Entscheidungsstichwort (Thema)

TV: Geltung BAG oder AVR. TV: Geltung BAT oder AVR. Absenkung der Arbeitszeit und Vergütung

 

Leitsatz (redaktionell)

Senkt der Arbeitgeber aufgrund eines Tarifvertrages die Arbeitszeit und die Vergütung der Arbeitnehmer auf 90 % der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit bzw. Vergütung ab, so findet eine entsprechende Reduzierung auch in einem Arbeitsverhältnis statt, in dem vertraglich geregelt ist, dass die Arbeitszeit „zur Zeit 19,25 Stunden/Woche, 50 % eines Vollbeschäftigten” beträgt. Arbeitszeit und Vergütung stehen in einem synallagmatischen Zusammenhang.

 

Normenkette

BGB §§ 133, 157

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 20.10.2004; Aktenzeichen 16 Ca 15783/04)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 05.04.2006; Aktenzeichen 4 AZR 325/05)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 20.10.2004 – 16 Ca 15783/04 – wie folgt geändert:

  1. Die Klage wird abgewiesen.
  2. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

II. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die seit dem 11. März 1998 zuletzt als Leiterin einer Tagespflegestätte beschäftigte Klägerin wendet sich gegen die von der Beklagten, einer kirchlichen Einrichtung, die im Bereich der Alten-, Behinderten- und Jugendhilfe tätig ist, am 1. Januar 2004 vorgenommene Absenkung der Arbeitszeit und Vergütung um 10 % auf der Grundlage des „Tarifvertrags zur Anwendung von Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes (Anwendungs-TV Land Berlin)” vom 31. Juli 2003.

Im Arbeitsvertrag zwischen den Parteien vom 19. Oktober 1998 lautet es unter anderem:

„Eingruppierung und Vergütung erfolgen nach dem BAT/BMT-G.

Vergütungsgruppe BAT V c Stufe 5 Fallgruppe 9

Die Arbeitszeit beträgt z. Zt. 19,25 Stunden/Woche, 50 % eines Vollbeschäftigten.

Bestandteil dieses Dienstvertrages sind im Übrigen die Arbeitsvertragsrichtlinien des D. Werkes der E. Kirche in Deutschland sowie die mit der Mitarbeitervertretung des E. J. abgeschlossenen Dienstvereinbarungen.”

Am 31. Juli 2003 wurde zwischen dem Land Berlin und den Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes ein „Tarifvertrag zur Anwendung von Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes” (Anwendungs-TV Land Berlin) geschlossen, der unter anderem eine Absenkung der Arbeitszeit auf 92 %, 90 % oder 88 % je nach Vergütungsgruppe und eine kongruente Absenkung der Vergütung vorsieht.

Die Beklagte hatte im Herbst 2003 ihren Mitarbeitern angeboten, das Arbeitsverhältnis – soweit nicht ohnehin geschehen – auf der Grundlage der Regelungen der Arbeitsvertragsrichtlinien des D. Werkes fortzuführen. Die überwiegende Zahl der Beschäftigten war hiermit einverstanden, ein Teil der Arbeitnehmer – unter anderem auch die Klägerin – stimmte dem nicht zu.

Mit Schreiben vom 9. Dezember 2003 (Bl. 14 ff. d.A.) teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie zum 1. Januar 2004 ihre Arbeitszeit auf 90 % der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit und ihre Vergütung entsprechend absenke. Dem vorangegangen war, dass die Klägerin zuletzt mit der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten tätig war. Seit dem 1. Januar 2004 zahlt die Beklagte nur noch 90 % der ursprünglichen Vergütung weiter, was zu einer Differenz für die Klägerin in Höhe von monatlich 208,05 EUR führt.

Mit der vorliegenden, bei Gericht am 28. Juni 2004 eingegangenen Klage wendet sich die Klägerin gegen diese Absenkung und vertritt die Auffassung, die Kürzung sei unzulässig gewesen, da nicht der BAT insgesamt, sondern nur Teile des BAT bezüglich Eingruppierung und Vergütung in Bezug genommen worden seien.

Die Klägerin hat beantragt,

  1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.399,09 EUR brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab dem 1. Juni 2004 zu zahlen;
  2. festzustellen, dass ihre Arbeitszeit 38,5 Wochenstunden betrage.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat die Auffassung vertreten, Arbeitszeit und Vergütung stünden in einem untrennbaren Zusammenhang, der BAT finde in Bezug auf Vergütung und Eingruppierung und Arbeitszeit, und zwar in der für Berlin maßgeblichen Fassung, Anwendung.

Von einer näheren Darstellung des Parteivorbringens erster Instanz wird unter Bezugnahme auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung abgesehen, § 69 Abs. 2 ArbGG.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 20. Oktober 2004 der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, es sei keine vollständige Inbezugnahme des BAT erfolgt; vielmehr sei ausweislich des Wortlautes der formularmäßigen Vereinbarung nur ein Teil der Regelung des BAT Gegenstand der vertraglichen Vereinbarung geworden. Eine Auslegung des Vertrages ergebe, dass sich Vergütung und Eingruppierung nach den jeweiligen Ergänzungsvereinbarungen zum BAT richten sollen. Diese Verweisung sei als eine dynamische aufzufassen, so dass also Eingruppierung und Vergütung in der jeweils geltenden Fassung der einschlägigen Anlage und dem Vergütungstarifvertrag zum BAT zu entnehmen seien. Eine Auslegung der dynamischen Verweisung dahin, dass auch solche Tarifvert...

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