Entscheidungsstichwort (Thema)

Eingruppierung einer Ergotherapeutin im Altenpflegeheim

 

Leitsatz (redaktionell)

1. "Arbeitstherapeutin" ist eine frühere Berufsbezeichnung der Ergotherapeuten, die der aktuellen Berufsbezeichnung "Ergotherapeutin" gleichzusetzen ist.

2. Als Ergotherapeutin bewältigt die Arbeitnehmerin in nicht unerheblichem Umfang schwierige Aufgaben, wenn sie Beschäftigungstherapien in der Geriatrie durchführt.

3. Wohnbereiche eines Altenpflegeheims mit überwiegend kranken, alten Menschen fallen unter den Begriff der Geriatrie; dabei kommt es nicht darauf an, ob diese als geriatrischer Wohnbereich oder geriatrische Station bezeichnet werden.

4. Das Regelbeispiel "Beschäftigungstherapie in der Geriatrie" erfordert nicht, dass die Beschäftigungstherapie der Ergotherapeutin Bestandteil einer ärztlich verordneten Heilbehandlung ist.

 

Normenkette

BGB § 611 Abs. 1; TV-L § 12 Abs. 1, § 37 Abs. 1; ZPO § 138 Abs. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Mannheim (Entscheidung vom 14.05.2013; Aktenzeichen 4 Ca 4/13)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 06.07.2016; Aktenzeichen 4 AZR 91/14)

 

Tenor

  • 1.

    Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mannheim vom 14.05.2013 (4 Ca 4/13) abgeändert.

  • 2.

    Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.243,72 Euro brutto zu zahlen.

  • 3.

    Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin ab dem 01.07.2013 ein Entgelt der TV-L Entgeltgruppe 8, Stufe 3 zu zahlen.

  • 4.

    Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

  • 5.

    Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin verlangt von dem Beklagten, ihr nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) ein Entgelt der Entgeltgruppe 8, Stufe 3 statt wie bisher ein Entgelt der Entgeltgruppe 6, Stufe 3 zu zahlen. Für den Zeitraum 01.04.2012 bis 30.06.2013 macht sie rückständige Differenzbeträge (für April und Mai der Stufe 2) in Höhe von insgesamt 2.243,72 Euro brutto geltend.

Die Klägerin wurde am 28.05.1965 geboren. Im Jahr 1999 schloss sie erfolgreich ihre Ausbildung zur staatlich anerkannten Arbeitserzieherin ab. Das Arbeitsverhältnis der Parteien besteht seit dem 01.09.2006. Die letzten maßgebenden Arbeitsverträge datieren vom 04.06.2009 (Anlage K 5 zur Klagschrift, Prozessakte des Arbeitsgerichts (im Folgenden: Arb), Bl. 26) und vom 13.07.2010 (Anlage K 6 zur Klagschrift, Arb Bl. 29). Die Wochenarbeitszeit der Klägerin beträgt 30 Stunden.

Der Beklagte wendet auf seine Arbeitsverhältnisse den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder an. § 4 des Arbeitsvertrags der Parteien vom 04.06.2009 legt bezüglich der Entgeltbedingungen Folgendes fest:

"Frau K.ist gem. §§ 12, 13 TV-L in der Entgeltgruppe 6, ES 1 eingruppiert. Diese Eingruppierung ist vorläufig. Mit dem Inkrafttreten einer neuen, kraft Gesetzes für den Arbeitgeber verbindlichen, tarifvertraglichen Entgeltordnung wird die Eingruppierung mit Wirkung für die Zukunft gem. dieser neuen Entgeltordnung geändert. Bis zum Inkrafttreten einer neuen, für den Arbeitgeber kraft Gesetzes verbindlichen, tarifvertraglichen Entgeltordnung sind alle Eingruppierungen nur vorläufig und begründen keinen Vertrauensschutz und keinen Besitzstand."

Die Klägerin ist für den Beklagten als Ergotherapeutin tätig. Die seit 01.01.2012 gültige Entgeltordnung zum TV-L (Anlage A) stellt in Teil II (Tätigkeitsmerkmale für bestimme Beschäftigungsgruppen) unter 10.5 (Ergotherapeuten) folgende Anforderungen an die Vergütung der Ergotherapeuten:

- Entgeltgruppe 6:

"Ergotherapeuten mit entsprechender Tätigkeit."

- Entgeltgruppe 8:

"Ergotherapeuten mit entsprechender Tätigkeit, die in nicht unerheblichem Umfange schwierige Aufgaben erfüllen. (Hierzu Protokollerklärungen Nrn. 1 und 2)"

- Protokollerklärungen:

"1. Schwierige Aufgaben sind z. B. Beschäftigungstherapie bei Querschnittslähmun- gen, in Kinderlähmungsfällen, mit spastisch Gelähmten, in Fällen von Dysmelien, in der Psychiatrie oder Geriatrie.

2. Der Umfang der schwierigen Aufgaben bzw. der Tätigkeiten ist nicht mehr uner heblich, wenn er etwa 1/4 der gesamten Tätigkeit ausmacht."

Seit dem 22.06.2009 arbeitet die Klägerin für den Beklagten als Arbeitstherapeutin in der Beschäftigungstherapie (§ 1 des Arbeitsvertrags vom 04.06.2009). Seit dem 01.10.2010 versorgt sie insbesondere die Bewohner zweier Wohnbereiche des Samariterhauses ergotherapeutisch. Das Samariterhaus ist eine Altenpflegeeinrichtung des Beklagten. Neben Einzeltherapien (Einzelbeschäftigungen, Spaziergängen, Aktivierungen) werden von der Klägerin die folgenden Gruppenarbeiten durchgeführt, an denen auch die Bewohner der anderen Wohnbereiche teilnehmen:

- Esstraining (4 Stunden wöchentlich)

- Bewegungstherapie (1,5 Stunden wöchentlich)

- Sturzprophylaxe (3 Stunden wöchentlich)

- Kochgruppe (3,5 Stunden wöchentlich)

- Tischgespräche (1,5 Stunden wöchentlich)

- Spielenachmittag (1,5 Stunden wöchentlich)

- Backen (2 Stunden wöchentlich)

- Zeitungsrunde (1,5 Stunden wöchentlich).

Im April und Mai 2012 erhielt die Klägerin vom Beklagten ein Entgelt der Entgeltgruppe 6, Stufe 2. D...

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