Entscheidungsstichwort (Thema)

Anerkennung von Post- (Vor-) dienstzeiten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Ausschlußtatbestand dar Ziff. 1 a dar Übergangsvorschriften des Tarifvertrages Nr. 401 e zu § 16, nach dem Zeiten jeglicher Tätigkeit für das MfS bei dar Berücksichtigung der Postdienstzeit ausgeschlossen sind, ist schon dann erfüllt, wann überhaupt ein finales Handeln des Arbeitnehmers für das MfS vorliegt, das über bloße dienstliche Kontakte hinausgeht. Dabei sind die Motive des Arbeitnehmers für eine Zusammenarbeit mit dem MfS ohne Belang.

2. Die Unterzeichnung einer Verpflichtungserklärung stellt noch keine Tätigkeit im Sinne der Tarifnorm Ziff. 1 a der genannten Übergangsvorschrift dar.

3. Die tarifliche Regelung in Ziff. 1 S. 4 der Übergangsvorschrift, wonach auch solche Zeiten nicht als Postdienstzeiten berücksichtigt werden, die vor einer Tätigkeit für das MfS zurückgelegt worden sind, ist wegen Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG verfassungswidrig und damit nichtig.

 

Normenkette

Tarifvertrag Nr. 401 e vom 5.2.1992 zur Anpassung das Tarifrechts für Angestellte dar Deutschen Bundespost im Beitrittsgebiet an den TV-Angestellte, § 16 und Übergangsvorschriften

 

Verfahrensgang

ArbG Potsdam (Urteil vom 11.10.1995; Aktenzeichen 4 Ca 1284/95)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 29.01.1998; Aktenzeichen 6 AZR 507/96)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 11.10.1995 verkündeteUrteil des Arbeitsgerichts … – 4 Ca 1284/95 – unter Zurückweisung der Berufung im übrigen teilweise abgeändert und zur Klarstellung neu gefaßt:

Es wird festgestellt, daß als … dienstzeiten des Klägers die Zeiten vom 01.12.1969 bis zum 27.03.1986 und ab dem 29.02.1988 anzuerkennen sind.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 1/10, die Beklagte 9/10.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Dauer der … dienstzeiten des Kläger.

Der Kläger war seit Dezember 1969 bei der D. P. im F. S. – seit 1974 als Schichtleiter – beschäftigt. Seit 1975 gehörte er dort dem Stab des Zivilschutzes an. Für ihn galt die Geheimhaltungsstufe GVS (Geheime Verschlußsache), die ihn u. a. verpflichtete, jeden „West-Kontakt” zu melden. Im Zuge der Vereinigung trat die D. B. in das Arbeitsverhältnis des Klägers ein. Seit ihrer Privatisierung ist die Beklagte Arbeitgeber des Klägers.

Auf dieses Arbeitsverhältnis ist jedenfalls kraft Vereinbarung u. a. der Tarifvertrag Nr. 401 e zur Anpassung des Tarif rechts für Angestellte der Deutschen Bundespost im Beitrittsgebiet an den TV-Ang (TV Nr. 401 e) anzuwenden. Danach ist Postdienstzeit u. a. die bei der Deutschen Post in einem Arbeitsverhältnis zurückgelegte Zeit. Von der Berücksichtigung als Postdienstzeit sind ausgeschlossen:

„a) Zeiten jeglicher Tätigkeit für das Ministerium für Staatssicherheit/Amt für Nationale Sicherheit (einschließlich der Verpflichtung zu informeller/inoffizieller Mitarbeit)…

Von einer Berücksichtigung als Postdienstzeit ausgeschlossen sind auch die Zeiten, die vor einer Tätigkeit im Sinne der Buchstaben a, b und c zurückgelegt worden sind.”

Im Jahr 1986 erhielt der Kläger an seiner Dienststelle einen Brief von einer ehemaligen Bekannten, die zwischenzeitlich in die Bundesrepublik ausgereist war. Nachdem er dies der Kaderleitung gemeldet hatte, besuchte ihn etwa eine Wochen später ein Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit. Er gab ihm den Auftrag, den Kontakt zu seiner Bekannten zu halten. Nach anfänglicher Weigerung erklärte sich der Kläger hierzu bereit. Zwischen dem 27.03.1986 und dem 28.02.1988 schrieb der Kläger ihr insgesamt 8 Briefe belanglosen Inhalts, die beantwortet wurden. Jeweils nach Eingang der Antwortbriefe beim Kläger erschien der Mitarbeiter des Ministeriums für Staatsicherheit bei ihm im Betrieb und führte mit dem Kläger darüber ein Gespräch. Da sich die Korrespondenz insgesamt als harmlos erwies, bestand der Kläger Anfang 1988 darauf, sie zu beenden. Daraufhin meldete sich der Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit jedenfalls ab dem 28.02.1988 in dieser Sache nicht mehr bei ihm. Im Frühjahr 1989 wurde der Kläger von dem Mitarbeiter des MfS zur Flucht seiner geschiedenen Frau in die Bundesrepublik befragt.

Laut Einzelbericht des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes war der Kläger ab dem 27.02.1986 als IMS (Inoffizieller Mitarbeiter für Sicherheit) unter dem Decknamen … für die Bezirksverwaltung S., Abteilung … des MfS registriert und ihm der Mitarbeiter als Führungsoffizier zugeteilt, mit dem der Kläger zwischen 1986 und 1988 zu tun hatte.

Im April 1994 hat die Beklagte die Postdienstzeiten des Klägers abweichend von einer Festsetzung aus dem Oktober 1992 ab dem 03.10.1990 festgesetzt.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, daß die … dienstzeit/Dienstzeit des Klägers am 01.12.1969 beginnt.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Zusammenarbeit des Klägers mi...

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