Rechtsmittel eingelegt: ja

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Bekenntnis einer Erzieherin im Dienste der Evangelischen Landeskirche in Baden zur „Universellen Kirche/Bruderschaft der Menschheit” als Loyalitätspflichtverletzung Anforderungen an wichtigen Kündigungsgrund, Anwendbarkeit der Grundsätze zu § 102 BetrVG 1972 auf das kirchliche Mitarbeitervertretungsrecht

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das Bekenntnis einer im Dienste der Evangelischen Landeskirche in Baden stehenden Erzieherin zur „Universellen Kirche/Bruderschaft der Menschheit” beinhaltet eine schwerwiegende Loyalitätspflichtverletzung.

2. Die bloße Mitgliedschaft in einer von der Evangelischen Kirche als Sekte eingestuften religiösen Vereinigung rechtfertigt indes noch keine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund, da dadurch noch nicht die Glaubwürdigkeit des kirchlichen Dienstes in grober und erheblicher Weise (im Sinne des § 9 der Arbeitsrechtsregelungen über die Grundlage der Dienstverhältnisse der kirchlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bereich der Evangelischen Landeskirche in Baden – AR-Grundlagen-DV vom 09.04.1984 – beeinträchtigt wird.

3. Auf das Verfahren zur Anhörung der Mitarbeitervertretung vor Ausspruch von Kündigungen nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz (MVG) in der Evangelischen Kirche in Deutschland vom 06.11.1996 finden die vom Bundesarbeitsgericht zu § 102 BetrVG 1972 entwickelten Grundsätze entsprechende Anwendung. Deshalb dürfen der Mitarbeitervertretung im Rahmen der Anhörung nach § 45 MVG nicht mitgeteilte wesentliche Kündigungstatsachen im Kündigungsschutzverfahren nicht verwendet werden.

 

Normenkette

GG Art. 140; BGB § 626; BAT § 54; AR-Grundlagen-DV der Evangelischen Landeskirche in Baden § 9; MVG der Evangelischen Kirche in Deutschland § 21 Abs. 1, § 45 ff.

 

Verfahrensgang

ArbG Pforzheim (Urteil vom 24.02.1999; Aktenzeichen 5 Ca 10/99)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 21.02.2001; Aktenzeichen 2 AZR 139/00)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird dasUrteil des Arbeitsgerichts Pforzheim vom24.02.1999 – Aktenzeichen 5 Ca 10/99 – abgeändert:

Es wird festgestellt, daß das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 16.12.1998 aufgelöst worden ist, sondern über den 31.12.1998 hinaus zu unveränderten Bedingungen fortbesteht.

2. Die Beklagte hat die gesamten Kosten des Rechtsstreites zu tragen.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Arbeitgeberkündigung mit kurzer sozialer Auslauffrist und über den Fortbestand ihres Arbeitsverhältnisses.

Bei der Berufungsbeklagten/Beklagten handelt es sich um die …, welche regelmäßig über zehn Arbeitnehmer im Sinne des § 23 Absatz 1 Satz 2 und 3 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) beschäftigt. Die am 20.01.1964 geborene, verheiratete Berufungsklägerin/Klägerin, … und Mutter eines Kindes, war aufgrund Arbeitsvertrages (für hauptberufliche Fachkräfte in Kindertagesstätten) vom 16.05.1997 (Anlage K 1, ArbG-Akte Blatt 11 bis 13) – im folgenden kurz AV – ab 12.05.1997 als Erzieherin/Gruppenleiterin in einer Kindertagesstätte bei der Beklagten beschäftigt. Ihre Vergütung erfolgte nach V c BAT gemäß Einzelgruppenplan 21 der … Vergütungsordnung § 22 Absatz 3 BAT. Das erzielte Bruttomonatsgehalt belief sich zuletzt auf ca. DM 4.200,00.

Die Klägerin ist außerdem Mitglied der bei der Beklagten gebildeten Mitarbeitervertretung.

Gemäß § 2 b AV finden auf das Arbeitsverhältnis die Arbeitsrechtsregelungen über die Grundlage der Dienstverhältnisse der … Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bereich der … und des … (AR-Grundlagen-DV) vom 09.04.1984 in der jeweils geltenden Fassung Anwendung. Aus § 6 Absatz 3 dieser Arbeitsrechtsregelung ergibt sich für die Klägerin folgende Verpflichtung:

„Der Mitarbeiter ist zur Loyalität der … gegenüber verpflichtet. Dies schließt die Mitgliedschaft und Mitarbeit in Organisationen aus, deren Grundauffassung. Zielsetzung oder praktischer Tätigkeit in Widerspruch zu dem Auftrag der … stehen.”.

§ 9 der AR-Grundlagen-DV besagt folgendes:

„Der Antragsteller kann das Dienstverhältnis durch Kündigung aus wichtigem Grund beenden, wenn der Mitarbeiter in grober und die Glaubwürdigkeit des … Dienstes erheblich beeinträchtigender Weise gegen die Pflichten eines kirchlichen Mitarbeiters im Dienst oder in der Lebensführung verstößt oder aus der … austritt.”.

Eine entsprechende Regelung enthält § 9 AV.

Mit Wirkung vom 26.10.1998 (Anlage K 2, ArbG-Akte Blatt 10) wurde die Klägerin zur Wahrnehmung der Leitungsfunktion im Kindergarten der … mit sofortiger Wirkung bis einschließlich 31.03.1998 abgeordnet. Dienstvorgesetzter war in dieser Zeit der …

Am 03.12.1998 erfuhr die Beklagte durch einen anonymen Hinweis, daß die Klägerin Mitglied der „…” ist. Sie hatte für diese sogenannte … durchgeführt. Auf einem Anmeldungsschreiben für diese „Grundkurse für höheres geistiges Lernen” am 27.02.1998, 20.00 Uhr in Karlsruhe war die Klägerin als Ansprechpartnerin benannt worden.

Auf ihrer I...

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