Verfahrensgang

ArbG Stuttgart (Urteil vom 04.08.1995; Aktenzeichen 20 Ca 3072/93)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 04.08.1995 – 20 Ca 3072/93 – abgeändert. Der Tenor wird wie folgt neu gefaßt:

1. Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 12.11.1993 nicht aufgelöst wurde.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger eine Abfindung i.H.v. DM 49.200, – zuzüglich 4 % Zinsen aus DM 24.000, – seit 01.01.1994. ferner aus dem sich aus DM 600, brutto ergebenden Nettobetrag seit 01.02.1994, und aus dem sich aus DM 24.600, – brutto ergebenden Nettobetrag seit 01.11.1994 zu zahlen.

3. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Der Kläger trägt 2/25, die Beklagte 23/25 der Kosten 1. Instanz.

II. Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

III. Die Kosten der Berufung trägt die Beklagte.

IV. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien stritten in 1. Instanz darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis

  • durch eine nach der Behauptung des Klägers am 09.11.1993 durch die Beklagte mündlich ausgesprochene fristlose Kündigung
  • durch eine von der Beklagten mit Schreiben vom 12.11.1993 schriftlich ausgesprochene fristlose Kündigung
  • oder durch die von der Beklagten vorsorglich mit Schreiben vom 16.11. zum 31.12.1993 ausgesprochene fristgemäße Kündigung

aufgelöst wurde und ob die Beklagte dem Kläger eine im zwischen den Parteien am 23.09.1993 geschlossenen Aufhebungsvertrag zugesagte Abfindung von DM 49.200,– schuldet. In 2. Instanz ist aufgrund der von der Beklagten eingelegten Berufung noch im Streit, ob das Arbeitsverhältnis durch die fristlose Kündigung vom 12.11.1993 aufgelöst wurde und ob die Beklagte dem Kläger die Abfindung zu zahlen hat.

Der am 24.07.1963 geborene, ledige Kläger schuldet 2 Kindern Unterhalt. Er wurde von der Beklagten mit Arbeitsvertrag vom 19.12.1989 (ABl. 20 ff.) zum 01.0.1990 als Mechaniker in der Abteilung … im Werk … eingestellt. Im vom Kläger am 18.12.1989 ausgefüllten Personalbogen (ABl. 217 ff.) hatte dieser keine Kinder aufgeführt.

Anläßlich des Arbeitsantritts wurde dem Kläger ein sogenannter Schubladenwerkzeugsatz ausgehändigt. Dieser umfaßte u. a. zwei Bohrersätze mit insgesamt 75 Bohrern, nämlich den „Bohrersatz 1-5”, der aus 50 Einzelbohrern im 1 mm-Abstand, und den „Bohrersatz 5-10”, der aus 25 Einzelbohrern im 2 mm-Abstand besteht. Das Werkzeug mußte bei einem Austritt wieder zurückgegeben werden.

Die Beklagte beschloß, im Werk … bis zum 31.12.1993 447 Mitarbeiter abzuhauen. Am 27.07.1993 kam es zwischen ihr und dem für den Standort … gewählten Betriebsrat insoweit zu einem Interessenausgleich (ABl. 286 ff.). Die Betriebsparteien sahen u. a. vor (vgl. Anlage 2 zum Interessenausgleich ABl. 290), daß daran interessierte Arbeitnehmer gegen Zahlung von Abfindungen ausscheiden könnten. Am 23.09.1993 schlossen die Parteien, der Kläger hatte damals eine monatliche Vergütung von DM 4.100,– zu beanspruchen, einen Aufhebungsvertrag per 31.12.1993 (ABl. 25). Nach diesem sollte der Kläger als Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung i.H.v. DM 24.600,– erhalten. Davon sollten DM 24.000,– mit dem letzten Arbeitsentgelt ausgezahlt werden. Die Restzahlung sollte im Januar 1994 geleistet werden. Für den Fall, daß der Kläger nach Ablauf von 9 Monaten nach seinem Ausscheiden immer noch ununterbrochen arbeitslos sein sollte, vereinbarten die Parteien, daß der Kläger weitere DM 24.600,– Abfindung erhalten sollte. Dazu heißt es im Aufhebungsvertrag: „Arbeitslos ist auch, wer eine weiterführende Schule oder eine sonstige Weiterbildungseinrichtung besucht, sofern im übrigen die Voraussetzungen der Arbeitslosigkeit gem. §§ 101, 102 AFG erfüllt sind. „

Am 08.11.1993 erhielt der im Werk … beschäftigte Gruppenleiter … von der internen Materialvergabe zu seiner Verwunderung einen kompletten „Bohrersatz 1-5”. Er stellte fest, daß die sogenannte BVE-Entnahmekarte mit seinem Namen unterzeichnet war; die Unterschrift stammte jedoch nicht von Herrn …. Herr … meldete den Vorfall. Der Werkschutzdienst wurde beauftragt, die Sache zu klären. Als der Kläger dazu am 09.11.1993 befragt wurde, gab er zu, den „Bohrersatz 1-5” am 22.10.1993 mit einer BVE-Entnahmekarte angefordert und mit dem Namen … unterzeichnet zu haben. Er erklärte weiter, schon mindestens fünfmal so verfahren zu sein. Darauf wurde der Spind des Klägers zu dem nur dieser über einen Schlüssel verfügte, durchsucht. In diesem wurden der Beklagten gehörende 17 Bohrer, 3 Aluminiumplatten und ein Blechgitter festgestellt. Noch am 09.11.1993 wurde der Kläger von der Arbeit freigestellt. – Im Zusammenhang mit erforderlichen Werkzeugnachbeschaffungen ist im Betrieb folgende Handhabung festgelegt: Für abgenutztes oder beschädigtes Werkzeug kann von den einzelnen Arbeitnehmern Ersatz mit sogenannten BVE-Entnahmekarten (vgl. ABl. 64) angefordert werden. Der jeweilige Arbeitnehmer füllt eine entsprechende BVE-Entnahmekarte aus, darf s...

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