Entscheidungsstichwort (Thema)

Einstweilige Verfügung. Teilzeitanspruch

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Soll der Anspruch eines Arbeitnehmers auf Verringerung der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit im Wege einstweiliger Verfügung durchgesetzt werden, so muss das Interesse des Arbeitnehmers an der Verringerung der Arbeitszeit gewichtiger sein als das Interesse des Arbeitgebers an der Aufrechterhaltung der vertraglich vereinbarten Vollzeitbeschäftigung.

2. Eine in der Vergangenheit seitens des Arbeitgebers vom Arbeitnehmer verlangte Bereitschaft zur Ableistung von Teilzeitarbeit hat eine Indizwirkung dafür, dass Teilzeitarbeit die Organisation und den Arbeitsablauf in dem Betrieb des Arbeitgebers nicht wesentlich beeinträchtigt.

 

Normenkette

ZPO §§ 935, 940; TzBfG § 8 Abs. 4

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 12.10.2001; Aktenzeichen 31 Ga 24563/01)

 

Tenor

I. Die Berufung der Verfügungsbeklagten gegen das am 12.10.2001 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Berlin – 31 Ga 24563/01 – wird auf ihre Kosten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Verfügungsbeklagte der Verfügungsklägerin bis zur Verkündung einer erstinstanzlichen Entscheidung in der Hauptsache – 31 Ca 13371/01 – zu gestatten hat, nur für eine wöchentliche Arbeitszeit von 19,25 Stunden, verteilt auf 3 beliebige Wochentage, zur Verfügung zu stehen, wobei die Verfügungsklägerin an einem dieser Wochentage die Betriebsstätte spätestens um 13.00 Uhr verlassen kann.

II. Gegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel nicht gegeben (§ 72 Abs. 4 ArbGG).

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über einen Anspruch der Verfügungsklägerin auf Verringerung der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit und dessen (vorläufige) Durchsetzung im einstweiligen Verfügungsverfahren.

Die am … 1964 geborene verheiratete Verfügungsklägerin, die zwei Kinder (drei und sechs Jahre alt) unterhaltsverpflichtet ist, war nach näherer Maßgabe des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 01.02.1990 als Reiseverkehrsfrau zunächst in der Verkaufsdirektion B. der H. L. R. GmbH und sodann in Berlin zuletzt ab April 1992 als Büroleiterin eines neu eröffneten Verkaufsbüros in B.-Mitte tätig. Während ihres seit der Geburt des ersten Kindes in Anspruch genommenen Erziehungsurlaubs ging das Arbeitsverhältnis am 11.12.2000 aufgrund Verschmelzung auf die T. L.T. GmbH über, die in Berlin in 26 Reisebüros zwischen 3 und 13 Mitarbeiter in Voll- und Teilzeit beschäftigt. Den Antrag der Verfügungsklägerin vom 29.05.2001, nach Beendigung ihres Erziehungsurlaubs ab 29.08.2001 nur noch Teilzeit zu arbeiten, lehnte die Verfügungsbeklagte mit Schreiben vom 19.07.2001 wegen entgegenstehender betrieblicher Gründe endgültig ab. Sie wies der Verfügungsklägerin zunächst ab 29.08.2001 einen Vollzeitarbeitsplatz in der K.-M.-Straße zu, der Reisebüroleiter dort teilte ihr fernmündlich mit, dass er bereits zwei Teilzeitkräfte beschäftige und über den Einsatz einer weiteren Teilzeitkraft nicht bestimmen könne. Danach erhielt die Verfügungsklägerin einen Vollzeitarbeitsplatz in dem Reisebüro R.straße zugewiesen, in dem im September/Oktober 2001 zwei vollschichtig tätige Mitarbeiter ausscheiden. Die Öffnungszeiten der von der Verfügungsbeklagten betriebenen R.büros sind: montags bis freitags 9.15 Uhr bis 19.00 Uhr und samstags 10.00 Uhr bis 13.00 Uhr.

Mit dem vorliegenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung hat die Verfügungsklägerin vorgetragen und durch eigene eidesstattliche Versicherung sowie die ihres Ehemannes glaubhaft gemacht, ihre Kinder könnten nach Schließung der Kindertagesstätte nicht von ihrem Ehemann, sondern lediglich an zwei Tagen wöchentlich von ihrer Schwiegermutter betreut werden, so dass sie nicht in der Lage sei, eine Vollzeitbeschäftigung aufzunehmen. Für den Fall des vorzeitigen Verlassens der Arbeitsstelle habe die Verfügungsbeklagte arbeitsrechtliche Sanktionen angekündigt. Deshalb befinde sie sich in einer unauflösbaren Pflichtenkollision, die nur durch Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes zu lösen sei. Auch der Umstand, dass es sich bei der begehrten einstweiligen Verfügung um eine sogenannte Befriedigungsverfügung handele, stehe ihrem Erlass nicht entgegen, da die Erwirkung eines Titels im normalen Klageverfahren nicht rechtzeitig möglich sei und sich die besondere Eilbedürftigkeit daraus ergebe, dass sie entweder mit einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses oder der Nichtbetreuung ihrer Kinder rechnen müsse.

Die Verfügungsklägerin hat beantragt,

der Antragsgegnerin zur Vermeidung von Zwangsgeld ersatzweise Zwangshaft aufzugeben, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens der Verringerung der wöchentlichen Arbeitszeit der Antragstellerin von 38,5 Stunden auf 19,25 Stunden zuzustimmen und diese Arbeitszeit auf drei beliebige Wochentage in der Weise zu verteilen, dass die Antragsgegnerin an einem der drei Arbeitstage die Betriebsstätte spätestens um 13.00 Uhr verlassen kann.

Die Verfügungsbeklagte hat Klageabweisung beantragt.

Sie hat darauf hingewiesen, dass weder Verfügungsanspruch noch Verf...

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