Leitsatz (amtlich)

Unwirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung unter Einhaltung einer Auslauffrist gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis nach der Regelung im einschlägigen Tarifvertrag wegen langer Betriebszugehörigkeit nur aus wichtigem Grund kündbar ist, wegen Einstellung der Produktion.

 

Normenkette

BGB § 626

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 30.05.1994; Aktenzeichen 28 Ca 34809/93)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 22.01.1998; Aktenzeichen 8 AZR 358/95)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das am 30. Mai 1994 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Berlin – 28 Ca 34809/93 – abgeändert:

Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 25.11.1993 nicht mit Wirkung zum 30.8.1994 aufgelöst worden ist.

II. Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagte zu 3/4 und der Kläger zu 1/4 zu tragen.

IV. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger ist seit dem Beginn seiner Lehre am 1. April 1960 bei der Beklagten beschäftigt. Mit Wirkung vom 1. November 1989 übertrug die Beklagte ihm den Posten eines Kellermeisters. – Auf das Arbeitsverhältnis findet der Manteltarifvertrag für die kaufmännischen und technischen Angestellten im Berliner Braugewerbe Anwendung. Nach § 3 Ziff. 4 dieses Tarifvertrages ist nach einer Betriebszugehörigkeit von 20 Jahren das Arbeitsverhältnis eines Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber nur aus wichtigem Grund kündbar.

Mit Schreiben vom 25. November 1983 teilte die Beklagte dem Kläger mit, sie kündige das Arbeitsverhältnis aus betriebsbedingten Gründen wegen Einstellung der Produktion außerordentlich unter Einhaltung einer Auslauffrist entsprechend der tariflichen/gesetzlichen Kündigungsfrist zum 30. Juni 1994.

Der Kläger hat in erster Instanz beantragt

  1. festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 25. November 1083, ihm zugegangen am 26. November 1993, nicht mit Wirkung zum 30. Juni 1994 aufgelöst werde,
  2. die Beklagte zu verpflichten, ihn nach Obsiegen in der ersten Instanz bis zum rechtskräftigen Abschluß des Verfahrens weiterzubeschäftigen,

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen

Wegen des Sachvortrages der Parteien in der ersten Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat durch das am 30. Mai 1994 verkündete Urteil die Klage abgewiesen und zur Begründung seiner Entscheidung unter anderem ausgeführt: Der zur Rechtfertigung der außerordentlichen Kündigung im vorliegenden Fall erforderliche wichtige Grund habe in der Einstellung der Produktion in dem Betrieb der Beklagten in … in dem der Kläger beschäftigt gewesen sei, bestanden. Eine Verpflichtung der Beklagten, eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für den Kläger in einem anderen Betrieb des Konzerns zu berücksichtigen, bestehe nicht. Die Beklagte habe auch soziale Gesichtspunkte ausreichend berücksichtigt. – Im übrigen wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteiles verwiesen.

Das Urteil ist dem Kläger am 11. Juli 1994 zugestellt worden. Die Berufung des Klägers ist am 4. August 1994, die Berufungsbegründung ist – nach Fristverlängerung bis zum 5. Oktober 1994 – am 29. September 1994 beim Landesarbeitsgericht eingegangen.

Zur Begründung seines Rechtsmittels trägt der Kläger vor:

Die … (im folgenden nur: … und die beklagte …) seien jeweils Tochtergesellschaften der …. Die Beklagte habe ihre Produktionstätigkeit in … im Laufe des Jahres 1994 eingestellt. Im April 1994 sei dort der letzte Sud gebraut worden. Es sei nicht richtig, daß die Beklagte ihre Geschäftstätigkeit in … um 31. März 1994 vollständig eingestellt habe. Vielmehr sei dort noch die Keg-Anlage bis zum 11. November 1994 in Betrieb (gewesen). Bis zu seiner Kündigung habe es ihm, dem Kläger, unter anderem oblegen, die Keg-Abfüllung zu leiten. Die Keg-Abfüllanlage sei in … demontiert und bei der … in … wieder aufgebaut worden. Auch die an der Keg-Abfüllanlage beschäftigten Arbeitnehmer seien in … tätig. Neben diesen sachlichen Betriebsmitteln würden auch immaterielle Betriebsmittel, insbesondere das mit der Keg-Anlage verbundene know-how, in … genutzt.

Tatsächlich liege, wie er, der Kläger schon in der ersten Instanz vorgetragen habe, eine Betriebsstillegung nicht vor. Die Beklagte habe ihren Betrieb lediglich von … verlagert. Das werde unter anderem bestätigt durch den Bericht im Tagesspiegel vom 19. Januar 1995, in dem es in Zusammenhang mit der Inbetriebnahme der … Abfüllanlage in … durch den Berliner Wirtschaftssenator unter anderem heiße, damit sei „der Umzug aus … weitgehend abgeschlossen.”

Unter diesen Voraussetzungen liege ein Betriebsübergang vor. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes im Urteil vom 14. April 1994 sei für einen Betriebsübergang die Wahrung der wirtschaftlichen Identität entscheidend. Das sei hier der Fall. Die … habe die Funktion der Beklagten übernommen. Die Beklagte habe die vorher von ihr wahrgenommenen Aufg...

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