Entscheidungsstichwort (Thema)

Gerichtlicher Vergleichsvorschlag unter Fristsetzung. Annahme eines gerichtlicher Vergleichsvorschlags innerhalb eingeräumter Nachfrist

 

Leitsatz (amtlich)

Hat das Gericht den Parteien eine Frist zur Mitteilung ihres Einverständnisses mit einem Vergleichsvorschlag gesetzt, so schließt dies nicht aus, dass eine Partei erst innerhalb einer ihr eingeräumten Nachfrist ihr Einverständnis erklärt, wenn die andere Partei ihre innerhalb der ursprünglichen Frist erklärte Annahme nicht ihrerseits mit einer Annahmefrist nach § 148 BGB verbunden hat.

 

Normenkette

BGB §§ 148, 151 S. 1, § 779; ZPO § 278 Abs. 6 S. 1 Alt. 2

 

Tenor

1. Der Rechtsstreit ist durch Prozessvergleich gemäß Feststellungsbeschluss vom 27.04.2012 abgeschlossen.

2. Der Kläger hat die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger stand seit dem 01.04.2000 in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin.

Das Arbeitsgericht Berlin hat festgestellt, dass dieses Arbeitsverhältnis durch eine Änderungskündigung der Beklagten vom 21.12.2010 nicht zum 30.04.2011 aufgelöst worden sei. Zugleich hat es die Beklagte verurteilt, den Kläger vorläufig weiterzubeschäftigen und zwei Abmahnungen vom 12.02. und 12.03.2010 aus seiner Personalakte zu entfernen.

Auf die Berufung der Beklagten ist den Parteien im Verhandlungstermin vom 30.03.2012 Gelegenheit gegeben worden, bis zum 20.04.2012 mitzuteilen, ob der Rechtsstreit durch einen Vergleich folgenden Inhalts beigelegt werden kann:

1. Das Arbeitsverhältnis des Klägers besteht über den 30.04.2011 hinaus fort.

2. Der Kläger wird ab dem 01.04.2012 mit einer Tätigkeit in Berlin nach Vergütungsgruppe TG 4 und einer entsprechenden Vergütung weiterbeschäftigt.

3. Der Kläger erhält für die Zeit vom 01.05 bis zum 31.10.2011 die Vergütung nach TG 5 nachgezahlt, unter Anrechnung anderweit für diese Zeit bezogener Leistungen. Für die Zeit ab 01.11.2011 bis 31.03.2012 hat der Kläger keinen Anspruch auf Vergütung.

4. Urlaubsansprüche sind in Natur erfüllt.

5. Die Abmahnung vom 12.02.2010 wird am 30.09.2013 aus der Personalakte des Klägers entfernt, sofern nicht eine neue berechtigte Abmahnung zu seiner Personalakte kommt. Die Abmahnung vom 12.03.2010 wird sofort aus der Personalakte entfernt.

6. Hinsichtlich der Kosten des Rechtsstreits erster Instanz bleibt es bei der Entscheidung im angefochtenen Urteil, während die Kosten der Berufungsinstanz gegeneinander aufgehoben werden.

Zugleich hat die Kammer einen Verkündungstermin auf den 04.05.2012 anberaumt.

Mit am selben Tag per Telefax übermitteltem Schriftsatz vom 19.04.2012 hat der Kläger mitgeteilt, den gerichtlichen Vergleichsvorschlag anzunehmen, nachdem er zuvor noch mit Schriftsatz vom 05.04.2012 Mitteilung davon gemacht hatte, der Beklagten noch diverse Änderungsvorschläge unterbreitet zu haben.

Daraufhin hat der Vorsitzende der Kammer der Beklagten in einem Telefonat vom 24.04.2012 Gelegenheit gegeben, bis zum 27.04.2012 mitzuteilen, ob der gerichtliche Vergleichsvorschlag noch angenommen werde, was die Beklagte sodann an diesem Tag getan hat und dem Kläger zur Kenntnis gegeben worden ist.

Durch Beschluss vom 27.04.2012 hat der Vorsitzende den Abschluss eines Vergleichs mit dem vorgeschlagenen Inhalt festgestellt, dessen Regelungen von den Parteien auch zunächst vollzogen wurden. Uneinigkeit bestand lediglich hinsichtlich der Höhe der zu zahlenden Vergütung, die von der Beklagten an den niedrigsten Stufe der im Vergleich vereinbarten Tarifgruppe festgemacht wurde.

Mit Schriftsatz vom 03.01.2013 hat der Kläger die Wirksamkeit des Feststellungsbeschlusses infrage gestellt. Abgesehen davon, dass sein damaliger Prozessbevollmächtigter die Annahme des Vergleichsvorschlages weisungswidrig erklärt haben soll, ist der Kläger der Ansicht, ein Vergleich sei deshalb nicht zustande gekommen, weil die Beklagte die Annahme erst nach Ablauf der ursprünglich gesetzten Frist erklärt habe, ohne zuvor eine Fristverlängerung beantragt zu haben.

Der Kläger beantragt,

1. einen Termin zur Fortsetzung des Rechtsstreits anzuberaumen und festzustellen, dass ein Vergleich nicht wirksam zustande gekommen und der Beschluss des Gerichts vom 27.04.2012 nicht wirksam sei,

2. die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

festzustellen, dass der Rechtsstreit durch den Prozessvergleich vom 27.04.2012 beendet worden sei,

hilfsweise,

die Klage unter Änderung des angefochtenen Urteils abzuweisen.

Sie hält den Feststellungsantrag des Klägers bereits für unzulässig. Jedenfalls sei der Vergleich wirksam zustande gekommen. Die zivilrechtlichen Vorschriften über die Annahme von Angeboten seien auf einen gerichtlichen Vorschlag weder unmittelbar noch analog anwendbar. Dass er sich an seine Annahme nur bis zu einem bestimmten Zeitpunkt gebunden fühle, habe der Kläger nicht erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und die in der Berufungsinstanz gewechsel...

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