Revision eingelegt

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Anwendung tariflicher Ausschlußfristen auf eine Sozialplanabfindung bei Abschluß des Sozialplanes nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses

 

Leitsatz (amtlich)

Tarifliche Ausschlußfristen sind auf einen Sozialplanabfindungsanspruch jedenfalls dann nicht anzuwenden, wenn der Sozialplan erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses abgeschlossen wird.

 

Normenkette

BetrVG § 112 Abs. 1, § 77 Abs. 4

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 18.05.1993; Aktenzeichen 18 Ca 23.694/92)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 30.11.1994; Aktenzeichen 10 AZR 79/94)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 18. Mai 1993 – 18 Ca 23.694/92 – abgeändert:

  1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger DM 10.761,45 nebst 4 % Zinsen seit dem 15.9.1992 zu zahlen.
  2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

II. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Verpflichtung der Beklagten, an den Kläger eine Sozialplanabfindung in rechnerisch unstreitiger Höhe von 10.761,45 DM zu zahlen. Die Klageforderung ist dem Grunde nach streitig. Außerdem beruft sich die Beklagte auf die Nichtbeachtung tarifvertraglicher Ausschlußfristen.

Der Kläger war bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin in der Zeit vom 01. September 1964 bis zum 30. Juni 1991 tätig. Auf das Vertragsverhältnis der Parteien fand kraft Verbandszugehörigkeit der Manteltarifvertrag für die Angestellten der Metall- und Elektroindustrie in Berlin und Brandenburg. Tarifgebiet II vom 10.03.1991 (MTV) Anwendung. Nr. 13 MTV lautet:

„Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis

13.1

Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis sind beiderseits innerhalb einer Frist von drei Monaten nach ihrer Fälligkeit, jedoch spätestens innerhalb von zwei Monaten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses, geltend zu machen.

13.2

Sind die Ansprüche rechtzeitig geltend gemacht, ist ihre Erfüllung jedoch abgelehnt worden oder ist eine Erklärung hierzu innerhalb von zwei Wochen nicht erfolgt, so ist innerhalb weiterer sechs Wochen Klage beim Arbeitsgericht zu erheben oder die tarifliche Gütestelle anzurufen.

13.3

Die in vorstehenden Ziffern 13.1 und 13.2 vorgesehenen Fristen sind Ausschlußfristen der Art, daß mit dem fruchtlosen Ablauf der Frist das geltend zu machende Recht erlischt.

13.4

Die Ausschlußfristen der Ziffern 13.1 und 13.2 gelten nicht für die Geltendmachung von Ansprüchen aufgrund bewußter Unterschreitung tariflicher Bestimmungen. Solche Ansprüche sind spätestens innerhalb von zwei Monaten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerichtlich geltend zu machen.

13.5

Die Ausschlußfristen beginnen bei Lohnforderungen im Fall der Erhebung einer Kündigungsschutzklage von dem Zeitpunkt ab zu laufen, zu dem das Weiterbestehen rechtskräftig festgestellt wurde.”

Am 16. Juni 1991 legte der Kläger in der Personalabteilung der Beklagten ein von ihm verfaßtes Schreiben mit seiner Unterschrift folgenden Inhalts vor:

„Aufhebungsvertrag

Aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Situation und Perspektiven unseres Betriebes bitte ich um Aufhebung meines Arbeitsverhältnisses zum 30. Juni 1991.”

Das Schreiben des Klägers vom 16. Juni 1991 trägt weiterhin das Namenskürzel des bei der Beklagten tätigen Herrn … mit dem Datum vom 18.06.1991. Im Juni 1991 war Herr … innerhalb der technischen Direktion der Beklagten Leiter eines technischen Bereiches und zugleich stellvertretender technischer Direktor. Herr … war weiter der Vorgesetzte des unmittelbaren Vorgesetzten des Klägers.

Im Einverständnis mit der Beklagten realisierte der Kläger in der letzten Woche des Juni 1991 seinen ihm zustehenden Urlaub in Freizeit. Am 30. Juni 1991 schied der Kläger bei der Beklagten aus.

Nach dem Vortrag des Klägers seit ca. Juni 1990, nach dem Vortrag der Beklagten seit ca. Mai 1991 fanden im Betrieb der Beklagten Verhandlungen über den Abschluß eines Interessenausgleichs/Sozialplanes statt. Die Verhandlungen gestalteten sich deswegen als schwierig, weil der abzuschließende Sozialplan von der Treuhandanstalt, welche auch die Mittel für den Sozialplan zur Verfügung stellte, zu genehmigen war.

Mit Datum vom 09. Juli 1991 schlossen die Beklagte und der in ihrem Betrieb existierende Betriebsrat einen Sozialplan ab. Der Geltungsbereich des Sozialplanes ist in Nr. 1 wie folgt festgelegt:

„Dieser Sozialplan gilt für alle von der Betriebsänderung betroffene Mitarbeiter im Falle des Ausscheidens aus der Firma … GmbH, wenn ihnen betriebsbedingt gekündigt wird.

Bei Ausscheiden im gegenseitigen Einvernehmen und beim Eintritt in den Vorruhestand, bleiben die Leistungen aus dem Sozialplan erhalten. Dieser Sozialplan gilt nicht für Mitarbeiter, die aus personenbedingten Gründen ordentlich oder außerordentlich gekündigt werden oder wegen eigener Kündigung aus dem Unternehmen ausscheiden.”

Unter Nr. 6 „Sonstige Regelungen” ist im Sozialplan weiter festgehalten:

„Dieser Sozialplan tritt mit Unterzeichnung in Kraft und gilt für alle Arbeitnehmer, die im Zeitraum 01.07...

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