Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Anspruch auf Ersatz von Rechtsanwaltskosten im erstinstanzlichen arbeitsgerichtlichen Verfahren. Kein Anspruch auf Ersatz von Gerichtskosten nach ArbGG. Ausschluss materieller Kostenerstattungsansprüche nach § 12a ArbGG. Geltung des § 12a ArbGG auch bei Klagen nach AGG. Keine Anwendbarkeit des § 15 AGG bei Kosten des erstinstanzlichen arbeitsgerichtlichen Verfahrens. Entschädigung nach AGG wegen Nichteinladung zum Vorstellungsgespräch

 

Leitsatz (amtlich)

I. Wer die Kosten der Rechtsverfolgung zu tragen hat, regelt sich im arbeitsgerichtlichen Verfahren allein nach § 12a ArbGG und §§ 91 ff. ZPO.

II. § 15 Abs. 1 AGG gewährt keinen Anspruch auf Ersatz gerichtlicher Rechtsverfolgungskosten entgegen den Regelungen des § 12a ArbGG und der §§ 91 ff. ZPO.

III. 12a ArbGG schließt nicht nur den prozessualen Kostenerstattungsanspruch, sondern auch einen materiellrechtlichen Kostenerstattungsanspruch, der als Schadensersatzanspruch entstanden ist, und damit auch vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten aus.

IV. § 12a ArbGG gilt uneingeschränkt auch für Klagen nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz.

 

Normenkette

ArbGG §§ 15, 12a; ZPO §§ 691 ff.; AGG § 15 Abs. 2; ZPO § 97 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Entscheidung vom 17.11.2021; Aktenzeichen 56 Ca 12978/20)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 17. November 2021 - 56 Ca 12978/20 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert:

Das beklagte Land wird verurteilt, an die Klägerin 7.236,90 EUR (siebentausendzweihundertsechsunddreißig 90/100) nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23. Oktober 2020 zu zahlen.

II. Von den Kosten des Rechtsstreits haben bei einem Gerichtskostenstreitwert von 22.487,00 EUR die Klägerin 68 Prozent und das beklagte Land 32 Prozent zu tragen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Schadensersatz bzw. Entschädigung in Anspruch.

Die Klägerin ist selbstständige Parlamentsstenografin und selbstständige Rechtsanwältin. Sie arbeitete von 1996 bis 2003 im Landtag Schleswig-Holstein als angestellte Parlamentsstenografin und Ausschussgeschäftsführerin. Seit 2003 ist sie als freiberufliche Parlamentsstenografin im Wesentlichen in Landesparlamenten tätig. Von 2001 bis 2009 arbeitete sie als Gaststenografin für die Beklagte. Unter dem 02.01./10.01.2019 schloss die Klägerin mit der Beklagten einen Rahmenvertrag über die Protokollierung in Ausschuss- und Gremiensitzungen in der 19. Wahlperiode. Im Rahmen dieses Rahmenvertrages wurde die Klägerin bis zum Zeitpunkt des vorliegenden Verfahrens nicht herangezogen.

Die Beklagte schrieb für das Referat PD 3 - Stenografischer Dienst - (PD 3) in der Verwaltung des Deutschen B. mit Bewerbungsschluss 28. Februar 2020 Stellen als Stenografen (w/m/d), Besoldungsgruppe A 13 BBesO/14 bzw. Entgeltgruppe 13/14 TVöD aus. In der Stellenausschreibung heißt es unter der Überschrift Anforderungsprofil auszugsweise wörtlich:

"Qualifikationserfordernisse

• Bewerberinnen und Bewerber müssen zwingend

o ein abgeschlossenes wissenschaftliches Hochschulstudium (Diplom, Master oder vergleichbarer Abschluss) und

o die Fertigkeit in der Deutschen Einheitskurzschrift von mindestens 200 Silben/Minute sowie

o mehrjährige berufspraktische Erfahrungen in der stenografischen Sitzungsprotokollierung

nachweisen.

• Es werden Bewerberinnen und Bewerber bevorzugt berücksichtigt, die

o die mehrjährigen berufspraktischen Erfahrungen in der stenografischen Sitzungsprotokollierung in der stenografischen Protokollierung von Parlamentssitzungen

nachweisen."

Weiter heißt es:

"Die genannten Qualifikationserfordernisse müssen zum Bewerbungsschluss vorliegen und nachgewiesen sein. Unvollständige und nicht aussagefähige Bewerbungsunterlagen können nicht berücksichtigt werden."

Wegen des weiteren Inhalts der Stellenausschreibung im Einzelnen wird auf die Blatt 171 - 173 d. A. verwiesen.

Die Klägerin, die mit einem Grad der Behinderung von 60 schwerbehindert ist, bewarb sich mit Schreiben vom 24. Februar 2020 bei dem beklagten Land. Als Nachweis für die zwingenden stenografischen Fertigkeiten von 200 Silben pro Minute legte sie ihre Urkunde über eine stenografische Schreibleistung von 350 Silben pro Minute bei den Deutschen Meisterschaften vor und verwies auf Kenntnisse in englischer Kurzschrift von 80 Silben pro Minute, die sie während ihrer Ausbildung zur Fremdsprachensekretärin erworben hatte. Hinsichtlich ihrer zwingenden mehrjährigen berufspraktischen Erfahrungen in der stenografischen Sitzungsprotokollierung führte sie an ihre Tätigkeit im Selbstverwaltungsbüro einer gesetzlichen Krankenkasse, ihre Tätigkeit als Parlamentsstenografin und Ausschussgeschäftsführerin im Schleswig-Holsteinischen Landtag von 1996 bis 2003, für den sie neben Plenarsitzungen auch Untersuchungsausschüsse, ständige Ausschusssitzungen, Enquetekommissionen, Anhörungen stenografisch aufgenommen und sprachlich in Form ...

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