Entscheidungsstichwort (Thema)

Abschließende Stellungnahme der BR-Vorsitzenden vor Ablauf der Wochenfrist

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Arbeitgeber kann vor Ablauf der Wochenfrist des § 102 Abs. 2 BetrVG die Kündigung aussprechen, wenn der Betriebsrat durch seine vertretungsberechtigten Organe eine „abschließende Stellungnahme” zur beabsichtigten Kündigung abgegeben hat.

2. Von einer „abschließenden Stellungnahme” des Betriebsrats kann (nur) ausgegangen werden, wenn seine nach §§ 133,157 BGB unter Berücksichtigung der Betriebsüblichkeiten auszulegende Erklärung beinhaltet, dass er „mit dieser Erklärung” das Verfahren – endgültig – abschließen will.

3. Erklärungen, in denen der Betriebsrat in unterschiedlicher Weise auf den „Fristablauf” hinweist, sind daher nicht ohne weiteres als derartige „abschließende Erklärungen” anzusehen.

 

Normenkette

BetrVG § 102

 

Verfahrensgang

ArbG Potsdam (Urteil vom 20.05.2009; Aktenzeichen 6 Ca 327/09)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Potsdam vom 20.05.2009 – 6 Ca 327/09 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen, wobei klarstellend auf die Erledigung des Tenors zu Ziffer 2 hingewiesen wird.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz (nur noch) über die Rechtswirksamkeit einer seitens der Beklagten, einem Unternehmen der Backindustrie, am 27.01.2009 ausgesprochenen Kündigung, die das Arbeitsverhältnis der seit dem 02.01.2009 als Bezirksleiterin tätigen Klägerin beenden sollte. Die Beklagte hatte zu dieser Kündigung den bei ihr gebildeten Betriebsrat am 20.01.2009 unter Hinweis auf eine „Kündigung während der Probezeit” angehört. Der Betriebsrat hatte in der Sitzung vom 21.01.2009 hierüber beraten; am Folgetage, dem 22.01.2009 kam es zu einer Besprechung zwischen dem Personalleiter, dem Verkaufsleiter und der Betriebsratsvorsitzenden über die Situation der Verkaufsstelle, wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob die Betriebsratsvorsitzende bei dieser Gelegenheit eine abschließende Erklärung zu der beabsichtigten Kündigung der Klägerin ausgesprochen hat. Das Kündigungsschreiben selbst ist der Klägerin am 27.01.2009 gegen 16:00 Uhr übergeben worden.

Die Klägerin hat erstinstanzlich gerügt, dass die Beklagte die Kündigung vor Ablauf der dem Betriebsrat zustehenden Wochenfrist gemäß § 102 Abs. 2 BetrVG zur Stellungnahme zur Kündigung ausgesprochen habe; demgegenüber hat die Beklagte eine vorzeitige Stellungnahme des Betriebsrats zur Kündigungsabsicht behauptet, aus der sie den aus ihrer Sicht zutreffenden Schluss gezogen habe, es liege eine „abschließende” Stellungnahme des Betriebsrates vor.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen, § 69 Abs. 2 ArbGG.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 20.05.2009 die Kündigung als gemäß § 102 Abs. 1 BetrVG unwirksam bezeichnet. Denn sie sei vor Ablauf der Wochenfrist des § 102 Abs. 2 BetrVG ausgesprochen worden. Die Wochenfrist sei nach §§ 187 ff. BGB zu berechnen und habe bei einer Anhörung des Betriebsrates am 20.01.2009 mit Ablauf des 27.01.2009, also um 24:00 Uhr, ihr Ende gefunden.

Die Kündigung sei der Klägerin jedoch an diesem Tage bereits um 16:00 Uhr zugegangen. Selbst wenn man die Behauptungen der Beklagten über eine mündliche Äußerung der Betriebsratsvorsitzenden am 22.01.2009 als richtig unterstelle, ergebe sich daraus keine ausdrückliche Zustimmung des Betriebsrates zur beabsichtigten Kündigung. Es sei auch nicht eindeutig zu erkennen gewesen, dass in diesen Erklärungen eine abschließende Äußerung liege. Zu berücksichtigen sei, dass der Arbeitgeber die Erklärung der Betriebsratsvorsitzenden auch offensichtlich selbst nicht als abschließend verstanden habe, denn ansonsten hätte er nicht bis zum 27.01.2009 mit dem Ausspruch der Kündigung gewartet. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe (Bl. 80 ff. d.A.) Bezug genommen.

Gegen dieses am 26.05.2009 zugestellte Urteil richtet sich die beim Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg am 15.06.2009 eingegangene Berufung der Beklagten, die sie zugleich begründet hat.

Die Beklagte und Berufungsklägerin trägt in der Berufungsinstanz zur Ergänzung ihres Sachvortrages vor, dass der Betriebsrat stets mittwochs tage und dass eine abschließende Stellungnahme üblicherweise schriftlich auf einem Formular erfolge. Falls es jedoch zu einer Beratung mit dem Arbeitgeber komme, sei auch eine mündliche Erklärung möglich. Am 21.01.2009 habe eine Betriebsratssitzung mit einer Beschlussfassung dahin stattgefunden, dass der beabsichtigten Kündigung nicht widersprochen werde. Dies habe die Betriebsratsvorsitzende in der Besprechung mit dem Arbeitgeber am Folgetag auch eindeutig zum Ausdruck gebracht, indem sie deutlich gemacht habe, dass der Betriebsrat abschließend beraten habe und dass der Betriebsrat nicht widersprechen werde (Zeugnis St. N.). Dadurch sei abschließend klar gewesen, dass der Kündigung nicht widerspr...

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