Entscheidungsstichwort (Thema)

Unterscheidung zwischen Beton- und Abbrucharbeiten im Baugewerbe. Tarifverträge. Baugewerbe. Betonarbeiten. Abbrucharbeiten

 

Leitsatz (amtlich)

Arbeiten zur Kappung von zu lang hergestellten Betonpfählen für Pfahlgündungen sind Beton- bzw. Stahlbetonarbeiten und keine Abbrucharbeiten im Sinne des VTV Baugewerbe.

 

Normenkette

VTV Baugewerbe

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 15.01.1999; Aktenzeichen 15 Ca 61079)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das am 15. Januar 1999 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Berlin – 15 Ca 61079/98 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger ist als Gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes nach näherer tariflicher Maßgabe die Einzugsstelle für die Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes und nimmt die Beklagte in dieser Funktion auf Auskunftserteilung für die Monate Juli 1997 bis Februar 1998 in Anspruch.

Die Beklagte unterhielt in dieser Zeit im Westteil des Landes Berlin einen Betrieb für Stemmarbeiten. Dieser Betrieb war fast ausschließlich damit befaßt und darauf spezialisiert, im Auftrag und nach Vorgabe bzw. Anweisung von Spezial-Tiefbau-Unternehmen Betonpfahlköpfe mit Meißeln zentimeter-genau zu kappen und den Beton nach Vorgabe bzw. Anweisung dieser Unternehmen zu verbringen. Die bei der Beklagten hauptsächlich von Tagelöhnern, Freigängern usw. verrichtete Kapp-Arbeit besteht im wesentlichen darin, den im Kopf der Pfähle nicht verdichteten, weicheren Beton aus den Stahl-Käfigen der Pfähle herauszumeißeln (siehe Foto-Dokumentation Bl. 51 d. A.). Die auf die richtige Länge gekappten Pfähle sind Teile der sogenannten „Pfahlgründungen”, die bei einer entsprechend unsicheren Standfestigkeit des Baugrundes erforderlich sind, um sichere Fundamente für Gebäude zu erstellen.

Der Kläger hat die Meinung vertreten, die Kappung der Betonpfähle sei als bauliche Leistung im Sinne der Tarifverträge der Bauwirtschaft anzusehen. Es handle sich nicht um Abrißarbeiten, da durch die Kürzung die Funktion der Pfähle erst hergestellt, nicht aber beseitigt werde.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen,

  1. dem Kläger auf dem vorgeschriebenen Formular Auskunft darüber zu erteilen, wie viele Arbeitnehmer, die eine nach den Vorschriften des Sozialgesetzbuches (SGB VI) Arbeiter rentenversicherungspflichtige Tätigkeit ausübten, in den Monaten Juli 1997 bis Februar 1998 im Betrieb der Beklagten beschäftigt wurden, sowie in welcher Höhe die Bruttolohnsumme insgesamt für diese Arbeitnehmer und die Beiträge für die Sozialkassen der Bauwirtschaft in den genannten Monaten angefallen sind,
  2. für den Fall, daß die Verpflichtung zur Auskunftserteilung nicht innerhalb einer Frist von sechs Wochen nach Urteilszustellung erfüllt wird, an den Kläger eine Entschädigung zu zahlen von DM 120.000,00.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat gemeint, es handle sich bei den Kapp-Arbeiten um nichtkonstruktive Teilabbrucharbeiten, die nicht dem Bautarif unterworfen seien. Das Kappen eines Pfahles bis auf eine vom Spezial-Tiefbau-Unternehmen angegebene Höhe sei technisch vergleichbar mit dem Abriß eines Hauses bis auf das Kellergeschoß, auf welchem später durch ein anderes Unternehmen ein neues Gebäude errichtet werde.

Mit am 15.01.1999 verkündetem Urteil hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben mit der Begründung, der Betrieb der Beklagten sei nicht von der Einschränkung der Allgemeinverbindlichkeit der Verfahrenstarifverträge erfaßt, da keine Abbrucharbeiten verrichtet würden. Die Arbeiter der Beklagten führten die Pfähle erst ihrer bautragenden Bestimmung zu, ein Substanz- oder Funktionsverlust werde durch die Kapp-Arbeit nicht herbeigeführt. Ausschlaggebend sei die Funktion der Pfähle, nicht die des abgetrennten Materials. Die Weisungsabhängigkeit zeige gerade die Bedeutung der Funktionsherstellung bzw. der Funktionserhaltung bei der Ausführung der Tätigkeiten. Die Beklagte sei deshalb zur Auskunftserteilung und bei Fristablauf zur Entschädigungszahlung verpflichtet. Für die weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 26–30 d. A.) verwiesen.

Gegen dieses der Beklagten am 02.02.1999 zugestellte Urteil richtet sich ihre am 22.02.1999 bei Gericht eingegangene Berufung, die sie mit am 10.03.1999 eingegangenem Schriftsatz begründet hat.

Die Beklagte meint, sie führe Teil-Abrißarbeiten bezüglich der Köpfe der Stahlbetonpfähle aus, da diese ihre bisherige Substanz, ihre bisherige Funktion verlören, um sodann gekürzt eine neue Substanz und Funktion zu erhalten. Die Beklagte zieht nochmals den Vergleich mit dem Teil-Abriß eines Hauses bis auf das Kellergeschoß. Die Etagen des Hauses entsprächen den Köpfen der Stahlbetonpfähle, der Keller den Stahlbetonpfählen, in beiden Fällen werde nach dem Teil-Abriß der verbliebene Bestand als Baumasse weiter verwendet. Auch der Teil-Abriß sei den Abbrucharbeiten zuzuordnen.

Die Beklagte bean...

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