Entscheidungsstichwort (Thema)

Nebentätigkeitsgenehmigung. Nebentätigkeit. Beeinträchtigung dienstlicher Interessen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Es besteht ein Rechtsanspruch auf Genehmigung der Nebentätigkeit, wenn nicht der Versagungsgrund „Besorgnis der Beeinträchtigung dienstlicher Interessen” vorliegt. Dabei sind die dienstlichen Interessen im weitesten Sinne zu begreifen, nämlich soweit sie die auf die dienstliche Stellung des Beamten bezogenen Interessen der jeweiligen Verwaltung betreffen. Eine Interessenbeeinträchtigung muß bei verständiger Würdigung der im Zeitpunkt der Entscheidung erkennbaren Umstände und unter Berücksichtigung der erfahrungsgemäß zu erwartenden Entwicklung wahrscheinlich sein. Danach ist bei der Entscheidung eine Prognose aufzustellen, wobei einerseits die bloße nicht auszuschließende Möglichkeit einer fernliegenden Gefahr der Beeinträchtigung nicht als ausreichend anzusehen ist, andererseits aber auch eine in hohem Maße bestehende Wahrscheinlichkeit einer solchen Beeinträchtigung in absehbarer Zeit nicht erforderlich ist.

2. Es liegt im berechtigten Interesse des Beklagten, dessen Kosten von den Mitgliedern der Arbeitsgemeinschaft gemeinsam und solidarisch durch Umlagen aufgebracht werden, Maßnahmen abzuwehren, die Einfluß auf die Konkurrenzsituation zwischen privaten und gesetzlichen Krankenversicherungen haben könnten. Dieses Interesse des Beklagten wäre durch die Nebentätigkeit des Klägers als Gutachter für die privaten Kranken – und Pflegeversicherungen der Gefahr der Beeinträchtigung ausgesetzt. Entscheidend ist, daß der Kläger durch seine Gutachtertätigkeit den Erfolg und die Attraktivität der privaten Krankenversicherungen fördern könnte. Auf welche konkrete Art. und Weise der Arbeitnehmer den auch im Tätigkeitsfeld seines Arbeitgebers aktiven Konkurrenten durch Nebentätigkeit unterstützt, ist unerheblich, sofern nicht der Nebentätigkeit von vornherein jegliche unterstützende Wirkung abgesprochen werden kann, was nur in Ausnahmefällen anzunehmen sein wird.

 

Normenkette

MDK-T § 7; LBG Baden-Württemberg § 83 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Freiburg i. Br. (Urteil vom 11.11.1999; Aktenzeichen 10 Ca 373/99)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 28.02.2002; Aktenzeichen 6 AZR 33/01)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Freiburg, Ka. Offenburg, vom 11.11.1999 – 10 Ca 373/99 – wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Berufungsverfahren noch darüber, ob der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger eine Nebentätigkeitsgenehmigung auch für die Erstellung von Gutachten für private Kranken- und Pflegeversicherungen zu erteilen.

Der Kläger ist seit 1985 beim Beklagten bzw. dessen Rechtsvorgängerin, der L. tätig. Auf den zugrundeliegenden Arbeitsvertrag vom 03. Juli 1985 (ABl 10) in Verbindung mit dem ergänzenden Arbeitsvertrag vom 07. Juli 1987 (ABl 11 u. 12) wird Bezug genommen. In dem Nachtrag vom 30. Juni 1992 (ABl 13) zum Arbeitsvertrag vom 07. Juli 1987 heißt es:

Für das Arbeitsverhältnis gelten der Manteltarifvertrag für die Beschäftigten der Medizinischen Dienste der Krankenversicherung (MDK) und des Medizinischen Dienstes der Spitzenverbände der Krankenkassen (MDS) – MDK – T. vom 15. Oktober 1991 und die zur Änderung oder Ergänzung abgeschlossenen Tarifverträge und sonstigen tariflichen Vereinbarungen …

In § 7 MDK-T heißt es:

Für die Nebentätigkeiten der Beschäftigten gilt das jeweilige Landes- bzw. Bundesrecht.

In § 83 Abs. 2 Satz 1 LBG (Baden-Württemberg) heißt es:

Die Genehmigung ist zu versagen, wenn zu besorgen ist, daß durch die Nebentätigkeit dienstliche Interessen beeinträchtigt werden. …

Auf die Dienstanweisung des Beklagten über die Nebentätigkeit der Ärzte des MDK Baden-Württemberg vom 19.12.1990 (ABl 20–28) in Verbindung mit der Änderung der Dienstanweisung vom 01.01.1992 (ABl 29) wird Bezug genommen.

Der Beklagte ist der organisatorisch selbständige sozialmedizinische Betreuungs- und Begutachtungsdienst der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherungen. Zu diesem Zweck haben die Landesverbände der Krankenkassen, die Verbände der Ersatzkassen und die landwirtschaftlichen Krankenkassen eine Arbeitsgemeinschaft „Medizinischer Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg” (MDK) gebildet. Der Beklagte ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts und hat seine Service-Leistungen ausschließlich für die gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherungen zu erbringen. Die zur Finanzierung der Aufgaben des Beklagten erforderlichen Mittel werden von den Mitgliedern der Arbeitsgemeinschaft gemeinsam und solidarisch durch Umlagen aufgebracht. Somit tragen die gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen in Baden-Württemberg gemeinsam alle Kosten, die für den Beklagten entstehen.

Unter dem 14.05.1986 war dem Kläger von der Landesversicherungsanstalt Württemberg – Abt. Krankenversicherung – eine Nebentätigkeitsgenehmigung erteilt worden (vgl. ABl 14). Dort heißt es u. a.:

Betr.: Genehm...

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