Entscheidungsstichwort (Thema)

Rentenbescheid. Rücknahme des Rentenantrags. Frist.. Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund tariflicher Auflösungsbedingung. Fortdauer des Arbeitsverhältnisses bei fehlender Bestandskraft des Rentenbescheids und Rücknahme des Rentenantrags. Geltendmachung der Fortdauer des Arbeitsverhältnisses durch Bedingungskontrollklage

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund auflösender Bedingung nach § 33 Abs. 2 TV-L durch Zustellung eines Rentenbescheids tritt nicht ein, wenn der Arbeitnehmer den Rentenbescheid nicht rechtskräftig werden lässt und den Antrag auf Gewährung einer Rente bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz zurücknimmt. Nicht erforderlich ist, dass der Arbeitnehmer den Rentenantrag bereits innerhalb der Frist des § 84 SGG zurückgenommen hat (entgegen BAG 23. Juni 2004 - 7 AZR 440/03 - BAGE 111, 148; BAG 3. September 2003 - 7 AZR 661/02 - BAGE 107, 241).

2. Die dreiwöchige Klagefrist der §§ 21, 17 Satz 1 TzBfG gilt auch für den Streit über den Eintritt der auflösenden Bedingung (Anschluss an BAG 6. April 2011 - 7 AZR 704/09 - BAGE 137, 292).

3. Der Arbeitnehmer muss nach §§ 21, 17 Satz 2 TzBfG § 6 Satz 1 KSchG bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz die Rücknahme des Rentenantrags geltend machen.

4. Ausnahmsweise kann der Arbeitnehmer die Rücknahme des Rentenantrags auch noch in der Berufungsinstanz in das Verfahren einführen, wenn das Arbeitsgericht gegen die Hinweispflicht aus § 17 Satz 2 TzBfG iVm. § 6 Satz 2 KSchG verstößt (vgl. BAG 04. Mai 2011 - 7 AZR 252/10 - BAGE 138, 9). Erforderlich ist aber auch dann, dass die Rücknahme des Rentenantrags bereits vor Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz erfolgte.

 

Normenkette

TzBfG § 17; KSchG § 6; SGG § 84; TV-L § 33; GG Art. 12 Abs. 1; TzBfG § 17 Sätze 1-3, § 21; KSchG § 6 Sätze 1-2; TV-L § 33 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Brandenburg (Entscheidung vom 16.08.2012; Aktenzeichen 2 Ca 494/12)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Brandenburg an der Havel vom 16. August 2012 - 2 Ca 494/12- teilweise abgeändert:

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgrund auflösender Bedingung zum 15. Juni 2012 geendet hat.

2. Das beklagte Land wird verurteilt, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits über den Feststellungsantrag zu den arbeitsvertraglichen Bedingungen des Arbeitsvertrags vom 1. August 1991 vorläufig weiter zu beschäftigen.

II. Von den Kosten erster Instanz haben bei einem Gerichtskostenstreitwert von 21.702,38 EUR die Klägerin 3/7 und das beklagte Land 4/7 zu tragen. Die Kosten zweiter Instanz hat bei einem Gerichtskostenstreitwert von 9.310,02 EUR das beklagte Land zu tragen.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses aufgrund auflösender Bedingung.

Die Klägerin war bei dem beklagten Land seit 1991 als Angestellte beschäftigt. Sie hat einen GdB von 50. Auf das Arbeitsverhältnis findet aufgrund einzelvertraglicher Verweisung der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder vom 12.10.2006 (im Folgenden: TV-L Anwendung). Der TV-L enthält ua. folgende Regelung:

"(1)...

(2) Das Arbeitsverhältnis endet ferner mit Ablauf des Monats, in dem der Bescheid eines Rentenversicherungsträgers (Rentenbescheid) zugestellt wird, wonach die/der Beschäftigte voll oder teilweise erwerbsgemindert ist. Die/Der Beschäftigte hat den Arbeitgeber von der Zustellung des Rentenbescheids unverzüglich zu unterrichten. Beginnt die Rente erst nach der Zustellung des Rentenbescheids, endet das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des dem Rentenbeginn vorangehenden Tages. Liegt im Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine nach § 92 SGB IX erforderliche Zustimmung des Integrationsamtes noch nicht vor, endet das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des Tages der Zustellung des Zustimmungsbescheids des Integrationsamtes. Das Arbeitsverhältnis endet nicht, wenn nach dem Bescheid des Rentenversicherungsträgers eine Rente auf Zeit gewährt wird. In diesem Fall ruht das Arbeitsverhältnis für den Zeitraum, für den eine Rente auf Zeit gewährt wird

(3) Im Falle teilweiser Erwerbsminderung endet bzw. ruht das Arbeitsverhältnis nicht, wenn der Beschäftigte nach seinem vom Rentenversicherungsträger festgestellten Leistungsvermögen auf seinem bisherigen oder einem anderen geeigneten und freien Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden könnte, soweit dringende dienstliche beziehungsweise betriebliche Gründe nicht entgegenstehen, und der Beschäftigte innerhalb von zwei Wochen nach Zugang des Rentenbescheids seine Weiterbeschäftigung schriftlich beantragt.

Die Klägerin stellte unter dem 3. November 2011 einen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Mit Bescheid vom 27. März 2012, hinsichtlich dessen genauen Wortlauts auf Bl. 9 d. A. verwiesen wird, wurde der Klägerin eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung gewährt. Der Bescheid gi...

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