Entscheidungsstichwort (Thema)

Sympathiestreik. Unterstützungsstreik. Arbeitskampf im Flugsicherungsbereich

 

Leitsatz (amtlich)

Auch im Bereich des Flugverkehrs und der Flugsicherung sind Arbeitskämpfe nicht grundsätzlich rechtswidrig.

Dieser Grundsatz gilt auch für gewerkschaftliche Streiks, die der Unterstützung eines Hauptarbeitskampfes dienen.

Die Zulässigkeit eines Unterstützungsstreiks richtet sich – wie bei anderen Arbeitskampfmaßnahmen – nach dem Grundsatz der Verhältnismßigkeit.

 

Normenkette

ZPO §§ 935, 940; GG Art. 9 Abs. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Stuttgart (Beschluss vom 02.03.2009; Aktenzeichen 12 Ga 4/09)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart – KammernLudwigsburg – vom 02.03.2009 (12 Ga 4/09) wird auf deren Kosten zurückgewiesen.

 

Tatbestand

Gegenstand des Verfahrens ist ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zur Untersagung von Arbeitskampfmaßnahmen.

Die Antragstellerin ist im Bereich der Flugsicherung durch § 1 der Verordnung zur Beauftragung eines Flugsicherungsunternehmens vom 11. November 1992 bundesweit als alleinige Flugsicherungsorganisation damit beauftragt, die sichere, geordnete und flüssige Abwicklung des Luftverkehrs zu gewährleisten. Sie übt für die Bundesrepublik Deutschland die in § 27 c Abs. 2 LuftVG aufgeführten Flugsicherungsaufgaben aus und hat die Sicherheit des Luftverkehrs in der Bundesrepublik Deutschland zu gewährleisten. Nach § 27c Abs. 2 Nr. 1 lit. a LuftVG gehört hierzu die Flugverkehrskontrolle zur Überwachung und Lenkung der Bewegungen im Luftraum und auf den Rollflächen von Flugplätzen einschließlich der Überprüfung, Warnung und Umleitung von Luftfahrzeugen im Luftraum.

Bei der Antragsgegnerin handelt es sich um einen am 15.09.2003 in das Vereinsregister eingetragenen Verein mit Sitz in Frankfurt am Main. Ihr Organisationsgebiet erstreckt sich gemäß § 3 der Satzung vom 09.07.2003 in der Fassung vom 27.09.2008 auf die Bundesrepublik Deutschland und den Bereich der Europäischen Union. Laut § 4 der Satzung umfasst der Organisationsbereich der Antragsgegnerin alle Betriebe und Unternehmen, in welchen die Überwachung und Lenkung von Luftfahrzeugen in der Luft oder auf dem Boden zur sicheren, geordneten und flüssigen Abwicklung des Verkehrs erfolgt oder mit dieser Aufgabe in unmittelbarem Zusammenhang stehende planerische, informatorische, technische und qualifizierende Unterstützungsleistungen erbracht werden. Bei der Antragsgegnerin sind insbesondere die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Antragstellerin und auch die Vorfeldlotsen der Flughafen Stuttgart GmbH organisiert.

Die Betreiberin des Stuttgarter Flughafens, die Flughafen Stuttgart GmbH (im Folgenden: FSG) beschäftigt insgesamt über 1.000 Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen. Davon sind ca. 22 Mitarbeiter als sogenannte Vorfeldlotsen (Apron-Controller) tätig, die den rollenden Verkehr von Luftfahrzeugen am Boden steuern und überwachen. Der Zuständigkeitsbereich dieser Vorfeldlotsen, das Vorfeld, ist der Bereich zwischen dem Taxiway, der zur Piste (Start- und Landebahn) führt und zum Kontrollbereich des Platzlotsen im Tower der Antragstellerin gehört, und den Parkpositionen, von und zu denen die Passagiere über einen Flugsteig (Gate) oder mittels eines Fahrzeugtransfers zu den Flugzeugen gebracht werden. Die Übergabe-/Übernahmepunkte zur Definition der Verantwortlichkeiten sind zwischen der Antragstellerin und der FSG durch Betriebsabsprachen im Einzelnen geregelt. Dagegen obliegt die Steuerung und Überwachung des fliegenden Verkehrs, insbesondere der An- und Abflüge, den Beschäftigten der Antragstellerin im Tower, vor allem den Fluglotsen.

1995 schlossen die Bundesrepublik Deutschland und die Antragstellerin die Neufassung einer am 23.12.1992 getroffenen Rahmenvereinbarung ab, deren § 6 (Notdienstvereinbarung) folgendermaßen lautet:

Die DFS wird … mit den Tarifpartnern vereinbaren, dass im Falle arbeitsrechtlicher Auseinandersetzungen die folgenden Flüge nicht behindert werden:

  • Not- und Katastropheneinsätze (einschließlich humanitärer Flüge),
  • Regierungsflüge,
  • Flugbetrieb der Streitkräfte.

In Umsetzung dieser Rahmenvereinbarung schlossen die Parteien am 26.07.2006 für den Fall des Arbeitskampfes eine Notdienstvereinbarung über die Einrichtung von Notdiensten.

§ 2 Abs. 2 lautet:

Die GdF sichert der DFS zu, dass sie im Falle eines Arbeitskampfes Notdienstarbeiten durchführen wird. Notdienstarbeiten sind Arbeiten, die notwendig sind

b) zur sicheren Durchführung

von Not- und Katastrophenflügen einschließlich humanitärer Flüge,

von Regierungsflügen,

des Flugbetriebs der Streitkräfte und

25 % des planmäßigen Luftverkehrs, der in dem vom Arbeitskampf betroffenem/n Sektor/en/TWR üblicherweise pro Stunde durchgeführt wird.

§ 3 lautet:

Organisation und Durchführung der Notdienstarbeiten

(1) Um die vorgenannten Notdienstarbeiten sicherstellen zu können, beträgt die Ankündigungsfrist für Arbeitskampfmaßnahmen 24 Stunden. Mit der Ankündigung benennt die GdF zugleich eine zent...

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