Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsauslegung (Ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung vor einer Kündigung bei Verringerung der vorgeschriebenen Zahl der Betriebsratsmitglieder nach Betriebsstillegung)

 

Leitsatz (amtlich)

Will der Arbeitgeber nach Stillegung des Betriebes ein Arbeitsverhältnis kündigen, muß er gemäß § 102 Absatz 1 BetrVG vorher diejenigen Betriebsratsmitglieder anhören, deren Arbeitsverhältnis im Zeitpunkt der Anhörung noch besteht, wenn die Arbeitsverhältnisse der übrigen Betriebsratsmitglieder zu diesem Zeitpunkt beendet sind]

 

Normenkette

BGB § 157; BetrVG § 102 Abs. 1, § 22

 

Verfahrensgang

ArbG Stuttgart (Urteil vom 16.11.1995; Aktenzeichen 1 Ca 12008/94)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 09.10.1997; Aktenzeichen 2 AZR 586/96)

 

Tenor

1. Die Berufung des Beklagten gegen dasUrteil desArbeitsgerichts Stuttgart vom16.11.1995 – 1 Ca 12008/94 – wird auf seine Kosten als unbegründet zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Parteien besteht auch im Berufungsverfahren Streit darüber, ob der Beklagte/Berufungskläger, Konkursverwalter in dem am 01.08.1994 eröffneten Konkursverfahren über das Vermögen der Firma… das Anstellungsverhältnis des am … 1939 geborenen, verwitweten Klägers als Vertriebsleiter, das vom 01.10.1972 bis 31.12.1975 und wieder ab dem 01.01.1978 mit der jetzigen Gemeinschuldnerin bestanden hat, nach vorheriger Anhörung des Betriebsrats durch Schreiben vom 28.11.1994 (vgl. Ablichtung Blatt 2 der Akten) aus betriebsbedingten Gründen wirksam ordentlich zum 30.06.1995, jedenfalls aber durch Schreiben vom 27.02.1995 (vgl. Ablichtung Blatt 33 der Akten) außerordentlich mit sozialer Auslauffrist zum 30.09.1995 gekündigt hat.

Mit seiner später erweiterten Klage wendet sich der Kläger, zwischen dem und der jetzigen Gemeinschuldnerin seit 01.01.1978 der Anstellungsvertrag vom 05.12.1977 sowie die Zusatzvereinbarung hierzu vom nämlichen Tage gegolten hat, auf deren Ablichtung (Blatt 27 und 28 der Akten) verwiesen wird, gegen die beiden Kündigungen.

Er hat geltend gemacht: Die ordentliche Kündigung vom 28.11.1994 sei als solche rechtsunwirksam, weil sein Anstellungsverhältnis gemäß § 4.4 des Manteltarifvertrages für die Metallindustrie Nordwürttemberg/Nordbaden, der kraft Vereinbarung in seiner jeweils gültigen Fassung anzuwenden sei, nur aus wichtigem Grunde habe gekündigt werden können. Zudem sei die Betriebsratsanhörung nicht ordnungsgemäß, weil der Beklagte den Betriebsrat nur zu einer ordentlichen Kündigung gehört habe und diese. Anhörung zudem nicht ausreichend gewesen sein. Unwirksam sei die Kündigung auch gemäß § 613 a Abs. 4 BGB, weil der Beklagte zum einen die bisherige Produktion der jetzigen Gemeinschuldnerin samt dem technischen knowhow an die Firma … verkauft habe und diese anfangs in den bisherigen Betriebsräumen der Gemeinschuldnerin mit einem Teil der von ihr übernommenen Belegschaft weiterproduziert habe und weil er zum anderen den bisherigen Vertrieb an die Firma … veräußert habe.

Hinsichtlich der Kündigung vom 27.02.1995 hat der Kläger bestritten, daß der Beklagte zuvor den Betriebsrat angehört hat. Er hat behauptet, das Schreiben vom 27.02.1995 stamme nicht vom Betriebsrat und stelle nicht dessen Stellungnahme dar.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und dem Beklagten als Konkursverwalter über das Vermögen der Firma …

  1. weder durch die ordentliche Kündigung des Beklagten vom 28.11.1994 zum 30.06.1995 noch
  2. durch die außerordentliche Kündigung des Beklagten vom 27.02.1995 zum 30.09.1995 aufgelöst worden ist.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte, der mit dem Betriebsrat unter dem 10.11.1994 einen Interessenausgleich vereinbart hat, auf dessen Ablichtung (Blatt 131 der Akten) wegen der Einzelheiten verwiesen wird, und am 20.01.1995 einen Sozialplan, hat erwidert, da sich kein Interessent gefunden habe, der zu einer vollständigen Obernahme des Betriebes der Gemeinschuldnerin bereit gewesen wäre, habe er sich Anfang November 1994 entschlossen, den Betrieb per Ende Dezember 1994 zu schließen. Er habe deshalb alle Leasingverträge sowie das Mietverhältnis über das Betriebsgrundstück zum 31.12.1994 gekündigt. Wegen der Betriebsschließung habe er die Arbeitsverhältnisse aller zu diesem Zeitpunkt noch bei der Gemeinschuldnerin beschäftigten 45 Mitarbeiter, unter ihnen der Kläger, fristgerecht zum nächstmöglichen Termin gekündigt. Da er den Betriebsrat hierzu durch Schreiben vom 18.11.1994 (vgl. Ablichtung Blatt 19 und 20 der Akten) ordnungsgemäß gehört habe und dieser durch Schreiben vom 25.11.1994 (vgl. Ablichtung Blatt 21 der Akten) hierzu Stellung genommen habe, sei die ordentliche Kündigung des Anstellungsverhältnisses des Klägers durch Schreiben vom 28.11.1994 durch dringende betriebliche Erfordernisse gerechtfertigt. Er hat weiter geltend gemacht, auf § 4.4 des heute geltenden Manteltarifvertrages für die Arbeiter und Angestellten der Metallindustrie Nordwürttembeg/Nordbaden könne sich der Klä...

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