Entscheidungsstichwort (Thema)

Anpassung eines betrieblichen Ruhegeldanspruchs. Anpassungspflicht des Arbeitgebers hinsichtlich eines im Beitrittsgebiet vor dem 01.01.1992 zugesagten Ruhegeldes

 

Leitsatz (amtlich)

1. Durch die Regelung im Einigungsvertrag, wonach die §§ 118 BetrAVG nur für Zusagen über Leistungen der betrieblichen Altersversorgung gelten, die nach dem 31.12.1991 im Beitrittsgebiet erteilt wurden, ist die Anwendung der durch die vorgesetzliche Rechtsprechung entwickelten Grundsätze hinsichtlich der Anpassungsprüfungspflicht des Arbeitgebers nicht grundsätzlich ausgeschlossen.

2. An eine solche Anpassungspflicht sind aber unter Berücksichtigung der Besonderheiten, die mit der Veränderung des Wirtschaftssystems der ehemaligen DDR im Zuge der Wiedervereinigung verbunden gewesen sind, strenge Anforderungen zu stellen.

 

Normenkette

BGB §§ 242, 315; BetrAVG §§ 16, 18 Abs. 1 Nr. 6; Anlage I zum Einigungsvertrag Kapitel VIII Sachgebiet A Abschn. III Nr. 16

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 05.03.1996; Aktenzeichen 59 Ca 30969/95)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 5. März 1996 – 59 Ca 30969/95 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der am 27. September 1924 geborene Kläger streitet mit der Beklagten über eine Anpassung seines betrieblichen Ruhegeldes.

Am 28. November 1949 trat der Kläger in die Dienste der Berliner Verkehrs-Betriebe (BVG-Ost), dem späteren VEB Kombinat Berliner Verkehrsbetriebe. Seit Beginn seiner Tätigkeit als Finanzbuchhalter gehörte der Kläger obligatorisch der Ruhegeldeinrichtung der BVG an, die noch vor der Trennung der BVG-Ost von der BVG-West in der Satzung vom 01. April 1946 ihre Grundlage hatte (vgl. den Abschlußbericht vom 22. November 1968, S. 2–3, Bl. 101–102 d. A.). Für den Bereich der BVG-Ost trat mit dem 01. September 1968 hinsichtlich der Ruhegeldeinrichtung eine wesentliche Änderung ein. Nach den zu diesem Zeitpunkt eingeführten neuen Richtlinien Ober die Zusatzversorgung der BVG-Ost bestand für den Kläger folgendes Wahlrecht: Er konnte sich seine bis dahin eingezahlten Beiträge (in seinem Falle insgesamt 7.395,50 Mark) auszahlen lassen, diese Beitragssumme in die freiwillige Versicherung auf Zusatzrente bei der Sozialversicherung (FZR) unter weiterer Zahlung von Beiträgen bis zum Rentenfall fließen lassen oder seinen erworbenen Anspruch (vgl. § 3 der Richtlinien) im Rahmen der Zusatzversorgung in Form eines ab Rentenfall zu zahlenden Ruhegeldfestbetrages dadurch aufrechterhalten, daß er die aufgelaufene Beitragssumme ohne weitere Beitragszahlung der BVG-Ost beließ (§ 1 Ziff. 4 c der Richtlinien). Nach einer für den Kläger erstellten Berechnung der BVG-Ost hätte er mit den bis zum 31. Dezember 1967 gezahlten Beiträgen bei Berentung einen Anspruch von 126,27 Mark als Zusatzrente im Rahmen der FRZ gehabt; nach den Angaben des Klägers – von der Beklagten nicht bestritten, hätte er bei weiterer Beitragszahlung (monatlich 30,– Mark) eine Zusatzrente von max. 284,67 Mark erworben, so daß er sich für die Aufrechterhaltung seines Ruhegeldanspruchs entschied, der 330,75 Mark betrug, wie u.a. im Nachtrag zum Arbeitsvertrag vom 17. Februar 1970 festgehalten wurde (Bl. 27 d. A.). Die Regelungen über den Ruhegeldfestbetrag der Zusatzversorgung sahen keine Anpassung dieses Ruhegeldes vor.

Am 15. Februar 1990 schied der Kläger, der zuletzt eine Vergütung von etwa 1.300,– Mark erhalten hatte, bei der BVG-Ost aus. Er bezog seitdem die Zusatzversorgung von 330,75 Mark; und zwar neben seiner gesetzlichen Sozialversicherungsrente von 440,– Mark (seit dem 11. August 1988; vgl. den Schriftsatz des Klägers vom 10. Juli 1996, Bl. 89 d. A.). In der Folgezeit stieg diese Rente über 627,– DM zum 01. Juli 1990 auf zwischenzeitlich 1.518,79 DM ab dem 01. Juli 1996 an, während des Ruhegeld, das die Beklagte nach der zum 01. Januar 1992 erfolgten Fusion mit der BVG-Ost in Anerkennung ihrer Pflichten als Rechtsnachfolgerin (vgl. ihr Schreiben vom 31. August 1994, Bl. 8 d. A.) weiterzahlte, der Höhe nach unverändert blieb.

Die Beklagte, die seit dem 01. Januar 1960 Mitglied der VBL ist, wendet auf Mitarbeiter, die davor noch Mitglieder der zum 31. Dezember 1959 geschlossenen Ruhegeldeinrichtung der BVG-West geworden waren, die dafür geltenden Regelungen an, die u.a. eine Anpassung des Ruhegeldes vorsehen. Eine Anpassung des Ruhegeldes des Klägers lehnte sie ab; so verfuhr sie gegenüber allen Versorgungsempfängern der BVG-Ost, deren Zahl sich im Mai 1996 auf 201 Ruheständler und 353 versorgungsberechtigte Hinterbliebene belief.

Der Kläger hat die Beklagte für die Zeit ab 1991 auf Zahlung eines erhöhten Ruhegeldes in Anspruch genommen und hinsichtlich der Höhe auf die im jeweiligen Vorjahr bzw. für 1991 im zweiten Halbjahr 1990 gemäß dem veröffentlichten Preisindex für die Lebenshaltung eines Vierpersonenarbeitnehmerhaushaltes mit mittlerem Einkommen im Bereich der neuen Länder und Berlin-Ost ermittelten Preisstei...

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