Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragliche Reisekostenpauschale. Einseitige Umstellung auf Einzelabrechnung ohne Änderungskündigung konkludentes Widerrufsrechts-Verhältnis der vertraglichen Pauschale zur tariflichen Regelung. Widerrufsvorbehalt, konkludenter

 

Leitsatz (redaktionell)

In einer arbeitsvertraglichen Abrede, wonach Reisekosten pauschal abgerechnet und bezahlt werden, kann ein stillschweigender Widerrufsvorbehalt enthalten sein (im Anschluss an BAG, Urteil vom 23.11.2000 – 2 AZR 547/99).

Ein solcher stillschweigender Widerrufsvorbehalt muss im Falle eines Formulararbeitsvertrags den formellen Anforderungen der §§ 308 Nr. 4, 307 BGB gerecht werden, das heißt „klar und verständlich” im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB sein und die Angemessenheit und Zumutbarkeit des konkludenten Widerrufsrechts erkennen lassen (im Anschluss an BAG, Urteil vom 12.01.2005 – 5 AZR 364/04).

 

Normenkette

Manteltarifvertrag für das Versicherungsgewerbe § 20; BGB §§ 133, 157, 308 Nr. 4

 

Verfahrensgang

ArbG Freiburg i. Br. (Urteil vom 16.11.2004; Aktenzeichen 4 Ca 365/04)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Freiburg vom 16.11.2004 – 4 Ca 365/04 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte berechtigt ist, von der pauschalen Reisekostenerstattung auf Einzelabrechnung umzustellen.

Der am 21.02.1952 geborene, ordentlich unkündbare Kläger ist seit 01.07.1974 bei der Beklagten, einem Unternehmen der Versicherungswirtschaft, im Außendienst beschäftigt. Er ist als Arbeitnehmer im ungefähr 10.000 Arbeitnehmer umfassenden Außendienst der Beklagten in deren Niederlassung in F tätig. Im Arbeitsvertrag der Parteien vom 09.07.1974 heißt es auszugsweise wie folgt:

„Die beiderseitigen Rechte und Pflichten ergeben sich aus diesem Vertrag einschließlich der beigefügten Anlagen, aus dem Tarifvertrag für das private Versicherungsgewerbe (Teile I, III und IV) und aus den gesetzlichen Bestimmungen…”

Nach der Unterschriftenzeile im Arbeitsvertrag sind die „beigefügten Anlagen” namentlich aufgelistet. Die in Bezug genommene „Allgemeine Vertragsbestimmungen für Außendienstangestellte” lautet unter 2.5 Reisekostenpauschale wie folgt:

„2.5.1 Auszahlung der Reisekostenpauschale

Die Zahlung der Reisekostenpauschale erfolgt zusammen mit den Bezügen des laufenden Monats.

2.5.2 Kürzung der Reisekostenpauschale bei Ausfalltagen

Auf die Reisekostenpauschale hat der / die Außendienstangestellte nur dann in voller Höhe Anspruch, wenn die Reisetätigkeit nicht durch Ausfalltage eingeschränkt wurde. Ausfalltage sind Tage, an denen der / die Außendienstangestellte keine Außendiensttätigkeit ausgeübt hat, z. B. wegen der nachstehend aufgeführten Gründe:

  • Erholungsurlaub
  • außerordentlicher Urlaub
  • Krankheit
  • Reisesperre (im Kündigungsfall)
  • Wehrübungen u. Ä.
  • ganztägige Bürotätigkeit z. B. in einem Geschäftshaus der Gesellschaft
  • mehrtägige Schulungsveranstaltungen und Tagungen.

Bei mehrtägigen Schulungsveranstaltungen und Tagungen bleibt ein Tag von der Kürzung ausgenommen. In die vorstehenden Ausfallzeiten fallende Samstage bleiben bei der Kürzung unberücksichtigt. Ausgefallene Reisetage sind der Geschäftsstelle nach Ablauf eines Kalendermonats, spätestens bis zum dritten des Folgemonats, mit dem Formular VALLG4420Z0 zu melden.

Für jeden Ausfalltag kürzt die Gesellschaft im darauf folgenden Monat 1/22 der Reisekostenpauschale.

2.5.3 Umfang der mit der Reisekostenpauschale abgegoltenen Ausgaben Mit der Zahlung der Reisekostenpauschale werden alle durch Dienstreisen verursachten Ausgaben abgegolten (auch sonstige Kosten, wie z. B. für die Gepäckbeförderung und -aufbewahrung, Parkgebühren u.ä. sowie Aufwendungen für Schäden, die am Kraftfahrzeug entstehen, und Haftpflicht-, Kasko- und Reisegepäck-Versicherungsbeiträge). Ferner sind alle im Geschäftsinteresse aufgewendeten Kosten für Porto und Telefongespräche mit dieser Pauschale abgegolten.

2.5.4 Änderung der Reisekostenpauschale Bei Änderung der Dienststellung und / oder des Arbeitsgebietes wird die Reisekostenpauschale neu festgesetzt. Ab der siebten Krankheitswoche und für volle Monate der Reisesperre entfällt die Reisekostenpauschale.”

Die Beklagte zahlte an den Kläger von Beginn des Arbeitsverhältnisses an zur Abgeltung aller im Zusammenhang mit der Reisetätigkeit entstandenen Kosten eine monatliche Pauschale. Die Pauschale ist steuer- und sozialversicherungspflichtiges Entgelt, das sich beim Kläger, der die Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht überschreitet, rentenerhöhend auswirkt. Mit Wirkung zum 01.01.2003 änderte die Beklagte 2.5.2 der Reisekostenpauschale dahin, dass letztere Pauschale um 2/12 gekürzt wurde, aber keine weiteren Kürzungen wegen Erholungsurlaub, Schulungsveranstaltungen und Tagungen, Krankheit bis zu fünf Arbeitstagen im Kalenderjahr und Bürotätigkeit auf der Geschäftsstelle mehr vorgenommen werden.

Jahr für Jahr erhielt der Kläger von der Beklagten einen Nachtr...

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