Entscheidungsstichwort (Thema)

Einrichtung des J. Unfallhilfe e.V. als karitative Einrichtung einer Religionsgemeinschaft

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für das Verfahren, in dem über die Wirksamkeit der Bestellung eines Wahlvorstandes nach Übernahme von Rettungswachen durch eine kirchliche Einrichtung bzw. den Bestand oder Fortbestand des von ihm geltend gemachten Rechtes gestritten wird, ist von der Existenz des Wahlvorstandes auszugehen. Das entspricht dem allgemeinen prozessualen Grundsatz, dass eine Person, deren Beteiligung an einem Verfahren streitig ist, hinsichtlich dieses Streits als Beteiligte gilt (vgl. BAG 25. August 1981 – 1 ABR 61/79 – AP Nr. 2 zu § 83 ArbGG 1979, zu B I 2 b der Gründe).

2. Für die Zuordnung einer Einrichtung zur Kirche kommt es auf ihre Zugehörigkeit zur Kirchenverwaltung nicht entscheidend an; es genügt, wenn die Einrichtung der Kirche so nahe steht, dass sie teilhat an der Verwirklichung eines Stücks Auftrag der Kirche im Geist christlicher Religiosität im Einklang mit dem Bekenntnis der christlichen Kirche und in Verbindung mit den Amtsträgern der Kirche.

3. Für die Zuordnung einer rechtlich selbständigen Einrichtung zur Kirche ist es zunächst erforderlich, dass die Einrichtung ihrem Zweck nach auf die Verwirklichung eines kirchlichen Auftrags gerichtet ist. Der Begriff der „karitativen Einrichtung” in § 118 Abs. 2 BetrVG ist nach dem Selbstverständnis der Kirche zu bestimmen.

4. Aus dem Verhältnis von § 118 Abs. 2 BetrVG zu Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 3 WRV folgt daneben noch die Notwendigkeit einer ausreichenden institutionellen Verbindung zwischen der durch Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 3 WRV geschützten Religionsgemeinschaft und der Einrichtung. Diese setzt ein Mindestmaß an Ordnungs- und Verwaltungstätigkeit der Religionsgemeinschaft über die Einrichtung voraus.

5. Gemessen daran betreibt die J. Dienste Berlin/Brandenburg gGmbH eine mit der E. Kirche in Deutschland (EKD) eng verflochtene Einrichtung, wobei es sich nach dem kirchlichen Selbstverständnis bei dem im Gesellschaftsvertrag der Arbeitgeberin festgelegten Aufgabenspektrum, insbesondere auch dem Rettungsdienst, um den Bereich der karitativen Betätigung des J.ordens bzw. der E. Kirche handelt. Alleiniger Gesellschafter der J. Dienste Berlin/Brandenburg gGmbH ist der J. Unfallhilfe e.V. (JUH eV), ein Ordenswerk des J.ordens.

 

Normenkette

BertrVG § 118 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Potsdam (Beschluss vom 21.10.2009; Aktenzeichen 6 BV 54/09)

 

Tenor

1. Die Beschwerde des Wahlvorstandes gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Potsdam vom 21.10.2009 – 6 BV 54/09 – wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Arbeitgeberin verpflichtet ist, dem Wahlvorstand die notwendigen Angaben zur Erstellung einer Wählerliste zu machen oder ob der Betrieb der Arbeitgeberin ganz oder teilweise als karitative Einrichtung vom Geltungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes nach § 118 Abs. 2 BetrVG ausgenommen ist.

Die Arbeitgeberin betreibt sieben organisatorisch zusammengefasste Rettungswachen im Landkreis P-M (in B., Be., D., J., N., T. und Z.), wobei unter den Beteiligten der Grad der Selbständigkeit des Verbundes in der Struktur der Arbeitgeberin umstritten ist. Die Rettungswachen in J. und N. übernahm die Arbeitgeberin zum 1. Januar 2009 von der DRK Rettungsdienst P-M gGmbH. Dort war ein Betriebsrat gebildet. Dieser bestellte am 26. Januar 2009 den Wahlvorstand, bestehend aus fünf Mitgliedern und zwei Ersatzmitglieder. Inzwischen sind hiervon noch drei Personen verblieben. Der Wahlvorstand konstituierte sich am 1. Februar 2009. In der Folge forderte er die Arbeitgeberin auf, „eine Wählerliste … zu erstellen und an ihn herauszugeben”. Die Arbeitgeberin übersandte eine – allerdings nicht mit Vornamen und Geburtsdaten versehene – Personalliste. Eine Bitte des Wahlvorstands um Ergänzung erwiderte die Arbeitgeberin mit der Aufforderung, die Wahlvorbereitungen einzustellen.

Die Arbeitgeberin ist eine gemeinnützige Gesellschaft. Der Gesellschaftszweck und die angestrebte Art seiner Umsetzung sind in dem Gesellschaftsvertrag unter § 2 wie folgt angegeben:

„Gesellschaftszweck ist die Unterstützung hilfsbedürftiger Personen im Bewusstsein der Tradition christlicher Nächstenliebe, der die J. seit Jahrhunderten verpflichtet sind.

Die Gesellschaft verwirklicht diesen Zweck insbesondere durch Notfallrettung, Kranken- und Behindertentransport … usw. sowie andere Hilfs- und Betreuungsleistungen im karitativen Bereich in den Bundesländern Berlin und Brandenburg.”

Alleingesellschafter der Arbeitgeberin ist der J.-Unfallhilfe e.V. (JUH eV). Nach § 3 Abs. 5 des Gesellschaftsvertrages fällt ihm bei Auflösung der Arbeitgeberin deren Gesellschaftsvermögen zu. Der JUH eV gehört als Fachverband dem D. Werk der E. Kirche in Deutschland (EKD) an. Das D. Werk der EKD ist der Dachverband der D. Werke der Gliedkirchen. Der JUH eV ist ein Ordenswerk des J.ordens. 1947 bescheinigte der damalige Ratsvorsit...

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