Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsbedingte Änderungskündigung. Gehaltsreduzierung nach Umstrukturierung eines Einzelhandelsunternehmens. Unternehmerentscheidung. Änderungsangebot

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Bei einer betriebsbedingten Änderungskündigung ist das Änderungsangebot des Arbeitgebers daran zu messen, ob dringende betriebliche Erfordernisse gem. § 1 Abs. 2 KSchG das Änderungsangebot bedingen und ob der Arbeitgeber sich bei einem an sich anerkennenswerten Anlass zur Änderungskündigung darauf beschränkt hat, nur solche Änderungen vorzuschlagen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss.

2. Bietet der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer nach betrieblichen Umstrukturierungsmaßnahmen eine gleichwertige Tätigkeit zu einem geringeren Gehalt an, so kann er sich nicht allein darauf berufen, einen neuen Arbeitsplatz geschaffen zu haben, den er aufgrund seiner unternehmerischen Freiheit neu dotieren dürfe. Für das Vertragsverhältnis der Parteien ist nicht entscheidend, ob der nunmehr verfügbare Arbeitsplatz neu ist, maßgeblich ist vielmehr die Gleichwertigkeit gegenüber der bisherigen Tätigkeit.

 

Normenkette

KSchG §§ 2, 1 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Mannheim (Urteil vom 10.10.2003; Aktenzeichen 10 Ca 315/03)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 23.06.2005; Aktenzeichen 2 AZR 9/05)

 

Tenor

I.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mannheim/HD vom 10.10.2003 – 10 Ca 315/03 – wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

II.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer von der Beklagten mit Schreiben vom 19.04.2003 ausgesprochenen Änderungskündigung, die zum 30.11.2003 wirksam werden soll.

Die Beklagte ist ein Einzelhandelsunternehmen, welches bundesweit Handel mit Unterhaltungselektronik, sogenannter weißer Ware, Computern sowie Artikeln der Tele- und Bürokommunikation, Foto u. dgl. betreibt und zu diesem Zweck mehr als 90 Verkaufsfilialen errichtet hat.

Die Klägerin, geboren am 03.05.1954, ist seit dem 01.06.1982 bei der Beklagten – bzw. ihrer Rechtsvorgängerin –, in der Filiale H. – P. beschäftigt, zuletzt als Assistentin der Marktleitung. Insoweit gingen die Parteien von einer Eingruppierung in Beschäftigungsgruppe III/6 des fachlich einschlägigen Tarifvertrages über die Gehälter, Löhne, Ausbildungsvergütungen und Sozialzulagen im Einzelhandel in Baden-Württemberg aus (vgl. hierzu Schreiben der Beklagten „Vertragsänderung” vom 18.10.2002, ABl. 57 f). Bei Kündigungsausspruch betrug das Monatsentgelt der Klägerin EUR 2.260,00 brutto. Die Parteien haben die Geltung der fachlich und räumlich einschlägigen Tarifverträge vereinbart (vgl. Arbeitsvertrag vom 08.10.1998, Abl. 60).

Mit Schreiben vom 19.04.2003, welchem ein Entwurf für einen geänderten Arbeitsvertrag beigefügt war, sprach die Beklagte die in Streit stehende, auf betriebliche Gründe gestützte Kündigung zum 30.11.2003 aus. Das der Klägerin unterbreitete Änderungsangebot betrifft eine Tätigkeit als „Verkäuferin mit Kassentätigkeit” bei einem Monatsentgelt i. H. von EUR 1.650,00 brutto.

Hintergrund der in Streit stehenden Änderungkündigung ist eine von der Beklagten bundesweit initiierte Umgestaltung ihrer Verkaufsfilialen. Diese sollten vom Facheinzelhandel in reine Abverkaufsstellen umfunktioniert werden. Dem Kunden sollte ein – überdies deutlich reduziertes – Warensortiment zum Kauf ohne fachliche Beratung angeboten werden. Dieses Konzept sah in personeller Hinsicht vor, dass eine Verkaufsfiliale nur noch mit einem Marktleiter und einer (reduzierten) Anzahl von nachgeordneten Kräften besetzt sein sollte. Letztere sollten sämtliche anfallenden Funktionen im Bereich der Kassentätigkeit, der Pflege und des Nachfüllens der Ware, der Entgegennahme von Reklamationen sowie der Lagertätigkeit wahrnehmen. Zum Zwecke der Durchsetzung dieses Konzepts hatte die Beklagte mit dem jeweils zuständigen Betriebsrat, so auch mit dem für die Filiale H. – P. zuständigen Betriebsrat, einen Interessenausgleich abgeschlossen (vgl. Vereinbarung vom 13.02.2003, Vor Abl. 8 ff).

Das der Klägerin gemachte Änderungsangebot entspricht demjenigen, welches, nach Maßgabe der mit dem Betriebsrat getroffenen Vereinbarung vom 13.02.2003, sämtlichen zum Verbleib als „Verkäufer/in mit Kassentätigkeit” in einer umzugestaltenden Filiale vorgesehenen Arbeitnehmern unterbreitet worden ist.

Die Klägerin hat dieses Änderungsangebot nicht, auch nicht unter Vorbehalt, angenommen. Sie hat bereits beim Arbeitsgericht im Wesentlichen die Sozialwidrigkeit der Änderungskündigung geltend gemacht. Die Klägerin bestreitet, dass ihre Tätigkeit als Assistentin der Marktleitung der Filiale H. – P. infolge einer Umgestaltung der Filiale in einen Abverkaufsmarkt entfallen sei.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 19.04.2003 nicht aufgelöst sei. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, die Beklagte habe nicht schlüssig dargetan, dass der Tätigkeit...

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