Entscheidungsstichwort (Thema)

Ordnungsgeld gegen Arbeitgeberin bei Zuwiderhandlungen gegen ihre Verpflichtung aus arbeitsgerichtlichem Beschluss

 

Leitsatz (amtlich)

1. Regelmäßig muss die Vollstreckungsklausel gemäß § 750 Abs. 1 ZPO nicht zugestellt werden.

2. Bei der Festsetzung des Ordnungsgeldes nach § 23 Abs. 3 BetrVG sind nur die Verstöße berücksichtigungsfähig, die nach Rechtskraft des Unterlassungstitels begangen wurden.

3. Wird der Zeugenbeweis schriftlich eingeholt (§ 377 Abs. 3 ZPO), dann gebietet das Fragerecht nach § 397 Abs. 1 ZPO nicht zwingend, die Zeugen anschließend mündlich zu hören, auch wenn dies beantragt wird.

4. Für jeden der 44 Verstöße ist ein Ordnungsgeld in Höhe von jeweils 2.000 € festzusetzen, so dass sich ein Gesamtbetrag von 88.000 € ergibt.

 

Normenkette

ZPO § 377 Abs. 3, § 397 Abs. 1, § 411 Abs. 3, § 724 Abs. 1, § 750 Abs. 1-2; BetrVG § 23 Abs. 3; ArbGG § 72a Abs. 5 S. 6

 

Verfahrensgang

LAG Berlin-Brandenburg (Entscheidung vom 17.09.2014; Aktenzeichen 15 TaBV 706/14)

LAG Berlin-Brandenburg (Entscheidung vom 17.09.2014; Aktenzeichen 15 TaBV 1746/14)

 

Tenor

1. Der Arbeitgeberin wird wegen der Zuwiderhandlungen gegen die Verpflichtung aus dem Beschluss des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 17.09.2014 - 15 TaBV 706/14 und 15 TaBV 1746/14 - ein Ordnungsgeld i. H. v. 88.000,00 € (achtundachtzigtausend) auferlegt.

2. Im Übrigen werden der Antrag und die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten im Rahmen der Zwangsvollstreckung darüber, ob gegen die Beteiligte zu 2), die Arbeitgeberin, gemäß § 23 Abs. 3 BetrVG ein Ordnungsgeld zu verhängen ist. Die Arbeitgeberin betreibt ein größeres Krankenhaus in Berlin. Der Beteiligte zu 1) ist der antragstellende Betriebsrat.

In dem vom Betriebsrat eingeleiteten Erkenntnisverfahren hatte der Betriebsrat behauptet, in der Zeit von Februar 2012 bis Juni 2013 hätten die Arbeitnehmer in 24 Fällen die dienstplanmäßig vorgesehene Pause jedenfalls nicht innerhalb des Pausenrahmens genommen. Daraufhin hatte die hiesige Kammer unter dem 17.09.2014 in teilweiser Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung folgenden Beschluss erlassen:

"Der Arbeitgeberin wird aufgegeben, es zu unterlassen, gegenüber den Arbeitnehmern des Betriebes, die unter den Geltungsbereich des § 1 der Betriebsvereinbarung "Dienstplangrundsätze" vom 25.08.2010 fallen, eine Arbeitsleistung für die Dauer der vorgesehenen Pause von 30 Minuten im vorgegebenen Pausenrahmen entgegenzunehmen oder zu dulden, es sei denn, dass eine Zustimmung des Betriebsrates hierzu vorliegt oder die Zustimmung durch die Einigungsstelle ersetzt worden ist."

Dieser Beschluss ist den Verfahrensbevollmächtigten der Arbeitgeberin am 10.10.2014 zugestellt worden (Bl. 344 d. A.). Das Bundesarbeitsgericht hat die hiergegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde mit Beschluss vom 20.01.2015 zurückgewiesen. Die Zustellung dieses Beschlusses an die Verfahrensbevollmächtigten der Arbeitgeberin erfolgte am 28.01.2015.

Unter dem 03.05.2016 ist folgende Vollstreckungsklausel den Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats erteilt worden:

"Vorstehende Ausfertigung wird d. Beteiligten zu 1. (Arbeitgeber) zum Zwecke der Zwangsvollstreckung erteilt..." (Anlagenkonvolut AST 13, Bl. 630 d. A.)

Eine weitere Zustellung des LAG-Beschlusses an die Arbeitgeberin erfolgte durch den Betriebsrat über eine Gerichtsvollzieherin, die wiederum die Deutsche Post AG einschaltete. Nach der Zustellungsurkunde (Bl. 632f d. A.) hat die Postbedienstete vergeblich versucht, das Schriftstück zu übergeben. Sie hat es daher am 17.05.2016 um 09:15 Uhr in den zum Geschäftsraum gehörenden Briefkasten eingelegt.

Mit dem am 10.06.2016 beim Arbeitsgericht Berlin eingegangenen Antrag hat der Betriebsrat die Verhängung eines Ordnungsgeldes wegen Verstößen gegen den Beschluss der hiesigen Kammer vom 17.09.2014 beantragt. Im Zeitraum 07.01.2015 - 09.12.2015 hätte die Arbeitgeberin in 57 Fällen die Arbeitsleistung der Arbeitnehmer auch für die Dauer der vorgesehenen Pause entgegengenommen bzw. dies geduldet, ohne dass die Zustimmung des Betriebsrats hierzu vorgelegen hätte. Deswegen werde die Verhängung eines Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 570.000,00 € begehrt. Hinsichtlich der einzelnen Verstöße wird auf die Seiten 7 - 10 der Antragsschrift (Bl. 381-384 d. A.), die formularmäßigen Anzeigen der einzelnen Beschäftigten (Anlagenkonvolut AST 10, Bl. 442 - 482 d. A.) und die zusammenfassende Darstellung im Anlagenkonvolut AST 12 (Bl. 546 - 550 d. A.) verwiesen.

Die Arbeitgeberin hat erstinstanzlich behauptet, dass bislang nicht erkennbar sei, dass eine vollstreckungsfähige Ausfertigung des Beschlusses des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 17.09.2014 bzw. des Beschlusses des Arbeitsgerichts Berlin vom 30.01.2014 der Arbeitgeberin zugestellt worden sei. Im Hinblick auf § 78a Abs. 2 AGG könne die Rechtskraft erst am 11.02.2015 eingetreten sein. Verstöße, die vor diesem Termin geltend gemacht werden, unterlägen daher nicht der Zwangsvo...

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