Verfahrensgang

ArbG Senftenberg (Urteil vom 02.04.1993; Aktenzeichen 3 (1) Ca 2630/92)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Senftenberg vom 2. April 1993 – 3 (1) Ca 2629/92 und 3 (1) Ca 2630/92 – abgeändert:

Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien auch durch die ordentliche Kündigung vom 29. April 1992 nicht aufgelöst worden ist.

2. Die Anschlußberufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens hat die Beklagte zu tragen. Von den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens haben die Klägerin ein Drittel und die Beklagte zwei Drittel zu tragen.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung und die Auflösung des Arbeitsverhältnisses.

Die am 01.04.1964 geborene Klägerin ist seit dem 01.09.1980 im Betrieb der Beklagten beschäftigt. Sie hatte zunächst eine Chemiefacharbeiterausbildung absolviert und schloß 1988 ein Studium der Verfahrenstechnik an der Technischen Hochschule M. zu dem sie delegiert wurde, als Diplomingenieurin ab. Anschließend war die Klägerin kurze Zeit als Betriebsingenieurin bei der Beklagten tätig. Auf Wunsch der Klägerin wurde sie dann auf der Grundlage des Änderungsvertrages vom 17.01.1989 (Bl. 28 d.A.) als 1. Anlagenfahrer beschäftigt. Seit 01.04.1991 wird sie nach der Entgeltgruppe E 7 des einschlägigen Tarifvertrages der chemischen Industrie vergütet, zuletzt mit DM 2.040,– brutto monatlich.

Im Betrieb der Beklagten waren zunächst zwei Steamreforminganlagen, also Anlagen zur Gaserzeugung, vorhanden, und zwar die Anlage 01 und die Anlage 08. Die Anlage 01 war mit 41, die Anlage 08 mit 33 Schichtarbeitsplätzen besetzt. Wegen der Aufteilung im einzelnen wird auf Seite 4 des Tatbestandes des angefochtenen Urteils (Bl. 108 d.A.) Bezug genommen. Die Klägerin war an der Anlage 01 als 1. Anlagenfahrerin eingesetzt und hatte als solche über einen längeren Zeitraum auch eine Meßwartenfahrerin zu vertreten.

Im Jahr 1989 wurde mit dem Bau einer neuen Synthesegasanlage begonnen, die – als Anlage 51 bezeichnet – im April 1991 in Betrieb genommen wurde. Parallel hierzu wurde die Stillegung der Anlagen 01 und 08 betrieben.

Die Anlage 51 wird im Vierschichtbetrieb gefahren mit jeweils sieben Arbeitnehmern:

1

Schichtleiter

E 10

1

1. Anlagenfahrer/stv. Schichtleiter

E 8

1

Meßwartenfahrer

E 7

2

Anlagenfahrer 1

E 5

1

Springer 1

E 7

1

Springer 3

E 5.

Die Beklagte besetzte diese Stellen zunächst ausschließlich mit männlichen Arbeitnehmern, die bereits 1990/Anfang 1991 für entsprechende Schulungsmaßnahmen ausgewählt worden waren. Die Klägerin sollte wie andere Arbeitnehmerinnen der Anlagen 01 und 08 mit Entsorgungs- und Abrißarbeiten dort wurden sechs Mitarbeiter benötigt – beschäftigt werden, wobei die Beklagte dies an den Abschluß eines Aufhebungsvertrages zum 31.12.1992 koppelte, was die Klägerin jedoch ablehnte.

Am 27.09.1991 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Klägerin zum 31.12.1991. Auf die hiergegen gerichtete Klage der Klägerin hat das LAG Brandenburg mit dem Urteil vom 01.12.1992 – 1 Sa 371/92 –, auf das Bezug genommen wird (Bl. 185 bis 189 d.A.) rechtskräftig festgestellt, daß die Kündigung wegen Verstoßes gegen § 15 KSchG unwirksam ist.

Die Klägerin hatte sich bei der im Jahr 1991 stattgefundenen Betriebsratswahl als Wahlbewerberin zur Verfügung gestellt. Nach der Bekanntmachung vom 11.06.1991 (Bl. 13 d.A.) bzw. 18.06.1991 erreichte sie Platz 24, so daß sie in der 16köpfigen Gruppe der Arbeiter nach Wegfall von vier Arbeitern mit höherer Stimmenanzahl 3. Ersatzmitglied wurde. Am 09.07.1991 fand eine Betriebsratssitzung statt, zu der die Klägerin wegen des urlaubsbedingten Ausfalles mehrerer ordentlicher Betriebsratsmitglieder der Arbeitergruppe kurzfristig – etwa eine halbe Stunde vor Beginn – telefonisch geladen wurde. Die Klägerin informierte daraufhin ihren Vorgesetzten, der eine Freistellung unter Hinweis darauf, daß die Klägerin wegen Fehlens einiger Arbeitnehmer im Betrieb unabkömmlich sei, ablehnte. Zur Betriebsratssitzung wurde darauf hin ein weiteres Ersatzmitglied herangezogen.

Mit dem Schreiben vom 24.02.1992, auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird (Bl. 37 bis 40 d.A.), informierte die Beklagte den Betriebsrat über ihre Absicht, das Arbeitsverhältnis der Klägerin erneut vorsorglich zum 30. bzw. 31.03.1992 zu kündigen. Dabei teilte sie mit, die Klägerin sei in der Lohngruppe E 7 als Meßwartenfahrer 1 an der Gaserzeugungsanlage 01/08 tätig gewesen. Wegen des Wegfalls dieses Arbeitsplatzes durch Stillegung der Anlage sei eine Sozialauswahl unter den. 26 Meßwartenfahrern im Betrieb gemäß der anliegenden Aufstellung vorzunehmen. Dabei sei Frau T. wegen der Unterschiede der in der Anlage PPO/E im Vergleich zur Gaserzeugungsanlage angewandten Technologie auszunehmen. Auch ein Austausch mit Herrn T. und Herrn Q. sei aus betriebstechnischen Gründen nicht möglich, da für deren Tätigkeit das Vorli...

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