Entscheidungsstichwort (Thema)

Nicht nur vorübergehende Überlassung einer Leiharbeitnehmerin im Rahmen konzerninterner Arbeitnehmerüberlassung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ob auch nach Wegfall der früheren Regelung in § 1 Abs. 2 AÜG, wonach bei Überschreitung der gesetzlich vorgesehenen Höchstdauer Arbeitsvermittlung vermutet wurde, die nicht nur vorübergehende Überlassung gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG die Vermutung von Arbeitsvermittlung nach § 1 Abs. 2 mit § 3 Abs. 1 Nr. 1 AÜG auslöst, kann dahin stehen; nachdem § 13 AÜG durch Art. 63 Nr. 9 des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes vom 24.03.1997 (BGBl. I S. 594) mit Wirkung vom 01.04.1997 ersatzlos aufgehoben wurde, gibt es in den Fällen der nach § 1 Abs. 2 AÜG vermuteten Arbeitsvermittlung keine gesetzliche Grundlage mehr für die Begründung eines Arbeitsverhältnisses zwischen der Leiharbeitnehmerin und der Entleiherin.

2. Nach zwischenzeitlicher Streichung der Höchstdauer für die Arbeitnehmerüberlassung und damit einhergehend der Vermutungswirkung im § 1 Abs. 2 Alt. 2 AÜG lässt sich ein Arbeitsverhältnis zwischen Entleiherin und nicht nur vorübergehend überlassener Arbeitnehmerin auch nicht im Wege einer teleologischen Auslegung von § 1 Abs. 2 AÜG begründen.

3. Die Annahme eines Arbeitsverhältnisses zwischen Leiharbeitnehmerin und Entleiherin bei nicht nur vorübergehender Überlassung im Wege der richtlinienkonformen Auslegung von §§ 1 Abs. 2, 10 Abs. 1 Satz 1, 9 Nr. 1 AÜG kommt nicht in Betracht.

4. Ob ein von der Rechtsordnung nicht gebilligtes Umgehungsgeschäft vorliegt, lässt sich nur nach der bei Abschluss des Vertrages gültigen Rechtslage beurteilen; zu einem früheren Zeitpunkt rechtmäßige Vertragsgestaltungen können nicht im Nachhinein als rechtswidrige Umgehungsgeschäfte angesehen werden, da Umgehungsgeschäfte, für die typisch ist, dass die alternative Gestaltung ernstlich gewollt ist, um die unerwünschten Rechtsfolgen zu vermeiden und das erwünschte wirtschaftliche Ziel dennoch zu erreichen, nicht grundsätzlich rechtwidrig sind sondern nur, wenn diese gegen Sinn und Zweck bestimmter Normen (der bei Abschluss des Vertrages gültigen Rechtslage) verstoßen.

 

Normenkette

AÜG § 10 Abs. 1, § 9 Nr. 1, § 1 Abs. 1 S. 2, §§ 2-3, 5 Abs. 1 Nr. 4, § 13; BGB §§ 117, 242, 611 Abs. 1; EG-RL 104/2008 Art. 10 Fassung: 2008-11-19

 

Verfahrensgang

ArbG Cottbus (Entscheidung vom 29.11.2012; Aktenzeichen 1 Ca 280/12)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 03.06.2014; Aktenzeichen 9 AZR 829/13)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Teil-Urteil des Arbeitsgerichts Cottbus vom 29. November 2012 - 1 Ca 280/12 - abgeändert:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

II. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis besteht sowie über einen Beschäftigungsanspruch und schließlich über Ansprüche der Klägerin auf Auskunft über die für vergleichbare Arbeitnehmer der Beklagten geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts.

Die Beklagte ist ein Unternehmen, das Krankenhäuser betreibt, und übernahm mit Wirkung zum Oktober 2006 vom Land B. insgesamt drei Kliniken in B., in L. und in T. Aufgrund der unterschiedlichen vertraglichen Gestaltungen finden bei der Beklagten, die selbst nicht tarifgebunden ist, auf die Arbeitsverhältnisse sowohl der TV-L als auch der BAT-O Anwendung.

Die Klägerin wurde auf der Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 23./25. März 2009 von der G. GmbH, einem demselben Konzern wie die Beklagte angehörenden Personaldienstleistungsunternehmen, das mit einer unbefristet erteilten Erlaubnis die Arbeitnehmerüberlassung innerhalb des Konzerns betreibt, zum 01. Mai 2009 als Diplom-Psychologin eingestellt. Der Arbeitsvertrag nimmt auf die Tarifverträge mit dem Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen und der Mitgliedsgewerkschaften des DGB in ihrer jeweiligen Fassung Bezug. Das Arbeitsverhältnis war zunächst befristet und wurde später unbefristet fortgeführt. Seit Beginn ihres Arbeitsverhältnisses ist die Klägerin bei der Beklagten im Klinikum T. und dort in der Abteilung Neurologie eingesetzt.

Wegen des Weiteren diesem Streit zugrunde liegenden unstreitigen Sachverhaltes und des streitigen Vorbringens der Parteien in der ersten Instanz wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils (Bl. 160 - 163 d. A.) sowie auf die zwischen den Parteien in der Eingangsinstanz gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Durch Teilurteil vom 29. November 2012 hat das Arbeitsgericht Cottbus der Klage stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Überlassung der Klägerin an die Beklagte zur Beschäftigung auf einem Dauerarbeitsplatz sei gemäß § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG seit dem 01. Dezember 2011 unzulässig, so dass in analoger Anwendung des § 10 Abs.1 S. 1 AÜG das Arbeitsverhältnis auf die Beklagte übergegangen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung der Entscheidung wird auf die dortigen Gründe (Bl. 163 - 165 d. A.) verw...

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