Verfahrensgang

ArbG Cottbus (Urteil vom 25.03.1992; Aktenzeichen 1 Ca 3830/91)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 26.05.1994; Aktenzeichen 8 AZR 395/93)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das am 25.03.1992 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Cottbus – 1 Ca 3830/91 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger war von August 1969 bis Februar 1990 für das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) der ehemaligen DDR in den Paßkontrolleinheiten (PKE) tätig. Zuletzt war er im Rang eines Hauptmanns Paßkontrolleur und Fahnder.

Im Frühjahr/Sommer 1990 wurde der Kläger in den damals von der Regierung der DDR eingerichteten Grenzschutzeinzeldienst eingegliedert. Mit Inkrafttreten des Einigungsvertrages wurde er in den Dienst der Beklagten zum Bundesgrenzschutz übernommen.

Im Dezember 1990 war der Beklagten auf Grund einer ersten Personalüberprüfung bekannt geworden, daß, wie lange und mit welcher Funktion und Dienstgrad der Kläger in der PKE für das Ministerium für Staatssicherheit tätig war. Im Spätsommer holte die Beklagte erneut Auskünfte über den Kläger beim Bundesbeauftragten für die personbezogenen Unterlagen des ehemaligen Ministeriums für Staatssicherheit ein, die im November 1991 bei ihr eingingen. Diese Auskünfte enthielten keine den Kläger belastenden zusätzlichen Informationen, welche über die der Beklagten schon im Dezember 1990 bekannten Tatsachen hinausgingen.

Am 04. Dezember 1990 wurde mit dem Kläger im Beisein eines Personalratsmitgliedes ein Personalgespräch zu seiner Tätigkeit für das Ministerium für Staatssicherheit geführt und ihm letztlich eröffnet, daß seine fristlose Kündigung beabsichtigt sei.

Im Anschluß an dieses Gespräch hat sich die Beklagte mit Schreiben vom 06. Dezember 1991 an den Bezirkspersonalrat der zuständigen Grenzschutzdirektion gewandt. Diesem Schreiben war eine Liste mit 49 Namen beigefügt – darunter auch der Name des Klägers. Als weitere Angabe enthielt diese Liste zu seiner Person die Bezeichnung „GS Amt Frankfurt/Oder/GSSt Forst”. Das Schreiben lautet:

„Ich beabsichtige, das bestehende Arbeitsverhältnis mit den in der Anlage aufgeführten Bediensteten gemäß Anlage 1 Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 5 Nr. 2 des Einigungsvertrages außerordentlich zu kündigen.

Aufgrund der Einzelgespräche und der mir seit dem 13.11.1991 vorliegenden Kurzauskünfte des Sonderbeauftragten der Bundesregierung für die personbezogenen Unterlagen des ehemaligen MfS steht fest, daß die betreffenden Beschäftigten nicht in einem Randbereich, sondern im exekutiv-operativen Bereich bzw. im Stab des MfS tätig waren.

Anknüpfungspunkt für die Kündigung ist die Tatsache der Zugehörigkeit dieser Bediensteten zum ehemaligen MfS/AfNS.

Zur Verwirklichung des Kündigungstatbestandes kommt es – anders als beim Tatbestand der Nr. 1 a.a.O. des Einigungsvertrages – nicht auf einen konkreten Rechtsverstoß oder gar individuelles Verschulden an.

Die Bediensteten haben als exekutiv-operativ tätige Angehörige der Paßkontrolleinheiten eine Funktion in einem System ausgeübt, das allgemein mit der Bezeichnung „Repressionsapparat” in den Sprachgebrauch Eingang gefunden hat. Insbesondere wegen der besonderen Art. der Aufgaben der PKE, wie sich aus den dafür erlassenen Dienstvorschriften, die u. a. eine „tschekistische” Personenüberwachung und die Filtrierung des die Kontrollpunkte passierenden Personenkreises verlangten, haben die Bürger der ehemaligen DDR und auch die Menschen in den alten Bundesländern kein Verständnis dafür, wenn ehemalige Angehörige des MfS trotz einer mehr- oder langjährigen Verwendung in dieser Institution in der öffentlichen Verwaltung der Bundesrepublik Deutschland weiterbeschäftigt werden. In einem rechtsstaatlichen System ist das notwendige Vertrauen der Bürger in den Staat und seine Repräsentanten nur bei voller persönlicher Integrität der Bediensteten dieses Staates zu gewährleisten.

Den Bediensteten wurde die Kündigungsabsicht in einem persönlichen Gespräch mitgeteilt. Ihnen wurde die Gelegenheit gegeben, sich dazu zu äußern. Das Gespräch hat jedoch keine Umstände erbracht, die geeignet sind, die Unzumutbarkeit des Festhaltens am Arbeitsverhältnis zu entkräften. Auch die vorerwähnte Kurzauskunft des Sonderbeauftragten der Bundesregierung für die personbezogenen Unterlagen des ehemaligen MfS hat keine Gesichtspunkte erbracht, die die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar erscheinen lassen.

Gemäß § 79 Abs. 3 BPersVG gebe ich Ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme.”

Mit Schreiben vom 16. Dezember 1991 hat die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger außerordentlich gekündigt.

Der Kläger hat beantragt,

  1. festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung des beklagten Landes vom Dezember 1991 nicht beendet ist, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 17.12.1991 hinaus auf unbestimmte Zeit fortbesteht,
  2. im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. das beklagte Land zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftige...

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