Entscheidungsstichwort (Thema)

Einbeziehung einer tariflichen Besitzstandszulage bei der Berechnung der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Feststellungsklage eines Flugzeugabfertigers auf einem Berliner Flughafen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Sollten die Tarifvertragsparteien bei Abschluss des Manteltarifvertrages für Bodenverkehrsdienstleistungen an Flughäfen in Berlin und Brandenburg vom 25.02.2013 (MTV-BVD) tatsächlich die Schaffung einer Regelung beabsichtigt haben, wonach die Besitzstandszulage im Falle der Arbeitsunfähigkeit bei der Entgeltfortzahlung unberücksichtigt bleibt (§ 22 Abs. 8 MTV-BVD), wäre diese Regelung von der Tariföffnungsklausel des § 4 Abs. 4 EFZG nicht gedeckt.

2. Macht die Besitzstandszulage im Einzelfall 40 % der monatlichen Vergütung aus, ist eine solche Einbuße im Falle der Arbeitsunfähigkeit offenkundig nicht mehr mit dem Grundsatz der hundertprozentigen Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nach § 3 Abs. 1 Satz 1 und § 4 Abs. 1 EFZG vereinbar.

 

Normenkette

EFZG § 3 Abs. 1 S. 1, § 4 Abs. 1, 4; MTV-BVD §§ 14, 22 Abs. 6, 8; ÜTV-VTV Abschn. B 2 II (1); ZPO § 256 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Entscheidung vom 17.04.2014; Aktenzeichen 28 Ca 1564/14)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 27.04.2016; Aktenzeichen 5 AZR 229/15)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 17. April 2014 - 28 Ca 1564/14 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Höhe des Entgeltfortzahlungsanspruchs des Klägers im Krankheitsfall.

Die Beklagte ist ein Dienstleistungsunternehmen im Bereich der Bodenverkehrsdienste an den Berliner Flughäfen Sch. und T.. Sie erbringt für zahlreiche Fluggesellschaften Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Flugzeugabfertigung. Der bei der Beklagten am Flughafen T. beschäftigte Kläger trat 1977 als Flugzeugabfertiger in die Dienste der Rechtsvorgängerin der Beklagten ein. Er erzielte bis zum 31. August 2013 ein monatliches Entgelt von 2.600,-- € brutto.

Unter dem 25. Februar 2013 schlossen der Allgemeine Verband der Wirtschaft für Berlin und Brandenburg e. V. (AWB) und die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di den Manteltarifvertrag für Bodenverkehrsdienstleistungen an Flughäfen (im Folgenden: MTV BVD) und den Vergütungstarifvertrag für Bodenverkehrsdienstleistungen an Flughäfen (im Folgenden: VTV BVD), welche mit Wirkung vom 1. September 2013 für allgemeinverbindlich erklärt worden sind.

Der Manteltarifvertrag enthält, soweit hier von Interesse, folgende Bestimmungen:

"§ 13 Allgemeines

(1) Die Vergütung besteht aus

(a) dem Monatsgrundentgelt gemäß § 14

(b) etwaigen Überstundenzuschlägen gemäß § 15 Abs. 3

(c) etwaigen Zuschlägen gemäß § 16

(d) etwaigen weiteren in einem VTV geregelten Entgeltbestandteilen,

(e) etwaigen Zulagen.

...

§ 14 Monatsgrundentgelt (Tabellenentgelt)

(1) Die Höhe des Monatsgrundentgelts bemisst sich nach dem jeweils gültigen Vergütungstarifvertrag.

(2) Soweit nach § 5 (1) mit einem Beschäftigten im Arbeitsvertrag eine höhere oder niedrigere wöchentliche Arbeitszeit vereinbart ist, erhöht bzw. verringert sich das Monatsgrundentgelt entsprechend.

...

§ 17 Zahlung der Vergütung

(1) Das Monatsgrundentgelt und die Zulagen werden monatlich bargeldlos für den laufenden Monat bis zum 27. des Monats gezahlt; fällt der 27. auf einen Tag, der nicht Bankarbeitstag ist, hat er zum letzten vorherigen Bankarbeitstag zu erfolgen.

(2) Überstunden und Zuschläge werden im folgenden Monat gezahlt...

...

§ 22 Arbeitsunfähigkeit

...

(6) Wird ein Beschäftigter durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert, ohne dass ihn ein Verschulden trifft, so hat er Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch den Arbeitgeber für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen. ...

...

(8) Soweit nicht in der Anlage für Berlin-Brandenburg etwas anderes vereinbart wird, ist als Grundvergütung während der Zeit der Entgeltfortzahlung das anteilige Monatsgrundentgelt nach § 14 zuzüglich etwaiger gemittelter zu versteuernder Zuschläge nach § 16 zu zahlen. Bemessungszeitraum für die Durchschnittsberechnung sind die jeweils letzten 3 vollen Kalendermonate vor Beginn der Krankheit."

Die Anlage zum Manteltarifvertrag enthält folgende Sonderregelung zu § 22 Abs. (8) MTV:

"Als Vergütung während der Zeit der Entgeltfortzahlung ist das anteilige Monatsgrundentgelt nach § 14 MTV zu zahlen."

Der VTV BVD enthält auszugsweise folgende Regelungen:

"§ 2 Monatsgrundentgelt

Die Beschäftigten haben Anspruch auf ein monatliches Grundentgelt (Monatsgrundentgelt). Das Monatsgrundentgelt eines Vollzeitbeschäftigten ergibt sich aus seiner Tätigkeit, den Tätigkeitsmerkmalen in Anlage 1 und den Vergütungstabellen in den Anlagen 3a und b. Soweit mit einem Beschäftigten im Arbeitsvertrag eine andere wöchentliche Arbeitszeit vereinbart wird, verändert sich das Monatsgrundentgelt entsprechend."

Ebenfalls unter dem 25. Februar 2013 schloss die Beklagte mit der Vereinten Dienstleist...

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