Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfassungswidrigkeit der tariflichen Regelung d. Nichtanrechnung von Vordienstzeigen vor Ableistung des Grundwehrdienstes bei Grenztruppen der DDR (§ 5 Abs. 4 LTV-DR). Anrechnung v. Beschäftigungszeiten bei der DR vor Ableistung des Grundwehrdienstes bei Grenztruppen der DDR. Bestimmtheit der schriftlichen Geltendmachung eines Abfindungsanspruchs

 

Leitsatz (amtlich)

Kläger begehrt restliche Lohn- und Abfindungsansprüche nach betriebsbedingtem Ausscheiden aus einem Arbeitsverhältnis zur DR am 31.12.1993, deren Höhe von der anrechenbaren Eisenbahndienst zeit abhängt. Die Beklagte hat die vor Ableistung des Grundwehrdienstes bei den Grenztruppen der DDR bei der DR geleisteten Beschäftigungszeiten gem. § 5 Abs. 4 LTV-DR nicht angerechnet. ArbG und LAG haben die tarifliche Nichtanrechnungsregelung für Grundwehrdienst Leistende für verfassungswidrig angesehen (Art. 3 GG) und sind von einer Anwendung des § 5 Abs. 1 LTV-DR und damit d. Anrechnung der streitigen Vordienstzeit ausgegangen. Im Gegensatz zum ArbG Berlin hat das LAG eine ausreichend bestimmte schriftl. Geltendmachung des erst nach Ende des Arbeitsverhältnisses entstandenen und fällig gewordenen Abfindungsanspruchs (§ 34 Abs. 2 LTV-DR) nicht bereits in der 1992 erfolgten schriftlichen Anmeldung von zu Unrecht einbehaltenen Lohnanteilen wegen falscher Dienstzeitberechnung gesehen.

 

Normenkette

LTV-DR § 5 Abs. 1, 4, § 34 Abs. 2; GG Art. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 06.12.1995; Aktenzeichen 21 Ca 38559/94)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 6. Dezember 1995 – 21 Ca 3855/94 abgeändert:

1. Der Klageantrag zu 2) wird abgewiesen, im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 8/9, das beklagte Bundeseisenbahnvermögen 1/9.

3. Die Revision wird für beide Parteien zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um restliche Lohn- und Abfindungsansprüche des am 23.09.1964 geborenen Klägers, der in der Zeit zwischen dem 01.09.1981 und dem 31.12.1993 als qualifizierter Facharbeiter (Schlosser) im Gleisbaubetrieb … bei der Deutschen Reichsbahn (DR) zuletzt gegen eine Vergütung nach Lohngruppe III des Lohntarifvertrages der Deutschen Reichsbahn (LTV-DR) beschäftigt war. Das Arbeitsverhältnis der tarifgebundenen Parteien wurde durch Aufhebungsvertrag vom 30.08.1993 zum 31.12.1993 aufgelöst. In dem Aufhebungsvertrag heißt es:

„Die Auflösung des Arbeitsvertrages erfolgt im Sinne des „Tarifvertrages zur sozialen Absicherung” vom 06.07.1992, wie er für den öffentlichen Dienst gilt, weil eine Verwendung wegen mangelnden Bedarfs nicht mehr möglich ist.”

In der Zeit zwischen dem 03.11.1987 und dem 01.05.1989 leistete der Kläger seinen Wehrdienst bei den Grenztruppen der DDR.

Gemäß Dienstzeitberechnung vom 05.10.1992 setzte die Deutsche Reichsbahn den Beginn der Eisenbahndienstzeit des Klägers mit dem 02.05.1989 fest. Dagegen hat sich der Kläger mit Einspruchschreiben vom 08.12.1992 wie folgt gewandt:

„Hiermit mache ich meine Ansprüche auf Rückzahlung von zu Unrecht einbehaltenen Lohnanteilen im Zusammenhang mit der vorgenommenen neuen Dienstzeitberechnung nach § 9 des Tarifvertrages Nr. 2/1991/DR geltend. Ich erkläre ausdrücklich, daß ich mit der vorgenommenen vorläufigen Dienstzeitberechnung nicht einverstanden bin und hiermit meine Lohnansprüche nach der tarifgemäßen Dienstzeitberechnung/Lohnstufe geltend mache … betr.: Grundwehrdienst bei Grenztruppen und die Dienstzeit davor.”

Nachdem die Deutsche Reichsbahn die Abfindung nach § 2 des Tarifvertrages zur sozialen Absicherung für Arbeiter und Angestellte der DR entsprechend ihrer Dienstzeitberechnung (4 Jahre) mit 2.779,99 DM im September 1993 errechnet und nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers an diesen zur Auszahlung gebracht hatte, sandte dieser mit Datum vom 25. Oktober 1994 ein erneutes Anspruchsschreiben an die Deutsche Reichsbahn, in dem er eine Nachberechnung seiner Abfindung und eine Nachberechnung seines Lohnes durch falsche Einstufung bei der Lohnstufe begehrte, und zwar unter Anerkennung seiner Dienstjahre vor dem Grundwehrdienst bei den Grenztruppen der DDR.

Er hat geltend gemacht, bei richtiger Einstufung in Lohngruppe III a ab Januar 1993 bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses 638,50 DM brutto mehr beanspruchen zu können sowie einen Abfindungsbetrag von weiteren 5.340,– DM. Diese – der Höhe nach unstreitigen – Ansprüche verfolgt er mit der am 17.01.1995 zugestellten Klage weiter.

Der Kläger hat geltend gemacht, als Eisenbahndienstzeit (Beschäftigungszeit) sei auch die Zeit vom 22.09.1982 (Vollendung des 18. Lebensjahres) bis zum 31.10.1987 anzurechnen, da er in dieser Zeit bei der Deutschen Reichsbahn gearbeitet und den anschließenden Wehrdienst bei den Grenztruppen der DDR nicht freiwillig geleistet habe. Bei Anerkennung seiner Beschäftigungszeit von insgesamt neun Jahren ergäben sich die in der Klage näher bezifferten Restlohn- und Abfindungsansprüche.

Der Kläger beantra...

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