Entscheidungsstichwort (Thema)

Dauerhafte verdeckte Arbeitnehmerüberlassung unter Ausnutzung einer unbeschränkten Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung. Unbegründete Feststellungsklage eines Leiharbeitnehmers zum Bestand eines Arbeitsverhältnisses mit der Entleiherin

 

Leitsatz (amtlich)

1) Bis zu einer gesetzlichen Neuregelung hindert der Besitz der nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG erforderlichen Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis eine unmittelbare Anwendung des § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG, wenn der Einsatz des Arbeitnehmers bei einem Dritten entgegen § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG nicht nur vorübergehend erfolgt. Dasselbe gilt, wenn die Arbeitnehmerüberlassung im Rahmen eines sogenannten Scheinwerk- oder Scheindienstvertrags erfolgt.

2) Eine analoge Anwendung des § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG kommt bei einer dauerhaften verdeckten Arbeitnehmerüberlassung nicht in Betracht.

3) Das Vortäuschen eines Werkvertrags und der damit verbundenen Verschleierung einer objektiv vorliegenden verdeckten Arbeitnehmerüberlassung führt (nur) dazu, dass dem betroffenen Arbeitnehmer nicht diejenigen Rechte vorenthalten werden, die ihm zugestanden hätten, wäre er öfter als Leiharbeitnehmer mit Überlassungserlaubnis eingesetzt worden. Deshalb kann sich der Entleiher trotz eines rechtsmissbräuchlichen Vorverhaltens auf die Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis berufen (wie LAG Baden-Württemberg 18. Dezember 2014 - 3 Sa 33/14 -).

 

Normenkette

AÜG § 1 Abs. 1 Sätze 1-2, § 10 Abs. 1 S. 1; BGB §§ 242, 611 Abs. 1; ZPO § 256 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Stuttgart (Entscheidung vom 22.10.2014; Aktenzeichen 14 Ca 613/14)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 12.07.2016; Aktenzeichen 9 AZR 595/15)

 

Tenor

  1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 22.10.2014 - Az: 14 Ca 613/14 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
  2. Die Revision wird für den Kläger zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis besteht und die Beklagte in Folge dessen verpflichtet ist, den Kläger als technischen Zeichner zu beschäftigen.

Der 1974 geborene, verheiratete und zwei Kindern gegenüber unterhaltsverpflichtende Kläger war ab 10. Mai 2010 auf der Grundlage des zwischen ihm und der Firma I. (im Weiteren: I. ) unter dem Datum 4. Mai 2010 abgeschlossenen schriftlichen Arbeitsvertrags, bezüglich dessen Einzelheiten vollinhaltlich auf Bl. 4-10 der Akten-Arbeitsgericht verwiesen wird, als technischer Zeichner bei der Beklagten in deren Werk in S. in deren dortigen Betriebsräumen tätig. Der Kläger erhielt von der I. für diese Tätigkeiten monatlich zuletzt eine durchschnittliche Vergütung in Höhe von 3.612,90 € brutto auf der Grundlage der vereinbarten arbeitsvertraglichen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden. Grundlage des Einsatzes des Klägers bei der Beklagten waren mehrere zwischen der Beklagten und der I. abgeschlossenen Verträge über die Erbringung von CAD-Konstrukteurleistungen. Bezüglich der Einzelheiten dieser Verträge wird vollinhaltlich auf die von der Beklagten als Anlage B 1 zum Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 16. Juli 2014 vorgelegten Kopien von Angeboten und Einkaufsabschlüssen (Bl. 40-79 der Akten-Arbeitsgericht) verwiesen. Die Hauptaufgaben des Klägers bestanden im Rahmen seiner Tätigkeit bei der Beklagten in der Erstellung von Detailkonstruktionen für Konzept- und Bauraumuntersuchungen für Bauteile der AdBlue-Tankkonstruktionen für die Lkw-Sparte der Beklagten. Nach dem 31. Dezember 2013 wurde der Kläger bei der Beklagten von der I. nicht mehr eingesetzt, nachdem zwischen der Beklagten und der I. nach dem 31. Dezember 2013 keine Verträge mehr abgeschlossen worden waren. Im Hinblick darauf hatte die I. ihr Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 31. Dezember 2013 gekündigt. Im Rahmen der vom Kläger gegen diese Kündigung erhobenen Kündigungsschutzklage einigten der Kläger und die I. sich auf ein Ende ihres Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 2013.

Die Firma I. verfügt seit 9. Mai 1995 über eine Erlaubnis des Landesarbeitsamts Baden-Württemberg zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung, die ihr vom Landesarbeitsamt mit Bescheid 22. April 1998, bezüglich dessen Einzelheiten vollinhaltlich auf Bl. 80 der Akten-Arbeitsgericht verwiesen wird, ab 9. Mai 1995 unbefristet verlängert wurde. Bis jedenfalls einschließlich 31. Dezember 2013 verfügte die I. auch noch über diese Erlaubnis.

Hinsichtlich des erstinstanzlich streitigen Vorbringens der Parteien wird gem. den §§ 69 Abs. 3 Satz 2 ArbGG auf den nicht angegriffenen Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts vom 22. Oktober 2014 (Seiten 2 und 3 des Urteils, Bl. 112, 113 der Akten-Arbeitsgericht) verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat die Anträge des Klägers,

  1. festzustellen, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis besteht,
  2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger als technischen Zeichner mit den Aufgaben CAD-Konstruktion, Detaillierung und Archivierung entsprechend seiner bisherigen Tätigkeit in der Lkw-Entwicklung, Abteilung TP/ESW zu beschäftigen,

vollumfänglich abgewi...

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