Entscheidungsstichwort (Thema)

Kürzung von Sozialplananspruch

 

Leitsatz (redaktionell)

Der Zweck eines Sozialplans besteht in der Milderung der künftig zu erwartenden wirtschaftlichen Nachteile infolge des Verlusts des Arbeitsplatzes und nicht in einer vollständigen Entschädigung für erdiente, aber verlustig gegangene Betriebszugehörigkeit.

 

Normenkette

BetrVG § 112

 

Verfahrensgang

ArbG Karlsruhe (Urteil vom 20.01.2006; Aktenzeichen 7 Ca 479/05)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 19.02.2008; Aktenzeichen 1 AZR 1004/06)

 

Tenor

1.Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Karlsruhe vom 20.01.2006 – Az.: 7 Ca 479/05 – wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

2.Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Höhe einer Sozialplanabfindung.

Die Beklagte entschloss sich im Jahre 2003 aus betrieblichen Gründen, ihr Unternehmen durch Auflösung des Außendienstes und durch weitere betriebsbedingte Kündigungen zu restrukturieren. Daher schloss sie mit dem Betriebsrat am 10.03.2004 einen Sozialplan zur Milderung der wirtschaftlichen Nachteile für die betroffenen Außendienstarbeitnehmer und darüber hinaus für „künftige betriebsbedingte Entlassungen während der Laufzeit” des Sozialplanes. Diese Betriebsvereinbarung war befristet für die Zeit bis zum 30.06.2006 und stand unter der auflösenden Bedingung der Stellung eines Insolvenzantrages – vgl. im einzelnen Abl. 104 bis 105 der erstinstanzlichen Akte –.

Im Frühjahr 2005 traf die Beklagte die Entscheidung, ihren gesamten Betrieb zum Jahresende einzustellen und das Unternehmen still zu liquidieren. Hierüber unterrichtete sie am 27.04.2005 schriftlich den Betriebsrat – Abl. 64 bis 66 a. a. O. –. Der Betriebsrat verhandelte mit der Beklagten in der Folgezeit über den Abschluss eines Interessenausgleiches und die Modifizierung bzw. Ergänzung des Sozialplanes.

Am 18.05.2005 vereinbarten sie einen Teil-Interessenausgleich – Abl. 68 bis 71 a. a. O. – hinsichtlich der mit 7-monatiger Frist auszusprechenden Kündigungen zum Jahresende. Auf Verlangen des Betriebsrates verpflichtete sich die Beklagte, eine Bankbürgschaft über EUR 2,0 Mio zu stellen.

Nach mehreren Sitzungen der vereinbarten ständigen Einigungsstelle kam es am 17.08.2005 zum Abschluss eines förmlichen Interessenausgleichs und eines weiteren Sozialplans, der in § 2.5 Folgendes regelt:

„Diejenigen Arbeitnehmer, die ihr Arbeitsverhältnis bereits vor Abschluss des vorliegenden Sozialplanes gekündigt haben, erhalten eine um 40 % geminderte Abfindung gemäß vorstehenden Ziffern 2.1 bis 2.4.” – Abl. 7 bis 9 a. a. O. –.

Die Beklagte informierte die Belegschaft über den jeweiligen Stand ihrer Verhandlungen mit dem Betriebsrat auf Betriebsversammlungen vom 10.05.2005, 30.05.2005, 22.06.2005 und 11.07.2005 sowie durch eine schriftliche Mitteilung vom 22.07.2005.

Die Klägerin stand seit dem 01.09.1980 in einem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten als kaufmännische Sachbearbeiterin zu einen monatlichen Bruttoentgelt von – zuletzt – EUR 1.489,26. Dieses Arbeitsverhältnis kündigte die Beklagte am 29.06. zum 31.12.2005 wegen ihrer Schließungsentscheidung. Mit e-mail vom 31.07.2005 – Abl. 82 a. a. O. – erklärte die Klägerin ihrerseits die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 01. Oktober 2005 und bestätigte eine zuvor abgegebene mündliche Zusicherung der Beklagten, dass sie das Unternehmen bereits zum 14.09.2005 verlassen dürfe. Am 01. August 2005 erklärte die Beklagte diese Zusicherung noch einmal schriftlich.

Am 15.09.2005 trat die Klägerin eine neue – nicht schlechter vergütete – Stelle an.

Die Beklagte zahlte der Klägerin einen um EUR 9.765,72 geminderten Abfindungsbetrag aus mit der Begründung, der ablösende Sozialplan vom 17.08.2005 komme wegen des vorzeitigen Ausscheidens der Klägerin zur Anwendung.

Mit ihrer beim Arbeitsgericht erhobenen Klage hat die Klägerin den vorenthaltenen Differenzbetrag geltend gemacht und zur Begründung ausgeführt, im Zeitpunkt der einvernehmlichen Vertragsaufhebung auf die Fortgeltung der ursprünglichen Betriebsvereinbarung vom 10.03.2004 vertraut zu haben. Die erst am 17.08.2005 zustande gekommene Ablösung des ursprünglichen Sozialplanes mit seiner 40%-igen Kürzung nach Maßgabe von dessen § 2.5 habe ihren Anspruch nicht rückwirkend schmälern können.

Die Klägerin hat beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 10.156,19 brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.09.2005 zu bezahlen.

Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt und ausgeführt, die Betriebsvereinbarung vom 17.08.2005 gehe als spezielleres Regelwerk der Betriebsvereinbarung vom 10.03.2004 vor. Zudem habe sie eine ablösende Wirkung, ohne dass Grundsätze des Vertrauensschutzes der – unechten – Rückwirkung entgegenstünden. Schließlich sei durch die unternehmerische Entscheidung vom Frühjahr 2005, das Unternehmen still zu liquidieren und den Betrieb gänzlich zu schließen, die Geschäftsgrundlage für den Sozialplan vom 10.03.2004 entfallen.

Das Arbeitsgericht is...

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