Entscheidungsstichwort (Thema)

Einzelhandel. Urlaubsgeld. Allgemeinverbindlicher Tarifvertrag. Nachwirkung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine Allgemeinverbindlicherklärung führt nicht dazu, dass sich durch eine nachträgliche Veränderung des tariflichen Regelwerks auch der Inhalt der Allgemeinverbindlicherklärung verändert.

2. Mehrdeutigkeiten bei formularvertraglichen Regelungen gehen zu Lasten des Verwenders.

3. Der Manteltarifvertrag für die Angestellten und gewerblichen Arbeitnehmer des Einzelhandels in Baden-Württemberg, für allgemeinverbindlich erklärt mit Wirkung ab 1. November 1996, trennt klar zwischen den Regelungen zum Urlaub und den einer tariflichen Sonderzahlung. Zu den urlaubsrechtlichen Fragen zählen insoweit nur Leistungen aus dem Positivkatalog des § 17 Abs 1 MTV Einzelhandel Baden-Württemberg.

 

Normenkette

TVG §§ 1, 4 Abs. 5, § 5 Abs. 1; BGB § 611; Manteltarifvertrag für die Angestellten und gewerblichen Arbeitnehmer des Einzelhandels in Baden-Württemberg §§ 17, 19

 

Verfahrensgang

ArbG Karlsruhe (Urteil vom 09.03.2004; Aktenzeichen 2 Ca 654/03)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Karlsruhe vom 09.03.04 – AZ: 2 Ca 654/03 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beklagte ist ein Einzelhandelsunternehmen der Möbelbranche.

Seit Mai 1988 steht der Kläger in einem Arbeitsverhältnis mit ihr in deren K. Betrieb.

Beide Parteien sind nicht originär tarifgebunden.

§ 4 des Formular-Arbeitsvertrages der Parteien bestimmt, dass

„… der Urlaub sich nach den tariflichen Regelungen des örtlichen Einzelhandels richtet”.

Der ab dem 01.01.1994 gültige Manteltarifvertrag für die Angestellten und gewerblichen Arbeitnehmer des Einzelhandels in Baden-Württemberg (im Folgenden: MTV 94) wurde mit Wirkung ab dem 01.11.1996 für allgemeinverbindlich erklärt. Danach erhielten die Arbeitnehmer seit dem 01.01.1996 eine tarifliche Sonderzahlung, die sich aus zwei Teilbeträgen zusammensetzt, nämlich einem zusätzlichen Urlaubsgeld einerseits und einer tariflichen Sonderzuwendung anderseits.

Regelungen über den Urlaub, die Urlaubsdauer, das Urlaubsentgelt und den Elternurlaub sind in den §§ 15 bis 18, die tarifliche Sonderzahlunge in § 19 des MTV 94 enthalten.

Sie lauten:

㤠15

Allgemeine Urlaubsregelungen

1. Arbeitnehmer/-innen und Auszubildende haben in jedem Kalenderjahr Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub.

Urlaubsjahr ist das Kalenderjahr.

9. Bei begründeter außerordentlicher Kündigung – ausgenommen wegen anhaltender Krankheit – oder bei vertragswidriger Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch den/die Arbeitnehmer/-in hat diese/r nur Anspruch auf den gesetzlichenJahres- bzw. Teiljahresurlaub.

10. Hat der/die Arbeitnehmer/-in bereits Urlaub über den ihm/ihr zustehenden Umfang hinaus erhalten, so kann das dafür zuviel erhaltene Urlaubsentgelt – ausgenommen das auf den gesetzlichen Mindesturlaub entfallene – zurückgefordert werden, sofern der /die Arbeitnehmer/-in durch eigenes Verschulden aus einem Grund entlassen worden ist, der eine außerordentliche Kündigung rechtfertigt oder der/die Arbeitnehmer/-in das Arbeitsverhältnis unberechtigt vorzeitig auflöst oder in den ersten 6 Monaten des Beschäftigungsverhältnisses selbst gekündigt hat.

11.

§ 16

Urlaubsdauer

1. Der Urlaub beträgt:

bis zum

vollendeten 25. Lebensjahr

32 Werktage

nach dem

vollendeten 25. Lebensjahr

34 Werktage

nach dem

vollendeten 30 Lebensjahr

36 Werktage

§ 17

Urlaubsentgelt

1. Für die Urlaubsdauer sind die vereinbarten Bezüge fortzuzahlen. Zusätzliche Einkünfte, die bei der Berechnung des Urlaubsentgeltes berücksichtigt werden müssen, wie z. B. Prämien, Provisionen und Überstundenvergütungen, jedoch ohne Gratifikationen, Jahrestantiemen und sonstige auf einmaligen Anlässen beruhende Zahlungen, sind aus dem Durchschnitt der letzten drei vollen Monate vor Urlaubsantritt zu errechnen.

Auf Wunsch ist das Urlaubsentgelt bei Antritt des Urlaubs auszuzahlen, wenn der Zeitpunkt der nächsten Entgeltzahlung in die Urlaubszeit fällt.

§ 18

Elternurlaub

§ 19

Tarifliche Sonderzahlungen

Arbeitnehmer/-innen, einschließlich Auszubildende haben Anspruch auf eine tarifliche Sonderzahlung, die sich aus zwei Teilbeträgen (Urlaubsgeld und Sonderzuwendung) zusammensetzt.

A. Zusätzliches Urlaubsgeld

1. Das Urlaubsgeld beträgt:

a. für Erwachsende 50 %, ab 01.01.1996 55 % des jeweiligen tariflichen Entgeltanspruches für das letzte tariflich vereinbarte Berufsjahr eines Verkäufers/einer Verkäuferin mit abgeschlossener Berufsausbildung, bezogen auf das derzeitge Tarifschema.

b. für Jugendliche im Sinne des Jugendarbeitsschutzgeseztes jeweils die Hälfte des Urlaubsgeldes für Erwachsene,

c. Für Auszubildende und diesen Gleichzustellende über 18 Jahre jeweils 2/3 des Urlaubsgeldes für Erwachsene.

2. Stichtag für das Lebensjahr und für die Bemessung des Urlaubsgeldes nach dem tariflichen Entgeltanspruch ist der 01. Januar des Urlaubsjahes.

3. Teilzeitbeschäftigte erhalten ein Urlaubsgeld im Verhälntis ihrer tatsächlichen Arbeitszeit zur tari...

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