Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulässigkeit der Stützung des geltend gemachten Anspruchs auf Zahlung von Sozialkassenbeiträgen auf das SokaSiG erstmals im Berufungsverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wird eine Klage auf Zahlung von Sozialkassenbeiträgen nach dem Inkrafttreten des Sozialkassensicherungsgesetzes (SokaSiG) nunmehr auf das SokaSiG gestützt, handelt es sich nicht um einen neuen Streitgegenstand.

2. Beitragskorrekturmeldungen kommt nur dann eine rechtliche Bedeutung zu, wenn das beitragspflichtige Bauunternehmen plausibel dargelegt, inwieweit die ursprünglichen Beitragsmeldungen fehlerhaft waren.

 

Normenkette

SoKaSiG § 7 Abs. 2; SokaSiG § 11; VTV 2015

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Entscheidung vom 12.07.2016; Aktenzeichen 15 Ca 80059/16)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 12. Juli 2016 - 15 Ca 80059/16 und WK 81228/16 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger ist die Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft und als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien nach näherer tariflicher Maßgabe die Einzugsstelle für die Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes.

Die Parteien streiten im Berufungsverfahren noch über die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Sozialkassenbeiträgen für die Monate Januar, April und Mai 2015 in Höhe von insgesamt 10.380,39 Euro.

Mit Bekanntmachung vom 6. Juli 2015 erklärte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales den für das Jahr 2015 maßgeblichen Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) vom 3. Mai 2013 in der Fassung der Änderungstarifverträge vom 3. Dezember 2013 und vom 10. Dezember 2014 mit Wirkung ab dem 1. Januar 2015 für allgemeinverbindlich (BAnz. AT vom 14.07.2015 B4). Mit Beschluss vom 21. Juli 2016 hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg - 14 BVL 5507/15 u. a. - (juris) festgestellt, dass die Allgemeinverbindlicherklärung wirksam ist. Die gegen diesen Beschluss eingelegte Rechtsbeschwerde ist beim Bundesarbeitsgericht unter dem Aktenzeichen 10 ABR 62/16 anhängig.

Mit mehreren Beschlüssen vom 21. September 2016 - 10 ABR 33/15 und 10 ABR 48/15 - und 25. Januar 2017 - 10 ABR 43/15 und 10 ABR 34/15 - hat das Bundesarbeitsgericht die Allgemeinverbindlicherklärungen des VTV für die Jahre 2008 bis 2014 für unwirksam erklärt. Daraufhin wurde ein Gesetzgebungsverfahren zur Stützung des Sozialkassenverfahrens im Baugewerbe initiiert. Am 13. Dezember 2016 brachten die Fraktionen der CDU/CSU und der SPD einen entsprechenden Gesetzentwurf (BT-Drucks. 18/10631) in den Deutschen Bundestag ein. Am 26. Januar 2017 verabschiedete der Deutsche Bundestag das Gesetz zur Sicherung der Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (Sozialkassensicherungsgesetz - SokaSiG). Nach Behandlung im Bundesrat am 10. Februar 2017 wurde das Gesetz am 24. Mai 2017 im Bundesgesetzblatt verkündet (BGBl. I Nr. 29, S. 1210 ff.) und ist nach § 14 SokaSiG am 25. Mai 2017 ohne eine Übergangsvorschrift in Kraft getreten. Das Gesetz sieht u. a. vor, dass der VTV in seinem Geltungsbereich für alle Arbeitgeber und Arbeitnehmer in seiner jeweiligen Fassung rückwirkend bis zum Jahr 2006 unabhängig von einer wirksamen Allgemeinverbindlicherklärung (§ 7 Abs. 1 bis 10) und seiner sonstigen Wirksamkeit (§ 11) gilt. Es erfasst auch den VTV vom 3. Mai 2013 in der Fassung der Änderungstarifverträge vom 3. Dezember 2013 und vom 10. Dezember 2014.

Die 2014 gegründete Beklagte ist im Ostteil Berlins ansässig und unterhielt einen Baubetrieb insbesondere für Stahlbetonarbeiten. Am 19. September 2014 meldete sie sich bei dem Kläger elektronisch zum Sozialkassenverfahren an. Das Beitragskonto der Beklagten wird unter der Nr. 027 212 04 geführt. Seit dem 15. Januar 2015 beschäftigte sie Arbeitnehmer. Für die Monate Januar bis einschließlich September 2014 gab die Beklagte bei dem Kläger zunächst selbst und später über ihren Steuerberater monatliche Beitragsmeldungen sowie am 17. Juli 2015 eine Nachmeldung für den Monat April 2015 ab. Wegen der Einzelheiten wird auf die vom Kläger eingereichte Jahresübersicht der gemeldeten Bruttolöhne vom 16. Februar 2016 (Bl. 143 d. A.) und wegen der Höhe der sich daraus für die Monate Januar bis Mai 2015 ergebenden Sozialkassenbeiträge auf die Aufstellungen der Beklagten auf Seite 1 ihres Schriftsatzes vom 2. März 2016 (Bl. 129 d. A.) und auf Seite 2 ihres Schriftsatzes vom 31. Mai 2016 (Bl. 215 d. A.) verwiesen.

Mit Werkvertrag vom 18. Februar 2015 wurde die Beklagte von der Generalunternehmerin, der C. Baugesellschaft mbH (im Folgenden: Firma C.), mit der Fortführung von Bauleistungen für das Bauvorhaben Bleibtreustraße/Ecke Mommsenstraße in Berlin als Subunternehmerin beauftragt, nachdem die Firma C. den mit der zuvor als Subunternehmerin beauftragten Z. Bau GmbH geschlossen Werkvertrag gekündigt hatte. Am 24. August 2015 kündigte die Firma C. den Werkvertrag mit der Beklagten fristlos. Außerdem war die Beklagte für die Firma C. bis zum 30. Mai 2015 auf...

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