Nicht rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Koalitionsfreiheit

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Benutzung betrieblicher Postfächer zwecks Verteilung von Gewerkschaftsmaterialien durch im Betrieb beschäftigte Mitglieder der Gewerkschaft.

 

Normenkette

GG Art. 9 Abs. 3; BGB § 1004

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 19.02.1985; Aktenzeichen 36 Ca 367/84)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 23.09.1986; Aktenzeichen 1 AZR 597/85)

 

Tenor

I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 19. Februar 1985 – 36 Ca 367/84 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Beklagte ist Träger Krankenhauses in Berlin. Der Kläger ist in diesem Krankenhaus als Angestellter beschäftigt und Mitglied der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV).

Im Eingangsbereich des Krankenhauses befindet sich ein Pförtnerhaus, welches die durch Glaswände und eine Glastür abgetrennte Pförtnerloge beherbergt. In dieser Pförtnerloge sind 35 Postfächer für Eingangspost und ein weiteres für Ausgangspost installiert, Wegen der räumlichen Lage dieser Postfächer wird auf die Fotos (Bl. 17 d.A.) verwiesen. Adressaten der Fächer für Eingangspost sind entsprechend der Beschriftung die einzelnen Stationen des Krankenhauses oder sonstigen Arbeitsbereiche, wie zum Beispiel die Verwaltungsleitung, die Kasse, das Labor, die Mitarbeitervertretung oder die Pflegedienstleitung. Neben den von draußen eingehenden Sendungen wird auch hausinterne Post, wie allgemeine Dienstanweisungen, Rundschreiben und Mitteilungen des Hauses, in die Postfächer verteilt.

Am Abend des 17. Juni 1984 verteilte der Kläger Werbe- und Informationsmaterialien der ÖTV in die Postfächer der einzelnen Krankenhausstationen.

Unter dem 19. Juni 1984 richtete der Beklagte ein Schreiben (Ablichtung Bl. 8 und 9 d.A.) an den Kläger, dessen Seite 2 folgenden Wortlaut hat:

„…

Am vergangenen Sonntag (17.6.1984) gegen 22 Uhr haben Sie wiederholt ÖTV-Materialien in die Postfächer in der Pforte verteilt, obwohl Ihnen bekannt ist, daß die Leitung des Hauses dieses untersagt hat. Der diensthabende Mitarbeiter der Pforte hat Sie auch nochmals auf diese Anweisung hingewiesen.

Wir bitten Sie, diese Anweisung, die auch schon Gegenstand eines Schlichtungsverfahrens war, künftig genauestens zu beachten. Sollten Sie wider besseres Wissen erneut dagegen verstoßen, behalten wir uns arbeitsrechtliche Schritte vor. Diese Abmahnung wird zu Ihrer Personalakte genommen.

…”

Nach erfolgloser Durchführung des Schlichtungsverfahrens – auf das Protokoll vom 11. September 1984 (Ablichtung Bl. 14 d.A.) wird verwiesen – hat der Kläger mit seiner am 9. Oktober 1984 beim Arbeitsgericht Berlin eingereichten Klage die Entfernung der Abmahnung aus seiner Personalakte begehrt und hierzu einerseits die Auffassung vertreten, er sei als Gewerkschaftsmitglied berechtigt, Gewerkschaftsmaterialien in die Postfächer zu verteilen und zu diesem Zweck die Pforte zu betreten, und zum anderen behauptet, er habe dies am 17. Juni 1984 erst nach Ende seiner bis 22.30 Uhr währenden Arbeitszeit getan.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, die Abmahnung vom 19. Juni 1984 aus seiner Personalakte zu entfernen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat folgende Behauptungen aufgestellt:

Die Krankenhausleitung habe die Verteilung von Gewerkschaftsmaterialien in die Postfächer verboten, was dem Kläger auch bekannt gewesen sei, da er vom – inzwischen verstorbenen – Personalleiter bei einer früheren Gelegenheit ausdrücklich darauf hingewiesen und dieses Verbot auch in einer Besprechung der Mitarbeitervertretung des Krankenhauses im Beisein des Klägers erörtert worden sei.

Die Pforte werde nicht nur von Mitarbeitern, sondern beispielsweise auch von Patienten, Besuchern, Lieferanten, Behördenvertretern und Postbeamten aufgesucht, weshalb – so hat der Beklagte gemeint – die Grenzen einer zulässigen Verteilung gewerkschaftlicher Informationsschriften überschritten sei, da diese nur in Räumen geduldet werden müsse, in denen sich regelmäßig ausschließlich Mitarbeiter aufhielten.

Der Kläger habe das Material tatsächlich noch innerhalb seiner Arbeitszeit, nämlich zwischen 22.15 Uhr und 22.30 Uhr, verteilt.

Postfächer und Pfortenbereich dienten klar umgrenzten Zwecken. Daher sei der Kläger weder befugt, den Pfortenbereich zu betreten noch die Postfächer selbst zu bedienen, in welche auch die Postsendungen allein durch den diensthabenden Pförtner eingelegt würden. Der diensthabende Pförtner am Abend des 17. Juni 1984, … habe deshalb dem Kläger unter Hinweis auf das Verteilungsverbot der Krankenhausleitung das Betreten der Pforte untersagt.

Das Verhalten des Klägers stehe im widerspruch zu einem Abkommen der Krankenhausleitung mit der Gewerkschaft ÖTV aus dem Jahre 1977, in welchem vereinbart worden sei, daß die Gewerkschaft für die Verteilung von Informationsmaterial ausschließlich einen neben der Pforte befindlichen Glaskasten benutzen werde.

Durch Urteil vom 19. Februar 1985 ...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge