Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Sittenwidrigkeit arbeitsvertraglicher Entgeltregelung bei Bezugnahme auf Haus (Vergütungs-)Tarifvertrag im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung

 

Leitsatz (redaktionell)

Ein tätigkeitsbezogener Gleichbehandlungsgrundsatz „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit.” existiert nicht. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz knüpft an den Vertragsarbeitgeber an. Diesem wird eine Ungleichbehandlung verboten, nicht aber unterschiedlichen Arbeitgebern.

 

Normenkette

BGB §§ 138, 612; GG Art. 3, 9 Abs. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 07.06.2002; Aktenzeichen 79 Ca 24590/01)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 24.03.2004; Aktenzeichen 5 AZR 303/03)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 7. Juni 2002 – 79 Ca 24590/01 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird zugelassen

 

Tatbestand

Die Parteien streiten nunmehr noch darüber, ob dem Kläger wegen Sittenwidrigkeit bzw. Erfüllung des Wuchertatbestandes der getroffenen Lohnvereinbarung Differenzlohnansprüche zwischen der gezahlten und der üblichen Vergütung zustehen sowie um Verpflegungsmehraufwand.

Der Kläger, der Mitglied der IG Metall ist, war nach näherer Maßgabe des schriftlichen Arbeitsvertrages für Mitarbeiter im Kundeneinsatz vom 15. Dezember 2000 nebst Ergänzungsvereinbarung vom 1. Mai 2001, auf deren Inhalt (Bl. 9-14 d.A.) Bezug genommen wird, in der Zeit zwischen dem 18. Dezember 2000 und dem 3. August 2001 als Lager- und Versandarbeiter/Hilfskraft bei einer vereinbarten Arbeitszeit von 151,7 Monatsstunden (35 Wochenstunden) bei der Beklagten tätig, die bundesweit Arbeitnehmerüberlassung betreibt.

Der Kläger ist ungelernter Arbeiter und war vor Abschluss des Arbeitsvertrages zwei Jahre arbeitslos.

Nach § 6 des Arbeitsvertrages sind die jeweiligen für die Beklagte geltenden Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen in ihrer jeweils gültigen Fassung Bestandteile dieses Vertrages. Mit den Gewerkschaften ÖTV und DAG, nachfolgend Ver.di, hat die Beklagte Haustarifverträge abgeschlossen, nämlich den Manteltarifvertrag für überbetriebliche Mitarbeiter (Mitarbeiter im Kundeneinsatz), den Tarifvertrag über Vergütungsstrukturen für überbetriebliche Mitarbeiter in Ergänzung des Manteltarifvertrages sowie den Vergütungstarifvertrag für überbetriebliche Mitarbeiter jeweils am 14. April 2000 und sodann den Vergütungstarifvertrag für überbetriebliche Mitarbeiter in Ergänzung des Tarifvertrages über Vergütungsstrukturen vom 1. Mai 2001. Nach dessen Ziffer I ergibt sich der Regellohn aus der Tarifliste, die Bestandteil des Tarifvertrages ist und errechnet sich aus dem Grundlohn, dem daraus resultierenden Einstellungstarif, dem Zuschlag nach sechs Monaten und dem Zuschlag nach zwölf Monaten; nach Ziffer 1.3 betrug er für gewerbliche Mitarbeiter (Absatzgruppe 500) konventionell (volle Sozialleistungen) von 12,57 DM bis 16,51 DM und nach dem Wahllohnsystem (Teile von Sozialleistungen durch Sofortlohn abgegolten) von 13,99 DM bis 18,32 DM. Die individuellen Mindestlöhne je nach Betriebszugehörigkeit, Einstellberuf usw. ergeben sich aus der Tarifliste. Nach Ziffer 4.1 kann mit gewerblichen Hilfskräften je nach Marktgegebenheiten einzelvertraglichen Abschlag bis maximal 0,83 DM auf den Individuallohn vereinbart werden; der reduzierte Qualifikationsgrundlohn beträgt mindestens 10,89 DM.

Zwischen den Parteien war ein Vertragslohn von 10,89 DM, nach dem Wahllohnsystem ein Abrechnungstarif von 11,99 DM pro Stunde vereinbart, ab Mai 2001 ein Stundenlohn von 11,24 DM entsprechend einem Abrechnungstarif nach dem Wahllohnsystem von 12,38 DM brutto pro Stunde, ab Juli 2001 rechnete die Beklagte 12,88 DM brutto pro Stunde ab. Der Kläger wurde als Produktionshelfer bei den Firmen V. und KBE in der Kunststoffproduktion eingesetzt.

Mit der Begründung, die getroffene Lohnvereinbarung und der in § 6 des Arbeitsvertrages in Bezug genommene Vergütungstarifvertrag seien sittenwidrig und rechtsunwirksam, weil in Anbetracht des durchschnittlichen Bruttostundenverdienstes der ungelernten Arbeiter im produzierenden Gewerbe in Berlin für das Jahr 2000 (nach den Erhebungen des statistischen Landesamtes Berlin 2001) von 23,78 DM brutto ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vorliege, hat der Kläger für die Zeit von Januar bis April 2001 die Differenz zwischen einem Stundenlohn von 10,89 DM und dem „ortsüblichen” Lohn von 23,78 DM und ab Mai 2001 die Differenz zwischen einem Stundenlohn von 11,24 DM und dem statistischen Durchschnittsstundenlohn von 23,78 DM geltend gemacht sowie Fahrtkostenerstattung und Verpflegungsmehraufwand.

Er hat darauf hingewiesen, dass der vereinbarte Stundenlohn weniger als 60% des Durchschnittsbruttostundenverdienstes eines ungelernten Arbeiters im produzierenden Gewerbe in Berlin betragen habe und das Missverhältnis noch deutlicher hervortrete, wenn man berücksichtige, dass die Stammarbeiter der Firma V. für die gleiche Tätigkeit ungefähr einen Stundenlohn von 27,19 DM bru...

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