Entscheidungsstichwort (Thema)

Befristung. wissenschaftlicher Referent einer Parlamentsfraktion

 

Leitsatz (amtlich)

Das Arbeitsverhältnis eines wissenschaftlichen Referenten einer Parlamentsfraktion kann nicht wirksam auf die Halbzeit einer Wahlperiode befristet werden. Dies gilt auch dann, wenn zu diesem Zeitpunkt regelmäßig Neuwahlen zum Fraktionsvorstand stattfinden.

 

Normenkette

TzBfG § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 4

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 03.03.2010; Aktenzeichen 37 Ca 8451/09)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 03.03.2010 – 37 Ca 8451/09 – wird zurückgewiesen.

II. Auf die Anschlussberufung des Klägers wird die Beklagte verurteilt,

  1. an den Kläger weitere 6.800,00 EUR brutto abzüglich netto erlangtem Arbeitslosengeld von 3.264,00 EUR nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über den jeweiligen Basiszinssatz auf je 3.400,00 EUR brutto abzüglich je 1.132,00 EUR Arbeitslosengeld seit dem 16.03.2010 und 16.04.2010 zu zahlen,
  2. an den Kläger weitere 13.600,00 EUR brutto nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über den jeweiligen Basiszinssatz auf je 3.400,00 EUR brutto seit dem 16.05.2010, 16.06.2010, 16.07.2010 und 16.08.2010 zu zahlen.

III. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis aufgrund wirksamer Befristung sein Ende gefunden hatte und ob die Beklagte für die Zeit danach Vergütung zu zahlen hat.

Der am … 1974 geborene Kläger war aufgrund des Arbeitsvertrages vom 19. Dezember 2006 (Bl. 3 ff. d. A.) für die Zeit vom 1. Januar 2007 bis 30. April 2009 als wissenschaftlicher Referent der Beklagten eingestellt worden. Die Beklagte ist eine Fraktion des Berliner Abgeordnetenhauses.

Am 11. September 2008 wurde der bisherige Fraktionsvorsitzende der Beklagten abgewählt. Die Wahl eines anderen Fraktionsvorsitzenden fand am 13. Januar 2009 statt. Im Fraktionsgesetz des Berliner Abgeordnetenhauses und in der Satzung der Beklagten ist nicht vorgesehen, dass Wahlen des Fraktionsvorstandes zur Halbzeit der Wahlperiode stattfinden.

Mit entsprechenden Klageerweiterungen hat der Kläger die Zahlung der Vergütung für die Zeiträume Mai 2009 bis Februar 2010 unter Abzug des erhaltenen Arbeitslosengeldes begehrt.

Der Kläger hat beantragt,

  1. festzustellen, dass sein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten aufgrund der im Arbeitsvertrag K1 vom 19.12.2006 bezeichneten Befristung zum 30.04.2009 nicht zum 30.04.2009 beendet worden ist;
  2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände geendet hat;
  3. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 6.800,– EUR brutto abzgl. netto erhaltenem Arbeitslosengeld von 2.264,– EUR nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 18.07.2009 zu zahlen;
  4. die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 13.600,– EUR brutto abzgl. netto erhaltenem Arbeitslosengeld von 4.528,– EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf je 3.400,– EUR abzgl. je 1.132,– EUR Arbeitslosengeld seit dem 16.07., 16.08., 16.09. und 16.10.2009 zu zahlen;
  5. die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 13.600,– EUR brutto abzgl. netto erhaltenem Arbeitslosengeld von 4.528,– EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf je 3.400,– EUR abzgl. je 1.132,– EUR Arbeitslosengeld seit dem 16.11., 16.12.2009, 16.01. und 16.02.2010 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, dass ein zulässiger Anknüpfungspunkt für eine Befristung nicht nur die Wahlperiode, sondern auch der Zeitpunkt der regelmäßigen Wahl des Fraktionsvorsitzenden sein könne. Dies müsse zulässig sein, da die Fraktionen einer Fremdbestimmung entzogen seien. Vorliegend sei es unerheblich, dass die Neuwahl kurz zuvor stattgefunden habe. Eine zusätzliche Wahl zum 30. April 2009 wäre unnütze Formelei gewesen.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 3. März 2010 den zuletzt gestellten Klageanträgen überwiegend stattgegeben, jedoch den Antrag zu 2. abgewiesen. Die Befristung sei unwirksam gewesen. Eine Befristung hätte nur auf das Ende der Wahlperiode wirksam vereinbart werden können, nicht jedoch zu deren Halbzeit. Nach den Grundsätzen des Annahmeverzuges müsse die Beklagte auch das begehrte Arbeitsentgelt zahlen.

Dieses Urteil ist der Beklagten am 20. April 2010 zugestellt worden. Die Berufung ging am 1. April 2010 beim Landesarbeitsgericht ein. Die entsprechende Begründung erfolgte am 21. Juni 2010 (Montag). Dieser Schriftsatz wurde dem Klägervertreter am 28. Juni 2010 zugestellt. Am 28. Juli 2010 erfolgte die Anschlussberufung bzgl. des Arbeitsentgeltes von März bis August 2010.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 3. März 2010 – 37 Ca 8451/09 – dahingehend abzuändern, dass die Klage abgewiesen wird.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und klageerweiternd

die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere

6.800,00 EUR brutto abzüglich ...

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