Entscheidungsstichwort (Thema)

Weiterbeschäftigungs- oder Neueinstellungsanspruch nach Abwicklung von Einrichtungen nach Beklagte

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Hinweise des BVerfG in seiner Entscheidung vom 29.4.1991 – 1 BvR 1341/90 – (sog. Warteschleifenurteil) bezügl. der Personengruppen, bei denen sich die Regelungen des Einigungsvertrags „besonders einschneidend” auswirken und diese Regelungen nur „vertretbar” seien, wenn der Staat zur Wiedereingliederung der Betroffenen in das Berufsleben „besondere Bemühungen” unternehme, u.a. ihnen „eine begründete Aussicht auf eine neue Stelle im öffentlichen Dienst” biete und sie „bei der Besetzung von Stellen angemessen berücksichtige”, sind nicht als tragende Gründe der Entscheidung anzusehen, die gemäß § 31 BVerfGG in Gesetzeskraft erwachsen.

2. Arbeitnehmer aus den besonders schutzwürdigen Personengruppen können aus dem Gesichtspunkt der Fürsorgepflicht keinen Anspruch auf Weiterbeschäftigung herleiten und auf dem Wege der Naturalrestitution entgegen der auch für sie geltenden Ruhens- und Beendigungsregelungen des Einigungsvertrags nicht den Fortbestand ihres Arbeitsverhältnisses verlangen.

3. Aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist auch kein Anspruch auf Einstellung oder Berücksichtigung bei der Besetzung freier Stellen herzuleiten.

Die unter III 3 d cc der Gründe des Urteils aufgestellten Grundsätze sind lediglich im Rahmen der Eignungsprüfung nach Art. 33 GG oder nachwirkender Fürsorgepflicht zu berücksichtigen.

 

Normenkette

G-EV;

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 12.02.1992; Aktenzeichen 94 A Ca 18443/91)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 09.06.1993; Aktenzeichen 8 AZR 535/92)

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das am 12. Februar 1992 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Berlin – 94 A Ca 18443/91 – wird zurückgewiesen.

II. Die in der Berufungsinstanz erweiterte Klage wird abgewiesen.

III. Die Klägerin trägt die Kosten der Berufungsinstanz.

IV. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin war seit dem 2. Mai 1973 in der Versorgungseinrichtung des Ministerrates der früheren DDR (VEM) tätig, zuletzt als Beschließerin im Wohnheim … in … Berlin. Die VEM war nach ihrer „Ordnung” vom 16.7.1984 eine Einrichtung „zur Betreuung und Versorgung von Gästen und Nomenklaturkadern des Zentralkomitees der SED, Staatsrates der DDR, Ministerrates der DDR und der vom Leiter des Sekretariats des Ministerrates, der Abteilung Betriebe und Einrichtungen des Sekretariats des Ministerrates und der Protokollabteilung des Sekretariates des Ministerrates eingewiesenen Gäste”.

Nach dem Geschäftsverteilungsplan der VEM (Kopie Bl. 89 ff. d.A.) war diese in fünf Direktionsbereiche gegliedert, nämlich Gastronomie, Gebäudewirtschaft, Gebäudewirtschaft II/Betreuung, Betriebsteil Universal (BTU) und Dienstobjekte/Allgemeine Verwaltung/Transport. Während die Klägerin zunächst im Direktionsbereich Gastronomie in der Küche als Küchenhilfe tätig war, erhielt sie auf eigenen Wunsch aus gesundheitlichen Gründen dort zunächst Schonarbeit und – nachdem auch dies aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich war – wurde auf ihren Wunsch hin ab 2.11.1989 in den Direktionsbereich Dienstobjekte/Allgemeine Verwaltung/Transport versetzt, und zwar in das Wohnheim … in als Beschließerin. Außer diesem Wohnheim hat die VEM eine Anzahl ähnlicher Einrichtungen betrieben, zum Beispiel den Komplex des Schlosses … mit dazugehörigen Gästehäusern und der Verwaltung.

Die Klägerin ist nicht verheiratet und Mutter von drei unterhaltsberechtigten Kindern.

Auf einer Dienstbesprechung am 25. September 1990 einigten sich der Vertreter des Ministerrates der DDR, des Bundeskanzleramtes und des Bundesministers der Finanzen darauf, daß die Entscheidung nach Artikel 13 Abs. 2 des Einigungsvertrages durch den Bundesminister der Finanzen getroffen werden solle. Mit Erlassen vom 15. und 30. Oktober 1990 schob der Bundesminister der Finanzen die fragliche Entscheidung bis längstens zum 31. Dezember 1990 hinaus und entschied mit Erlaß vom 11.12.1990, die VEM nicht zu übernehmen (Kopie Bl. 26 bis 34 R d.A.). In dem Erlaß vom 11. Dezember 1990 ist noch bestimmt, daß beabsichtigt sei, die Einrichtungen des früheren Amtes des Ministerpräsidenten der DDR in geeigneter Weise wirtschaftlich zu verwerten. Um dieses Ziel nicht zu beeinträchtigen, werde es notwendig sein, bis zum Zeitpunkt einer wirtschaftlichen Verwertung Arbeitskräfte vorübergehend zu beschäftigen.

Die Entscheidung vom 11.12.1990 wurde der Klägerin von der Oberfinanzdirektion Berlin mit Schreiben vom 14. Dezember 1990 bekanntgegeben. In diesem heißt es:

…„Ich gebe Ihnen davon Kenntnis, daß auch das mit Ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund der Entscheidung des Bundesministers der Finanzen, die Einrichtung nicht weiterzuführen, mit Wirkung vom 1. Januar 1991 ruht …” (Kopie Bl. 6 und 7 d.A.).

Die Beklagte hat das Wohnheim … mit Vertrag vom 27.3.1991 an einen privaten Nutzer überlassen. Bis dahin bewirtschaftete sie es selber weiter, wobei sie die anfallenden Reinigungsa...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge