Entscheidungsstichwort (Thema)

Urlaubsabgeltung. arbeitsvertragliche Ausschlussfrist. Verfall des Urlaubsabgeltungsanspruchs aufgrund arbeitsvertraglicher Ausschlussfrist

 

Leitsatz (amtlich)

Auch ein Anspruch auf Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs kann einer einzelvertraglichen Ausschlussfrist unterstellt werden.

 

Normenkette

BUrlG § 7 Abs. 4, § 13 Abs. 1 S. 3; BGB §§ 157, 305 Abs. 1 S. 1, § 307 Abs. 1 Sätze 1-2, § 611 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Entscheidung vom 30.08.2012; Aktenzeichen 1 Ca 18189/11)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 16.12.2014; Aktenzeichen 9 AZR 295/13)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 30.08.2012 - 1 Ca 18189/11 - im Kostenausspruch und insoweit geändert, wie der Beklagte zur Zahlung von mehr als 2.187,33 € brutto abzüglich 1.333,82 € netto sowie weiterer 1.644,68 € brutto nebst Zinsen verurteilt worden ist, und die Klage auch insoweit abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben bei einem Streitwert von 9.506,93 € der Kläger zu 73,72 % und der Beklagte zu 26,28 % zu tragen, während die Kosten der Berufungsinstanz dem Kläger bei einem Streitwert von 2.152,69 € brutto auferlegt werden.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten, soweit in der Berufungsinstanz noch von Interesse, über die Abgeltung von 29 Urlaubstagen aus 2010.

Der Kläger stand vom 12.04. bis 31.05.2010 zunächst als Teilzeitkraft in den Diensten des Beklagten. Für die Zeit vom 01.06.2010 bis 31.05.2011 wurde er durch Vertrag vom 31.05.2010 (Ablichtung Bl. 9 bis 15 GA) vollzeitig in der Sechs-Tage-Woche gegen ein Monatsgehalt von 1.930 € brutto weiterbeschäftigt. Aufgrund eines inzwischen rechtskräftigen Urteils des Arbeitsgerichts Berlin vom 26.04.2011 steht fest, dass das Arbeitsverhältnis nicht vorzeitig durch eine Kündigung des Beklagten vom 08. zum 22.11.2010 aufgelöst wurde.

In der Zeit vom 15.11.2010 bis 10.04.2011 war der Kläger arbeitsunfähig krankgeschrieben. Mit Schreiben seines späteren Prozessbevollmächtigten vom 14.10.2011 (Ablichtung Bl. 42 bis 43 GA) machte er u.a. Abgeltung seines Urlaubs für 2010 geltend.

Das Arbeitsgericht Berlin hat den Beklagten u.a. verurteilt, an den Kläger Abgeltung für 29 Urlaubstage aus 2010 in Höhe von 2.152,69 € brutto nebst Verzugszinsen zu zahlen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, von den arbeitsvertraglich vereinbarten 30 Werktagen Urlaub sei dem Kläger unstreitig lediglich ein Tag gewährt worden. Für weitere elf Urlaubstage sei der Beklagte beweisfällig geblieben. Die bloße Eintragung in einem im Kammertermin vorgelegten Urlaubsplan lasse keinen Rückschluss darauf zu, dass dies auch umgesetzt worden sei. Da die Arbeitsunfähigkeit des Klägers über den 31.03.2011 hinaus angedauert habe, sei der Urlaub in europarechtskonformer Auslegung des § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG über diesen Zeitpunkt hinaus übertragen worden. Ein Zurückbehaltungsrecht habe dem Beklagten nicht zugestanden, weil dieser nicht behauptet habe, vom Kläger die Vorlage einer Urlaubsbescheinigung jemals verlangt zu haben.

Gegen dieses ihm am 10.09.2012 zugestellte Urteil richtet sich die am 04.10.2012 eingelegte und am 07.11.2012 begründete Berufung des Beklagten. Er meint, aufgrund der im Arbeitsvertrag getroffenen Regelung, dass der Urlaub bei Eintritt oder Ausscheiden während eines Kalenderjahrs anteilig gewährt werde, hätten dem Kläger für 2010 allenfalls 28 Urlaubstage zugestanden. Bei der Berechnung müsse außerdem berücksichtigt werden, dass der Kläger zunächst nur in Teilzeit gearbeitet habe. Der Beklagte benennt zwei Zeugen dafür, dass der Kläger mindestens eine Woche Urlaub genommen habe, und bezieht sich auf entsprechende schriftliche Bestätigungen vom 24.09.2012 (Ablichtung Bl. 114 und 115 GA). Der verbliebene Abgeltungsanspruch sei mit Ende des Arbeitsverhältnisses am 31.05.2011 fällig geworden und sei aufgrund der arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist von drei Monaten erloschen. Schließlich sei die Klage schon deshalb abzuweisen, weil der Kläger noch immer keine Urlaubsbescheinigung seines Vorarbeitgebers vorgelegt habe.

Der Beklagte beantragt,

die Klage unter teilweiser Änderung des angefochtenen Urteils auch insoweit abzuweisen, wie er zur Zahlung eines Betrags über 2.187,33 € brutto abzüglich 1.333,82 € netto sowie weiterer 1.644,68 € brutto nebst Zinsen hinaus verurteilt worden sei.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er meint, die arbeitsvertragliche Ausschlussfrist nicht versäumt zu haben, weil erst mit Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten im Vorprozess durch Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 19.04.2012 festgestanden habe, dass sein Arbeitsverhältnis erst am 31.05.2011 und nicht schon durch die Kündigung des Beklagten am 22.11.2010 geendet habe. Eine Urlaubsbescheinigung könne er nicht vorlegen, weil ihm im vorhergehenden Arbeitsverhältnis für 2010 kein Urlaub gewährt oder abgegolten worden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf...

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