Entscheidungsstichwort (Thema)

Ansprüche eines Arbeitnehmers wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch monatelange Nichtbeschäftigung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Nichtbeschäftigung eines Arbeitnehmers ist regelmäßig mit einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts verbunden. Der Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers ist Teil des allgemeinen Persönlichkeitsschutzes.

Deshalb muss der Arbeitnehmer mit seinen Rechten nur dann zurücktreten, wenn überwiegende und schutzwürdige Interessen des Arbeitgebers entgegenstehen (vgl. BAG 19. August 1976 - 3 AZR 173/75, Rn. 26 bei juris).

2. Hier waren dem Kläger seine bisherigen Arbeitsaufgaben entzogen worden, nachdem er eine Auflösung seines Arbeitsverhältnisses abgelehnt hatte. Betriebliche Gründe für die Nichtbeschäftigung hat die Beklagte nicht dargelegt.

Sie hat sich darauf beschränkt vorzutragen, seine Aufgaben seien weggefallen, obwohl diese unstreitig auf andere Belegschaftsmitglieder übertragen worden waren. Dem Kläger sind monatelang nahezu keine Aufgaben übertragen worden. Er verbrachte die Zeit in einem ihm zugewiesenen Einzelzimmer.

3. Ist - wie hier - nicht der vermögenswerte, sondern der ideelle Bestandteil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts betroffen, setzt der Anspruch auf Entschädigung zusätzlich voraus, dass die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden kann (vgl. etwa BAG 15. September 2016 - 8 AZR 351/15, Rn. 35 mwN).

Die Beschäftigung ist nicht nachholbar. Der Kläger kann auch nicht darauf verwiesen werden, dass er ja die Möglichkeit gehabt hätte, Beschäftigungsklage zu erheben. Er hat sich erkennbar um Beschäftigung bemüht, indem er sich gegen die Ausgrenzung aus dem Team zur Wehr gesetzt hat.

Er hat auch im Rahmen eines BEM -Gesprächs auf Beschäftigung gedrängt. Der entsprechende Vortrag des Klägers blieb unbestritten. Das war hier ausreichend (dazu auch LAG Rheinland-Pfalz 5. Juni 2014 - 2 Sa 394/13, Rn. 75).

4. Die Zubilligung einer Geldentschädigung ist nicht von einer kausal mit der Persönlichkeitsrechtsverletzung zusammenhängenden psychischen Behandlungsbedürftigkeit abhängig.

Denn bei der Entschädigung wegen einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts handelt es sich nicht um ein Schmerzensgeld nach § 253 Abs. 2 BGB, sondern um eine Zahlung, die auf den Schutzauftrag aus Art. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG zurückgeht (vgl. BAG 19. Februar 2015 - 8 AZR 1007/13, Rn. 30; BGH 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12, Rn. 40 mwN.).

5. Bei der Entschädigung steht - anders als beim Schmerzensgeld - regelmäßig der Gesichtspunkt der Genugtuung des Opfers im Vordergrund.

Außerdem soll sie der Prävention dienen (vgl. BGH 5. Oktober 2004 - VI ZR 255/03, zu II 1 der Gründe). Das ist auch bei der Höhe der Entschädigung zu berücksichtigen.

 

Normenkette

GG Art. 2 Abs. 1; EMRK Art. 8 Abs. 1; BGB § 823 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Entscheidung vom 24.05.2017; Aktenzeichen 37 Ca 11478/16)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 24.05.2017 - 37 Ca 11478/16 - abgeändert und die Beklagte verurteilt, an den Kläger 5.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.09.2015 zu zahlen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger eine Entschädigung wegen monatelanger Nichtbeschäftigung und einer damit verbundenen Verletzung seines Persönlichkeitsrechts zu zahlen.

Der Kläger ist bei der Beklagten seit 1990 als Konstruktionsingenieur angestellt. Ab dem Jahr 2003 war er im sogenannten "Team Su." tätig. Die Beklagte gruppierte den Kläger im Jahr 2007 im Zuge der Einführung des ERA-Tarifwerks in Entgeltgruppe 11 ein. Nach Auseinandersetzungen vergütete sie ihn schließlich nach Entgeltgruppe 12. Die Parteien streiten anderweitig insoweit über die Frage, ob der Kläger in Entgeltgruppe 13 eingruppiert ist.

Am 11. Juni 2013 wurde dem Kläger nach einer Auseinandersetzung durch einen Vorgesetzten mitgeteilt, er werde nicht notgeschlachtet. Kurz darauf wurde ihm lautstark mitgeteilt, sein Arbeitsplatz falle zum 30. September 2013 weg. Ihm wurde ein Abfindungsangebot unterbreitet. Das Angebot wurde am 13. Juni 2013 wiederholt und dem Kläger eine Frist bis zum 20. Juni 2013 gesetzt. Außerdem wurden arbeitsrechtliche Konsequenzen für den Fall angedroht, dass er das Angebot nicht annehmen werde. Der Kläger lehnte das Angebot ab. Er war damals in seinem Team der Einzige, dem ein solches Angebot unterbreitet wurde. Der Kläger erhielt sodann in der Folgezeit vier Abmahnungen, die ersteam 20. Juni 2013, zwei Stunden nach Ablauf der Frist für die Annahme des Angebots. Die unter dem Datum des 19. Juni und des 26. Juli 2013 erteilten Abmahnungen übertrugen ihm die Verantwortung für einen nicht auszuschließenden Schaden in Höhe von 370 Mill. Euro, wenn ein bestimmter Auftrag nicht erteilt werden würde.

Mit Schreiben vom 16. A...

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