Entscheidungsstichwort (Thema)

Erhöhte Einkommenssteuer als Verzugsschaden und tarifliche Ausschlußfrist

 

Leitsatz (amtlich)

1. Macht der Arbeitnehmer Verzugsschaden, § 286 Abs. 1 BGB, mit der Begründung geltend, durch die verspätete Gehaltsnachzahlung sei es zu seiner steuerlichen Mehrbelastung, § 34 Abs. 3 EStG, gekommen, muß er die Ausschlußfrist des § 70 BAT (§ 70 BAT-O) beachten.

2. Auch Steuerschäden können als dem Arbeitnehmer zu ersetzende Vermögensschäden, §§ 249 ff BGB, in Betracht kommen.

3. Zum Verschulden im Sinne vom i.S.v. § 285 BGB bei schwieriger und zweifelhafter Rechtslage.

 

Normenkette

BAT § 70; BGB § 249 ff., §§ 285, 286 Abs. 1, §§ 611, 615; EStG § 34 Abs. 3, § 38 Abs. 1-2, §§ 38a, 39b

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 07.08.1997; Aktenzeichen 91 Ca 33071/96)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 07. August 1997 – 91 Ca 33071/96 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

 

Tatbestand

Die am 8. Dezember 1932 geborene Klägerin war seit dem 1. September 1951 im Ostteil Berlins als Lehrerin beschäftigt und wurde im Rahmen der Wiedervereinigung Deutschlands in den Schuldienst des beklagten Landes übernommen.

Mit Schreiben vom 16. September 1992 teilte das Bezirksamt M. von Berlin der Klägerin unter Hinweis auf § 60 Abs. 1 des Bundes-Angestelltentarifvertrages-Ost a. F. mit, daß ihr Arbeitsverhältnis aus Altersgründen zum 31. Dezember 1992 enden werde. Die dagegen von der Klägerin erhobene Feststellungsklage hatte vor dem Arbeitsgericht Berlin Erfolg. Durch Urteil vom 13. Oktober 1993 stellte das Arbeitsgericht Berlin – 93 Ca 368/93 – fest, daß das Arbeitsverhältnis der Klägerin weder gemäß der Nachricht des Beklagten vom 16. September 1992 noch aus anderen Gründen mit dem 31. Dezember 1992 beendet werde, sondern unverändert fortbestehe. Außerdem wurde das beklagte Land antragsgemäß verurteilt, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluß des Verfahrens als Lehrerin weiterzubeschäftigen. Das gegen diese Entscheidung beim Landesarbeitsgericht Berlin eingereichte Rechtsmittel der Berufung – 11 Sa 157/93 – nahm das beklagte Land im Dezember 1994 zurück, nachdem ihm die schriftlichen Entscheidungsgründe des Urteils des Bundesarbeitsgerichts vom 20. Oktober 1993 – 7 AZR 135/93 – vorlagen, wonach ein Verstoß der tariflichen Altersgrenze des § 60 BAT sowie des § 60 BAT-O gegen die gesetzliche Vorschrift des § 41 Abs. 4 Satz 3 SGB VI festgestellt worden war.

Aufgrund des genannten erstinstanzlichen Urteils zahlte der Beklagte am 29. September 1994 das rückständige Gehalt der Klägerin für das Jahr 1993 sowie für die Monate Januar bis August 1994. Dadurch erhöhte sich das zu versteuernde Einkommen der Klägerin im Jahre 1994 auf 117.113,– DM so daß die Klägerin gemäß Bescheid des Finanzamtes L. vom 27. September 1995 Einkommenssteuer in Höhe von 22.822,– DM zu entrichten hatte. Der dagegen von der Klägerin erhobene Einspruch vom 1. Oktober 1395 wurde durch Bescheid des Finanzamtes L. vom 2. Januar 1996 als unbegründet zurückgewiesen.

Mit Schreiben vom 3. Mai 1996 teilten die späteren Prozeßbevollmächtigten der Klägerin dem Bezirksamt M. von Berlin, Abteilung Personal und Verwaltung, unter anderem folgendes mit:

„…

Unserer Mandantin ist durch die verspätete Zahlung des Gehaltsanspruches ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 5.600,00 DM entstanden.

Die Gehaltsnachzahlung ist in vollem Umfang in dem Jahr, wo unsere Mandantin das Gehalt erhalten hat, zu versteuern. Da die Nachzahlung im Jahr 1994 erfolgt ist, wurde dieses Gehalt auch in 1994 versteuert. Bei fristgerechter Zahlung hätte unsere Mandantin im Jahr 1993 eine Steuer von 8.130,00 DM und für das Jahr 1994 eine Steuer in Höhe von 9.104,00 DM entrichten müssen. Insgesamt wäre Sie also mit Steuern in Höhe von 17.234,00 DM belastet worden. Durch die Nachzahlung ist unserer Mandantin ein Schaden in Höhe von 5.600,00 DM entstanden. Die Ursache in der Mehrbelastung liegt in der Steuerprogession, wodurch der durchschnittliche Steuersatz um 2,5 % gestiegen ist. Darüberhinaus sind unserer Mandantin im Jahr 1993 Freibeträge verlustig gegangen.

Namens und in Vollmacht unserer Mandantin haben wir Sie nunmehr aufzufordern, den Schadensbetrag in Höhe von 5.600,00 DM bis zum

24. Mai 1996

auf eines der unten im Briefbogen näher bezeichneten Konten anzuweisen.

…”

Mit Schreiben vom 23. Mai 1996 lehnte jedoch das Landesschulamt Berlin jegliche Zahlung mit der Begründung ab, daß Steuerschuldnerin gegenüber dem Finanzamt ausschließlich die Klägerin und nicht die Behörde sei.

Mit der beim Arbeitsgericht Berlin am 20. August 1996 eingegangenen und dem Beklagten am 4. September 1996 zugestellten Klage hat die Klägerin vom Beklagten Schadensersatz in Höhe von 5.588,– DM mit der Begründung verlangt, daß sie infolge der verspäteten Nachzahlung ihres Gehaltes einer erhöhten Einkommenssteuerpflicht für das Kalenderjahr 1994 unterlegen habe, die bei rechtzeitiger Zahlung nicht entstanden wäre.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie...

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