Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitsunfall. Haftungsausschluss. Gemeinsame Betriebsstätte

 

Leitsatz (redaktionell)

Bei einem Umzug können die Mitarbeiter der Umzugsfirma und die Mitarbeiter der den Umzug in Auftrag gebenden Firma vorübergehend betriebliche Tätigkeiten auf einer gemeinsamen Betriebsstätte verrichten, so dass der Haftungsausschluss gem. §§ 104f. SGB VII greift.

 

Normenkette

SGB VII §§ 104, 106 Abs. 3; BGB §§ 611, 823 Abs. 1, § 847 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Stuttgart (Urteil vom 16.12.2002; Aktenzeichen 19 Ca 2969/01)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 28.10.2004; Aktenzeichen 8 AZR 443/03)

 

Tenor

1.Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 16.12.02 – Az.: 19 Ca 2969/01 – wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

2.Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von dem Beklagten Schmerzensgeld und den Ersatz von Folgekosten wegen eines am 13.01.1999 in den Räumen ihrer Arbeitgeberin erlittenen Unfalls.

Der Beklagte Ziffer 3 ist Geschäftsführer, die Beklagten Ziffer 1 und 2 sind Möbelpacker einer Speditionsfirma, die im Auftrag der Arbeitgeberin der Klägerin einen Umzug durchführte. Die Aufgabe der Beklagten Ziffer 1 und 2 bestand darin, das von den Mitarbeitern der Arbeitgeberin der Klägerin verpackte und bereit gestellte Büromaterial zu verladen sowie die Büromöbel abzuschlagen und wegzutransportieren. Ob sie auch selbst Büromaterial verpackten, ist zwischen den Parteien streitig. Während am 13.10.1999 ca. 10 Mitarbeiter der Arbeitgeberin der Klägerin in den angrenzenden Räumen noch mit dem Verpacken und Bereitstellen des Büromaterials beschäftigt waren, entfernten die Beklagten Ziffer 1 und 2 zum Zwecke des Abtransports in dem Demonstrationsraum, der auch der Arbeitsplatz der Klägerin war, von einem aus vier Teilen bestehenden, L-förmig aufgestellten Raumteiler das der Stabilisierung dienende Seitenteil, so dass die verbleibenden drei Teile nur noch mittels einer Bodenschiene stabilisiert waren. Auf die Skizzen ABl. 14 und 122 der erstinstanzlichen Akte wird verwiesen. Ob die verbleibende Trennwand zusätzlich durch flach am Boden stehende Paletten abgesichert wurde, ist zwischen den Parteien streitig. Während die Beklagten Ziffer 1 und 2 das Seitenteil verluden, begab sich die Klägerin gegen 8.50 Uhr aus einem angrenzenden Raum in den Demonstrationsraum um, wie sie in erster Instanz ausführte, nachzuschauen, ob alles Büromaterial eingepackt bzw. abtransportiert war. Als die Klägerin in einer Entfernung von ca. einem Meter an der Stellwand vorbeiging und sich etwa in deren Mitte befand, kippte diese auf die Klägerin, die dadurch erhebliche Verletzungen am rechten Bein erlitt. Auf den vorläufigen Entlassungsbrief des Krankenhauses vom 10.11.1999 (ABl. 12 der erstinstanzlichen Akte) wird Bezug genommen. Die Berufsgenossenschaft der Arbeitgeberin ist für die unfallbedingten Aufwendungen der Klägerin teilweise aufgekommen. Nicht ersetzt wurden weitere Aufwendungen der Klägerin für die Betreuung der Familie durch Hilfskräfte, Fahrt- und Telefonkosten während des stationären Krankenhausaufenthalts sowie weiterer Verdienstausfall.

Die Klägerin geht davon aus, dass die Beklagten Ziffer 1 und 2 grob fahrlässig ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt haben. Wegen des zu erwartenden Personenverkehrs hätte die Trennwand zunächst komplett zerlegt und so gelagert werden müssen, dass sie nicht hätte umstürzen können. Der Beklagte Ziffer 3 habe die Beklagten Ziffer 1 und 2 nicht hinreichend über ihre Verkehrssicherungspflichten unterrichtet bzw. überwacht.

Die Klägerin hat deshalb beantragt,

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 2.530,40 EUR sowie ein Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch 15.338,76 EUR, nebst jeweils 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 22.02.2000.

Die Beklagten haben Klagabweisung beantragt. Sie sehen in ihrem Verhalten keine schuldhafte Pflichtverletzung und berufen sich außerdem auf den Haftungsausschluss gemäß § 106 Abs. 3 SGB VII.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat eine gemeinsame Betriebsstätte der Arbeitgeberin der Klägerin und der Speditionsfirma im Sinne des § 106 Abs.3, 2. Alt. SGB VII angenommen und dies damit begründet, dass die im Rahmen des Umzugs vorgesehenen Tätigkeiten bewusst und gewollt ineinander gegriffen hätten. Die Klägerin sei bei einer mit dem Umzug unmittelbar zusammenhängenden Tätigkeit verletzt worden, als sie in ihrem Büro nachschaute, ob das gesamte Büromaterial verpackt bzw. bereits abtransportiert war.

Gegen das der Klägerin am 04.02.2002 zugestellte Urteil vom 16.12.2001 richtet sich deren am 03.03.2003 eingelegte und mit am 31.03.2003 bei Gericht eingereichtem Schriftsatz begründete Berufung, mit der die Klägerin die Abänderung des erstinstanzlichen Urteils im Sinne des Klagantrags in erster Instanz begehrt. Sie ist der Auffassung, dass das Arbeitsgericht zu Unrecht eine gemeinsame Betri...

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