Entscheidungsstichwort (Thema)

Formulararbeitsvertrag. Kirchliche Arbeitsvertragsrichtlinien

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wird im Mustervertrag eines kirchlichen Arbeitgebers neben dem Rechtsträger als Vertragspartner auch eine konkrete Einrichtung im Vertragskopf und über der Unterschrift des Arbeitgebervertreters genannt, so führt dies zu einer Beschränkung des Einsatzbereichs des Arbeitnehmers auf diese Einrichtung.

2. Bleibt unklar, ob dem Arbeitgeber aufgrund Formularvertrags ein Versetzungsrecht zukommt, so geht dies zu seinen Lasten, woran es nichts ändert, dass bei Wegfall des Tätigkeitsbereichs anderswo beschäftigte Kollegen des Arbeitnehmers nicht in eine Sozialauswahl mit diesem einzubeziehen sind.

3. Vergleichbarkeit als Voraussetzung für die Einbeziehung in eine Sozialauswahl erfordert wechselseitige Austauschbarkeit.

4. § 622 Abs. 4 Satz 1 BGB findet auf kirchliche Arbeitsvertragsrichtlinien analoge Anwendung.

 

Normenkette

BGB §§ 157, 622 Abs. 4 S. 1; KSchG § 1 Abs. 3 S. 1 Ts. 1; AGBG § 5; AVR C § 9 Abs. 1 S. 1; AVR C § 14 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 23.08.2006; Aktenzeichen 16 Ca 1318/06)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 23.08.2006 – 16 Ca 1318/06 – geändert.

2. Die Klage wird abgewiesen.

3. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die am 01. Dezember 1948 geborene Klägerin stand seit dem 01. September 1980 als Raumpflegerin in den Diensten der Rechtsvorgängerin des Beklagten. In einem unter dem 17. September 1981 unterzeichneten Vertragsformular hieß es:

„DIENSTVERTRAG

zwischen

Rechtsträger

St. J. GmbH, A.-L. 31, 1000 Berlin 10

St. J.-Kinderheim

dto.

und

Frau

N-S. D.

geb. am … 48.

C. ist eine der Lebens- und Wesensäußerungen der Katholischen Kirche. Der oben genannte Rechtsträger ist dem Deutschen C.verband angeschlossen. Seine Einrichtung dient der Verwirklichung des gemeinsamen Werkes christlicher Nächstenliebe. Alle Mitarbeiter dieser Einrichtung leisten deshalb ihren Dienst in Anerkennung dieser Zielsetzung und bilden ohne Rücksicht auf ihre Tätigkeit und Stellung eine Dienstgemeinschaft.

Auf dieser Grundlage wird folgender Vertrag geschlossen:

§ 1

Frau

N-S. D.

ist ab

1.9.1980.

als

Raumpflegerin

eingestellt.

Der Mitarbeiter gehört zur Dienstgemeinschaft der oben genannten Einrichtung. Er verspricht, die ihm übertragenen Aufgaben in Beachtung der Anordnungen des Dienstgebers treu und gewissenhaft zu erfüllen.

§ 2

Für das Dienstverhältnis gelten die „Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen C.verbandes” (AVR) in Verbindung mit den „Sonderregelungen Berlin zu den Arbeitsvertragsrichtlinien des Deutschen C.verbandes” (Sr. AVR Berlin) in der zur Zeit des Vertragsabschlusses im Bistum Berlin gültigen Fassung.”

Neben der zuletzt als Kinder- und Jugendhaus St. J. bezeichneten Einrichtung unterhielt der Beklagte noch diverse andere Einrichtungen innerhalb und außerhalb Berlins.

Nach Anhörung der Mitarbeitervertretung des Kinder- und Jugendhauses St. J. sprach der Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 28. Dezember 2005 die ordentliche Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses zum 30. Juni 2006 wegen – inzwischen vollzogener – Schließung dieser Einrichtung aus.

Das Arbeitsgericht hat festgestellt, dass das Dienstverhältnis zwischen den Parteien durch diese Kündigung nicht aufgelöst worden sei, und den Beklagten zugleich zur vorläufigen Weiterbeschäftigung der Klägerin verurteilt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dem Vortrag des Beklagten habe sich keine ordnungsgemäße Sozialauswahl entnehmen lassen. Diese habe sich nicht auf die geschlossene Einrichtung beschränkt, weil die Klägerin kraft Direktionsrechts auf einen anderen Arbeitsplatz hätte versetzt werden können und diese Einrichtung zumindest mit der Verwaltungszentrale des Beklagten einen Betrieb gebildet habe. Ein überwiegendes Interesse an einer Nichtbeschäftigung der Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses habe der Beklagte nicht vorgebracht.

Gegen dieses ihm am 10. Oktober 2006 zugestellte Urteil richtet sich die am 12. Oktober 2006 eingelegte und am 11. Dezember 2006, einem Montag, begründete Berufung des Beklagten. Er verweist darauf, dass das Vertragsformular für den Dienstvertrag mit der Klägerin bewusst von den Musterarbeitsverträgen für den öffentlichen Dienst abweiche. Danach schließe der Dienstgeber den Vertrag als Rechtsträger einer bestimmten Einrichtung. Nur diese sei auch in dem Stempel über der Unterschrift aufseiten seiner Rechtsvorgängerin genannt worden. Dem entspreche auch der übrige Text des Dienstvertrages. Das Kinder- und Jugendhaus St. J. habe auch keinen Betrieb mit anderen Einrichtungen gebildet. Dass es unter einer einheitlichen Leistung mit der Verwaltungszentrale gestanden habe, sei nicht einmal von der Klägerin behauptet worden. Mangels einer anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit habe er ein überwiegendes Interesse daran, die Klägerin ...

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