Entscheidungsstichwort (Thema)

Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung im Falle eines Widerrufsvergleichs

 

Leitsatz (amtlich)

Selbst wenn die Regelung des § 726 Abs. 1 ZPO grundsätzlich auch dann eingreift, wenn der Vollstreckungstitel – wie beim Vergleich mit Vorbehalt des Widerrufs – aufschiebend bedingt ist, so ist jedenfalls bei einem gegenüber dem Gericht zu erklärenden Widerruf nicht der Rechtspfleger, sondern der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle bei Wirksamwerden des Vergleichs funktionell für die Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigung nach § 724 ZPO zuständig. Die Regelung des § 726 Abs. 1 ZPO gelangt aufgrund einer am Sinn und Zweck orientierten, einschränkenden Auslegung in diesem Fall nicht zur Anwendung.

 

Normenkette

ZPO §§ 724, 726 Abs. 1, § 794 Ziff. 1, § 795; ArbGG § 9 Abs. 3, § 62 Abs. 2; RPfG § 11 Abs. 1; RPfG § 20 Ziff. 12

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Beschluss vom 07.04.2003; Aktenzeichen 1 Ca 26237/02)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 05.11.2003; Aktenzeichen 10 AZB 38/03)

 

Tenor

I. Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 7. April 2003 – 1 Ca 26237/02 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

II. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

In der Güteverhandlung vom 6. Februar 2003 haben die Klägerin und die Beklagten zu 2 und 3 einen Vergleich geschlossen, wonach sich die Beklagten zu 2 und 3 als Gesamtschuldner u.a. verpflichtet haben, das Arbeitsverhältnis der Klägerin bis zum Beendigungszeitpunkt ordnungsgemäß abzurechnen, den sich daraus ergebenden Nettobetrag unter Berücksichtigung etwaiger Anspruchsübergänge auszuzahlen und der Klägerin eine Abfindung zu leisten; die Parteien haben sich in Ziff. 6 des Vergleichs vorbehalten, ihn bis zum 20. Februar 2003 durch Anzeige bei Gericht widerrufen zu können. Ein Widerruf ist nicht erfolgt.

Unter dem 5. März 2003 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Herreichung einer vollstreckbaren Ausfertigung des Vergleichs durch den Rechtspfleger beantragt, die ihm durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle erteilt worden ist, worauf der Prozessbevollmächtigte der Klägerin erneut um eine vollstreckbare Ausfertigung durch den Rechtspfleger nachgesucht hat.

Diesen Antrag hat das Arbeitsgericht durch den Rechtspfleger durch Beschluss vom 7. April 2003 mit der Begründung zurückgewiesen, dass die Parteien keinen Vergleich unter einer aufschiebenden Bedingung, sondern auf Widerruf geschlossen hätten, seine Zuständigkeit daher nicht gegeben sei. Die vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle gefertigte vollstreckbare Ausfertigung – zurückgereicht seitens der Klägerin mit Schriftsatz vom 31. März 2003 – ist ihr im Rahmen der Zustellung des Beschlusses erneut zugeleitet worden.

Dagegen wendet sich die Klägerin; und zwar zunächst durch Einreichung des Fax des Schriftsatzes vom 31. März 2003, eingegangen beim Arbeitsgericht am 28. April 2003, mit dem Vermerk „Erinnerung”, und sodann durch ihren Schriftsatz vom 13. Mai 2003.

Die Klägerin vertritt die Auffassung, es sei allein die Zuständigkeit des Rechtspflegers gegeben. Unerheblich sei, dass der Titel selbst und damit nicht nur die Vollstreckung aufschiebend bedingt sei. Dies gelte auch für den Umstand, dass der Widerruf gegenüber dem Gericht zu erklären gewesen sei, was allein eine Erleichterung des Gläubigers darstelle, den Eintritt der Bedingung i.S.d. § 726 Abs. 1 ZPO zu beweisen.

Der Rechtspfleger hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen.

 

Entscheidungsgründe

II.

1. Das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegen die durch den Rechtspfleger abgelehnte Erteilung einer qualifizierten vollstreckbaren Ausfertigung nach § 726 Abs. 1 ZPO ist nach § 78 Satz 1 ArbGG i.V.m. § 11 Abs. 1 RPflG, § 567 Abs. 1 Ziff. 2 ZPO statthaft; die Entscheidung des Rechtspflegers stellt keine Maßnahme der Zwangsvollstreckung, sondern eine solche dar, die die Voraussetzungen des Beginns der Zwangsvollstreckung bestimmt (allgemeine Meinung; vgl. Stein-Jonas-Münzberg, ZPO, 22. Aufl., § 730, Rdnr. 4; Musielak-Lackmann, ZPO, 3. Aufl., § 726, Rdnr. 8; Baumbach-Lauterbach-Albers-Hartmann, ZPO, 61. Aufl., § 724, Rdnr. 13; Zöller-Stöber, ZPO, 23. Aufl., § 724, Rdnr. 13).

Die Klägerin hat das Rechtsmittel auch in zulässiger Weise form- und fristgerecht eingelegt (§ 569 ZPO). Dabei kann offen bleiben, ob das mit dem Vermerk der Erinnerung beim Arbeitsgericht am 28. April 2003 eingegangene Fax den Anforderungen genügt und die sofortige Beschwerde vom 13. Mai 2003 die Beschwerdefrist des § 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO gewahrt hat. Zwar ergibt sich aus Ziff. 2 der Verfügung des Rechtspflegers vom 7. April 2003, dass der der Klägerin zuzustellenden Ausfertigung des Beschlusses vom 7. April 2003 eine Rechtsmittelbelehrung beizufügen gewesen ist. Eine nicht unterzeichnete Rechtsmittelbelehrung genügt dagegen nach § 9 Abs. 5 ArbGG nicht; sie hat nicht den Fristablauf in Gang gesetzt (vgl. dazu etwa BAG 5 AZR 690/97 vom 30.9.1998, NZA 99, 265).

2. In der Sache hat die sofortige Beschwerde der Klägerin...

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