rechtskräftig

 

Leitsatz (amtlich)

1) Eine Erhöhung von staatlichen Leistungen (hier: Arbeitslosenhilfe), die im wesentlichen den Anstieg der Lebenshaltungskosten ausgleicht, hat bei der Prüfung, ob die wirtschaftlichen Verhältnisse eines Prozeßkostenhilfeempfängers sich wesentlich geändert haben (§ 120 IV ZPO) außer Betracht zu bleiben.

2) Verbleibt einem Prozeßkostenhilfeempfänger bei ansonsten völlig identischen Einkommensverhältnissen lediglich deshalb monatlich ein etwas größerer Geldbetrag zu seiner Verfügung, weil aufgrund des Gesetzes zur Änderung der Pfändungsfreigrenzen vom 1.4.1992 die Betrage, die gepfändet werden können, geringer geworden sind, kann diese Tatsache nicht bei der Prüfung der Einkommensverhältnisse nach § 120 IV ZPO zum Nachteil des Prozeßkostenhilfeempfängers berücksichtigt werden. Es würden sonst nicht hinnehmbare Wertungswidersprüche im selben Gesetz (hier der ZPO) entstehen.

 

Normenkette

ZPO § 120 Abs. 4

 

Verfahrensgang

ArbG Bremen (Beschluss vom 09.02.1993; Aktenzeichen 3 Ca 3127/89)

 

Tenor

Auf die zur Beschwerde gewordene Erinnerung des Klägers wird der Beschluß des Arbeitsgerichts Bremen vom 9.2.1993 aufgehoben.

Der Kläger hat weiterhin keine Raten zu zahlen.

 

Tatbestand

I.

Durch Beschluß des Landesarbeitsgerichts Bremen vom 6.3.1992 ist dem Kläger Prozeßkostenhilfe ohne Ratenzahlung gewährt worden.

Zum Zeitpunkt jener Entscheidung erhielt der Kläger Arbeitslosenhilfe in Höhe von wöchentlich DM 285,60. Aufgrund von Unterhaltspfändungen, die zu berücksichtigen waren, wurden dem Kläger wöchentlich von der Bundesanstalt für Arbeit DM 207,90 ausgezahlt. Die Kaltmiete betrug damals DM 220,–. Danach ergab sich folgende Berechnung des Einkommens des alleinstehenden Klägers:

Monatliches Einkommen

900,90 DM

Kaltmiete

220,– DM

abzügl. 18,4 % v. 900,90 DM

165,77 DM

54,23 DM

54,23 DM

Dieser Betrag war von dem ermittelten monatlichen Einkommen von 900,90 DM abzuziehen, so daß dem Kläger monatlich

846,67 DM

verblieben.

Die Rechtspflegerin des Arbeitsgerichts hat bereits im Januar 1993 die Einkommensverhältnisse des Klägers erneut überprüft.

Danach erhält der Kläger weiterhin Arbeitslosenhilfe in Höhe von jetzt DM 298,20. Es liegen die gleichen Pfändungen vor, wie 1992.

Die Warmmiete beträgt DM 342,91. Allerdings werden dem Kläger wegen der Erhöhung der Pfändungsfreigrenzen durch das Gesetz zur Änderung der Freigrenzen vom 1.4.1992 (BGBl I 1992 Seite 745) zur Zeit nur noch lediglich DM 11,22 abgezogen aufgrund des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses vom 28.9.1988 wegen seiner Unterhaltsverpflichtungen.

Dem Kläger steht mithin nunmehr folgendes Einkommen zur Verfügung:

Arbeitslosenhilfe monatlich

DM

1.243,58

Kaltmiete, soweit 18,4 % überschritten werden

DM

55,07

insgesamt mithin ein Betrag von

DM

1.188,51.

 

Entscheidungsgründe

II.

1) Die zur Beschwerde gewordene Erinnerung des Klägers ist zulässig.

2) Sie ist auch begründet.

Gemäß § 120 Abs. 4 ZPO kann das Gericht die Entscheidung über die zu leistenden Zahlungen ändern, wenn sich die für die Prozeßkostenhilfe maßgebenden persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich geändert haben.

a) Eine wesentliche Verbesserung oder Verschlechterung setzt voraus, daß die Einkommensverhältnisse nicht nur marginal besser geworden sind, sondern daß der Antragsteller erkennbar durch das höhere Einkommen seinen Lebensstandard verbessern kann. Eine solche wesentliche Verbesserung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse kann z.B. eintreten, wenn die Arbeitslosigkeit wegfällt, wenn Unterhaltsberechtigte keinen Unterhalt mehr verlangen, wenn eine große Erbschaft gemacht wird, wenn erhebliche Forderungen realisiert werden können (vgl. dazu Thomas-Putzo, ZPO, 18. Aufl., § 120 Rdz. 9 ZPO).

b) Eine solche wesentliche Veränderung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers kann die Beschwerdekammer im vorliegenden Fall nicht feststellen:

Die Höhe der Arbeitslosenhilfe, die der Kläger zum Zeitpunkt der letzten Entscheidung über Ratenzahlungen/und zum heutigen Zeitpunkt erhält hat sich nicht wesentlich verändert. Allenfalls ist ein Ausgleich für die Steigerung der allgemeinen Lebenshaltungskosten erfolgt. Diese Erhöhungen der staatlichen Leistungen, die nicht wesentlich über der Preissteigerungsrate liegen, können grundsätzlich nicht zu einer Abänderung der Ratenhöhe nach § 120 IV ZPO führen. Sie gleichen lediglich aus, daß nicht eine Verschlechterung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eintritt, sie können aber keinesfalls zu einer Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse eines Prozeßkostenhilfeempfängers führen.

Auch eine Änderung der Schuldenhöhe und damit der den Pfändungen zugrundeliegenden Forderungen, ist sei der letzten Entscheidung des Beschwerdegerichts nicht eingetreten. Der Kläger muß weiterhin Unterhaltsansprüche von monatlich DM 500,– erfüllen. Er kann dies heute genau so wenig wie vor einem Jahr. Es werden lediglich gering Beträge von der Bundesanstalt für Arbeit einbehalten. Die „Verbesserung” der Lebensverhält...

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