Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgrenzung von Arbeits- und freiem Dienstverhältnis

 

Leitsatz (amtlich)

Es entspricht nicht dem Wesen eines Arbeitsvertrages, wenn ein Mitarbeiter frei entscheiden kann, ob und für wann er sich in Dienstpläne einträgt und erst dann zur Leistung des Dienstes verpflichtet ist, wenn er sich eingetragen hat (im Anschluss an LAG Hamburg, 01.04.2009, 3 Sa 58/08, juris und LAG Schleswig-Holstein, 23.11.2016, 3 Sa 214/16, juris).

 

Normenkette

BGB § 611a

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Entscheidung vom 18.07.2018; Aktenzeichen 56 Ca 1937/18)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 18.07.2018 - 56 Ca 1937/18 - abgeändert und die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis begründet wurde und ob dieses durch eine außerordentliche Kündigung beendet worden ist sowie über die Zahlung von Mindestlohn.

Die Beklagte, die in der Regel mehr als 10 Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden beschäftigt, betreibt ein Wohnprojekt für obdachlose alkoholkranke Männer in der N.straße in Berlin-K. und beschäftigt dort u.a. Sozialarbeiter, Krankenpfleger und Nachtwachen.

Im Jahr 2014 schaltete die Beklagte in Heft 25 des Berliner Stadtmagazins ZITTY für die Zeit vom 27. November bis zum 10. Dezember 2014 eine Anzeige mit folgendem Wortlaut:

"Nachtwachen KG H.-K.-Passion sucht ab sofort f. d. Beheimatungsprojekt von Obdachlosen Männern, N.straße drei Nachtwachen 3x/Monat (keine Pflegeaufgaben) und eine/n Sozialarbeiter/in stundenweise für den Tagdienst ..."

Als Ansprechpartner der Beklagten war in der Anzeige Herr D. (im Folgenden: Herr D.) angegeben.

Der Kläger, ein selbständiger Künstler, bewarb sich bei der Beklagten als Nachtwache und nahm mit zwei weiteren Bewerbern an einem von Herrn D. geführten Vorstellungsgespräch teil. Nach einem Rundgang durch das Haus lehnten die beiden anderen Bewerber eine Tätigkeit bei der Beklagten ab.

Herr D. teilte dem Kläger mit, dass für drei Nachtwachen im Monat 165,00 EUR gezahlt würden und dass sich der Kläger in die in der Betriebsstätte aufgehängten Dienstpläne einzutragen habe. Ob Herr D. dem Kläger auch mitgeteilt hatte, es handele sich um eine ehrenamtliche Tätigkeit, ist zwischen den Parteien streitig.

In der Folgezeit arbeitete der Kläger drei Stunden zur Probe und wurde danach im Dezember 2014 erstmals als Nachtwache eingesetzt. Der Kläger leistete in den Jahren 2015 - 2017 in der Regel monatlich drei Nachtwachen in der Zeit von 21:00 Uhr bis 06:00 Uhr, nachdem er sich in die Dienstpläne eingetragen hatte.

Für die Zeit bis einschließlich September 2015 überwies die Beklagte an den Kläger monatlich 165,00 EUR (netto). Für die Zeit ab Oktober 2015 überwies die Beklagte an den Kläger monatlich 195,00 EUR (netto). Als Verwendungszweck gab die Beklagte jeweils "Honorar" an. Der Kläger unterzeichnete monatlich ein Schreiben über den Erhalt des überwiesenen Betrages. Die Schreiben trugen die Überschrift: "Erklärung über den Erhalt einer Aufwandsentschädigung für ehrenamtliche Tätigkeit." Hinsichtlich des vollständigen Inhalts eines solchen Schreibens wird beispielhaft auf die Erklärung vom 3. Januar 2017 Bezug genommen (Bl. 27 d.A., "K1", Anlage zum Schriftsatz der Beklagten vom 18.04.2018).

Ob der Kläger die Schreiben vor dem Unterzeichnen inhaltlich zur Kenntnis genommen hat und ob er hiervon Kopien erhielt, ist zwischen den Parteien streitig.

Mit Schreiben vom 13. März 2017 teilte die Beklagte den im Betrieb Beschäftigten unter der Überschrift "liebe Kolleginnen und Kollegen!" u.a. folgendes mit:

"Zusatz für unsere Nachtwachen:

Steffi ist ab dem 10.4. - 8.5.2017 im Urlaub. Deshalb gibt es viele freie Termine im Nachtdienst in diesen beiden Monaten. Ich bitte in Euch zu gehen und die fehlenden Zeiten zu besetzen.

Selbstverständlich werden die Stunden dann zusätzlich bezahlt. Ich danke Euch schon mal für den Einsatz recht herzlich ..."

Hinsichtlich des vollständigen Inhalts des Schreibens wird auf die Ablichtung auf Bl. 93 - 94 d.A. Bezug genommen (Anlage zur Berufungserwiderung).

Mit gewerkschaftlichem Schreiben vom 12. Januar 2018 teilte der Kläger der Beklagten mit, bei seiner Tätigkeit handele es sich nicht um eine ehrenamtliche sondern um eine gewerbliche. Der Kläger verlangte die Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns für die Jahre 2015 bis 2017. Hinsichtlich des vollständigen Inhalts des Schreibens wird auf die Ablichtung auf Bl. 40 - 43 d.A. Bezug genommen (Anlage zur Klageschrift vom 22.02.2018).

Mit Schreiben vom 31. Januar 2018 lehnte die Beklagte die Forderung ab und teilte mit, der Kläger könne nicht weiter eingesetzt werden, da er die Fortsetzung des Dienstes auf der bisherigen Basis ablehne (Ablichtung Bl. 3 - 5 d.A., Anlage zur Klageschrift vom 13.02.2018).

Mit Schreiben vom 1. Februar 2018 teilte die Beklagte dem Kläger mit, sie müsse das Vertragsverhältnis mit ihm "...

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