzeiten von 2 Stunden 20 Minuten sei schon wegen einer medikamentösen Behandlung mit Antidepressiva nicht möglich. Sie befinde sich nach wie vor in ärztlicher Behandlung bei Dr. G. ; die Medikamentierung sei beibehalten worden und ihr Gesundheitszustand habe sich verschlechtert. Diese Situation habe auch das Arbeitsamt anerkannt; eine Sperrzeit habe sie nicht erhalten.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, DM 61.660,44 zuzüglich 4 % Zinsen auf den sich ergebenden Nettobetrag seit dem 01.06.1997 zu bezahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat sich gegen den Anspruch mit Rechtsausführungen, insbesondere zum Begriff der Zumutbarkeit, gewandt und ferner vorgetragen:

Die diagnostizierte Erkrankung der Klägerin stehe nicht im Zusammenhang mit dem ihr angebotenen Arbeitsplatzwechsel. Es werde bestritten, daß die Klägerin Stangyl vor dem 31.03.1997 regelmäßig oder überhaupt eingenommen habe. Es werde ferner b...

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