Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsstellung des Betriebsrats hinsichtlich einseitiger Maßnahmen des Arbeitgebers

 

Leitsatz (amtlich)

§ 75 Abs. 1 BetrVG begründet keinen allgemeinen Beseitigungs- oder Unterlassungsanspruch des Betriebsrats bei einseitigen Maßnahmen der Arbeitgeberin oder des Arbeitgebers gegenüber den im Betrieb tätigen Personen.

 

Normenkette

BetrVG § 75 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Entscheidung vom 17.09.2014; Aktenzeichen 12 BV 3664/13)

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 17. September 2014 - 12 BV 3664/13 - abgeändert:

Die Anträge werden insgesamt zurückgewiesen.

II. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

A.

Die Beteiligten streiten über Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche des Betriebsrats gegen die Arbeitgeberin wegen Verstoßes gegen die Grundsätze des § 75 Abs. 1 BetrVG.

Die Beteiligte zu 2) (im Folgenden: Arbeitgeberin) betreibt in Berlin ein Kranken- und Altenpflegeheim mit mehr als 200 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Der Beteiligte zu 1) (im Folgenden: Betriebsrat) ist der für das Kranken- und Altenpflegeheim gebildete, aus neun Mitgliedern bestehende Betriebsrat.

Die Arbeitgeberin zahlt ihren Beschäftigten Nachtzuschläge in Höhe von 2,00 Euro brutto pro Stunde, Sonntagszuschläge in Höhe von 3,00 Euro brutto pro Stunde und Feiertagszuschläge in Höhe von 4,00 Euro pro Stunde. Ob die geringfügig Beschäftigten diese Zuschläge ebenfalls, lediglich in pauschalierter Form erhalten, ist zwischen den Beteiligten streitig. Auszubildende erhalten seit dem 1. Oktober 2013 Nachtzuschläge in Höhe von 0,70 Euro brutto pro Stunde, Sonntagszuschläge in Höhe von 1,00 Euro brutto pro Stunde und Feiertagszuschläge in Höhe von 1,30 Euro brutto pro Stunde.

Neben dem pflegerischen und ergotherapeutischen Personal beschäftigt die Arbeitgeberin weiteres Personal zur zusätzlichen Betreuung und Aktivierung der pflegebedürftigen Heimbewohnerinnen und -bewohner (sog. zusätzliche Betreuungskräfte). Finanziert werden die zusätzlichen Betreuungskräfte nach § 87b SGB XI durch die Pflegekassen über zweckgebundene Vergütungszuschläge. Aufgabe der zusätzlichen Betreuungskräfte ist es, die Pflegebedürftigen zu Alltagsaktivitäten zu motivieren und sie dabei zu betreuen und begleiten. Ferner sollen sie den Pflegebedürftigen für Gespräche über Alltägliches, ihre Anliegen und persönlichen Themen zur Verfügung stehen und diesen durch ihre Anwesenheit Sicherheit und Orientierung vermitteln. Die Betreuungs- und Aktivierungsangebote sollen sich an den Erwartungen, Wünschen und Befindlichkeiten der Pflegebedürftigen orientieren.

Die Arbeitgeberin gewährt den zusätzlichen Betreuungskräften 26 Arbeitstage Urlaub pro Jahr. Für die übrigen fest angestellten Beschäftigten galt ursprünglich eine nach dem Alter gestaffelte Urlaubsregelung entsprechend den Urlaubsregelungen in den Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes. Nachdem das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - die nach dem Alter gestaffelte Urlaubsregelung des § 26 des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst für den Bereich der Kommunen (TVöD-VKA) wegen Verstoßes gegen das Altersdiskriminierungsverbot für unwirksam erklärte, gewährt die Arbeitgeberin ihren Beschäftigten unabhängig vom Zeitpunkt ihrer Einstellung mit Ausnahme der zusätzlichen Betreuungskräfte 29 Arbeitstage Urlaub pro Jahr. Dies gilt jedenfalls für das pflegerische und therapeutische Personal sowie die in der Verwaltung Beschäftigten. Ob es außer den zusätzlichen Betreuungskräften auch noch andere Beschäftigtengruppen gibt, die weniger als 29 Urlaubstage pro Jahr erhal ten, ist unklar.

In der Vergangenheit beschäftigte die Arbeitgeberin zwischen drei und vier geringfügig Beschäftigte und zwölf zusätzliche Betreuungskräfte. Die geringfügig Beschäftigten leisteten keine Nachtarbeit. Aktuell beschäftigt die Arbeitgeberin nur noch einen geringfügig Beschäftigten, Herrn K., und zehn zusätzliche Betreuungskräfte.

Am 21. August 2012 beschloss der Betriebsrat, ein arbeitsgerichtliches Beschlussverfahren einzuleiten und mit dessen Durchführung seinen hiesigen Verfahrensbevollmächtigten zu beauftragen, weil die geringfügig Beschäftigten keine Nacht-, Sonn- und Feiertagszuschläge erhielten und darin u. a. eine Verletzung des in § 75 Abs. 1 BetrVG normierten Gleichheitsgebots zu sehen sei. Wegen der Einzelheiten des Beschlusses wird auf dessen Ablichtung (Bl. 7 d. A.) verwiesen. Mit Schreiben von demselben Tag (Bl. 4 f. d. A.) zeigte der Verfahrensbevollmächtigte des Betriebsrats gegenüber der Arbeitgeberin seine Beauftragung an und forderte sie auf, die Ungleichbehandlung zumindest für die Zukunft abzustellen. Mit Schreiben vom 11. Januar 2013 (Bl. 6 d. A.) teilte die Arbeitgeberin mit, bei den geringfügig Beschäftigten würden die Zuschläge wegen der Vergütungsobergrenze nicht explizit ausgewiesen, sondern pauschal mit der Vergütung abgegolten.

Am 23. April 2013 beschloss der Betriebsrat, auch wegen der Ungleichhandlung ...

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