Entscheidungsstichwort (Thema)

Ehrenamtsprinzip und Begünstigungsverbot als Prüfungsmaßstab bei der Streichung von Stunden im Lebensarbeitszeitkonto oder Langzeitkonto. Tätigkeiten zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung von Aufgaben des Betriebsratsmitgliedes

 

Leitsatz (amtlich)

1. Nach § 42 Abs. 2 Satz 4 PersVG Berlin ist Personalratstätigkeit außerhalb der persönlichen Arbeitszeit - soweit es nicht um die Teilnahme an Sitzungen des Personalrats geht - so zu behandeln wie die einschlägigen tariflichen Vorschriften Arbeitszeit außerhalb der persönlichen Arbeitszeit behandeln. Dies gilt auch, wenn die Durchführung der Personalratstätigkeit außerhalb der Arbeitszeit auf Gründen im Bereich der Organisation des Personalrats beruht.

2. Zu den tariflichen Vorschriften in diesem Sinne gehören auch tarifliche Vorschriften iVm. mit tariflich zugelassenen Dienstvereinbarungen.

3. Auch vollständig freigestellte Personalratsmitglieder können Personalratstätigkeit außerhalb ihrer persönlichen Arbeitszeit erbringen.

4. Sieht eine nach den tariflichen Vorschriften zugelassene Dienstvereinbarung die Möglichkeit vor, die regelmäßige tarifliche Sollarbeitszeit zeitweise zu erhöhen und die entsprechenden Stunden auf einem Arbeitszeitkonto anzusparen, verstößt eine solche Vereinbarung mit freigestellten Personalratsmitgliedern aus Anlass einer erhöhten Inanspruchnahme durch Personalratstätigkeit nicht gegen das Begünstigungsverbot des § 107 Satz 1 BPersVG.

 

Normenkette

BPersVG § 42 Abs. 1; PersVG BE § 42 Abs. 2 S. 4, § 107 S. 1; BPersVG § 107 S. 1; BGB § 134

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Entscheidung vom 03.07.2018; Aktenzeichen 58 Ca 10855/17)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 26.05.2021; Aktenzeichen 7 AZR 248/20)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 3. Juli 2018 - 58 Ca 10855/17 - abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, dem Lebensarbeitszeitkonto des Klägers 780,27 Stunden und dem Langzeitkonto des Klägers 182,00 Stunden gutzuschreiben.

II. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Streichung von Stunden auf den Arbeitszeitkonten des Klägers.

Der Kläger, der Mitglied der Vereinigten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) ist, ist bei der Beklagten seit dem 1. Februar 1989 im Bereich Abfallwirtschaft in Vollzeit mit aktuell 39 Stunden wöchentlich gegen eine monatliche Bruttovergütung von aktuell 5.300,00 Euro beschäftigt.

Die Beklagte gliedert sich in drei Dienststellen bzw. Betriebe, die Betriebe Abfallwirtschaft, Reinigung und Hauptverwaltung. Für jeden der Betriebe besteht seit jeher ein Personalrat. Der Personalrat Abfallwirtschaft hat derzeit 13 Mitglieder, der Personalrat Reinigung 15 Mitglieder und der Personalrat Hauptverwaltung 13 Mitglieder. Außerdem existiert ein Gesamtpersonalrat mit derzeit 21 Mitgliedern. Der Kläger war seit 1996 stellvertretender Vorsitzender des Personalrats Abfallwirtschaft und seit 1997 freigestellt. Seit 2000 war er außerdem Mitglied des Gesamtpersonalrats und seit 2005 dessen stellvertretender Vorsitzender.

Die Beklagte ist an den seit dem 1. Oktober 2005 geltenden Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TVöD-VKA) vom 7. Februar 2006 in der für den Dienstleistungsbereich Entsorgung geltenden durchgeschriebenen Fassung (TVöD-E) sowie an den seit dem 1. Oktober 2006 geltenden Zusatztarifvertrag Berliner Stadtreinigungsbetriebe (BSR) zum Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD-VKA) und zum Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-VKA) vom 13. September 2006 (ZTV BSR) gebunden. Zur Arbeitszeit enthalten die Tarifverträge in den hier maßgeblichen Fassungen auszugsweise folgende Regelungen:

- TVöD-E

"§ 6

Regelmäßige Arbeitszeit

(1) 1Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt ausschließlich der Pausen für

a) [nicht besetzt],

b) im Tarifgebiet West durchschnittlich 39 Stunden wöchentlich, im Tarifgebiet Ost durchschnittlich 40 Stunden wöchentlich.

...

(2) 1Für die Berechnung des Durchschnitts der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ist ein Zeitraum von bis zu einem Jahr zugrunde zu legen. ...

...

(6) 1Durch Betriebs-/Dienstvereinbarung kann ein wöchentlicher Arbeitszeitkorridor von bis zu 45 Stunden eingerichtet werden. 2Die innerhalb eines Arbeitszeitkorridors geleisteten zusätzlichen Arbeitsstunden werden im Rahmen des nach Absatz 2 Satz 1 festgelegten Zeitraums ausgeglichen.

§ 10

Arbeitszeitkonto

(1) 1Durch Betriebs-/Dienstvereinbarung kann ein Arbeitszeitkonto eingerichtet werden. ...3Soweit ein Arbeitszeitkorridor (§ 6 Abs. 6) oder eine Rahmenzeit (§ 6 Abs. 7) vereinbart wird, ist ein Arbeitszeitkonto einzurichten.

...

(3) 1Auf das Arbeitszeitkonto können Zeiten, die bei Anwendung des nach § 6 Abs. 2 festgelegten Zeitraums als Zeitguthaben oder als Zeitschuld bestehen bleiben, nicht durch Freizeit ausgeglichene Zeiten nach § 8 Abs. 1 S...

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