Entscheidungsstichwort (Thema)

Regelungskompetenz der Tarifvertragsparteien. Keine Billigkeitskontrolle tariflicher Regelungen. Gestaltungsspielraum der Tarifvertragsparteien

 

Leitsatz (amtlich)

Die in einem Haustarifvertrag vorgesehene befristete Übertragung von Führungspositionen unterliegt nicht der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB. Es ist lediglich zu prüfen, ob die Tarifvertragsparteien von ihrer Regelungsbefugnis unverhältnismäßig Gebrauch gemacht haben.

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Übertragung von Führungspositionen auf Zeit ist grundsätzlich von der Regelungskompetenz der Tarifvertragsparteien gedeckt. Wenn die Tarifvertragsparteien bereits die sachgrundlose Befristung von Arbeitsverträgen als solche regeln dürfen (§ 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG), so gilt dies erst recht für die Befristung von einzelnen Vertragsbedingungen.

2. Im Gegensatz zur individualrechtlichen Befristung einzelner Arbeitsvertragsbedingungen unterliegen tarifliche Regelungen gem. § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB nicht der Inhalts- und Billigkeitskontrolle des § 307 Abs. 1 BGB.

3. Die Tarifvertragsparteien haben einen weiten Gestaltungsspielraum hinsichtlich der inhaltlichen Gestaltung von tariflichen Regelungen. Sie sind nicht verpflichtet, die jeweils zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung zu wählen. Es genügt, wenn für die getroffene Regelung ein vertretbarer Grund besteht.

 

Normenkette

GG Art. 5 Abs. 1 S. 2; TzBfG § 14 Abs. 1, 2 S. 3; BGB §§ 151, 307 Abs. 1, § 310 Abs. 4 S. 1; TVöD § 32

 

Verfahrensgang

ArbG Stuttgart (Entscheidung vom 25.10.2021; Aktenzeichen 7 Ca 4137/21)

 

Tenor

  • I.

    Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 25. Oktober 2021 - 7 Ca 4137/21 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

    1. Es wird festgestellt, dass die zwischen den Parteien getroffene Vereinbarung, dass der Kläger pro Jahr ein Filmprojekt in der Größenordnung eines Fernsehspiels als Autor und Regisseur realisieren kann und hierfür die Beklagte einen Etat in Höhe von 1,8 Mio. Euro zur Verfügung stellt oder der Kläger alle zwei Jahre ein größeres Projekt als Autor und Regisseur realisieren kann und die Beklagte hierfür einen Etat von 3,6 Mio. Euro zur Verfügung stellt, nicht aufgrund einer Befristung mit Ablauf des 31. Juli 2019 geendet hat.
    2. Im Übrigen wird die Klage, soweit die Anträge nicht abgetrennt wurden, abgewiesen.
  • II.

    Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

  • III.

    Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 25. Oktober 2021 - 7 Ca 4137/21 - wird zurückgewiesen.

  • IV.

    Die Kosten erster Instanz tragen der Kläger zu 70 % und die Beklagte zu 30 %. Die Kosten der Berufung tragen der Kläger zu 48 % und die Beklagte zu 52 %.

  • V.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Wesentlichen darüber, ob die befristete Übertragung einer Abteilungsleiterfunktion wirksam ist und der Kläger Anspruch auf die Realisierung von größeren Filmprojekten hat.

Der am 00.00.1959 geborene Kläger ist seit dem 1. Dezember 1993 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin als Redakteur beschäftigt. Zuvor, ab dem 7. Januar 1986, war er als freier Mitarbeiter für die Beklagte tätig. Dem Arbeitsverhältnis liegt ein unbefristeter Arbeitsvertrag vom 13. Juli 1999 zugrunde (Anlage K 1). Hiernach wurde der Kläger ab dem

1.Oktober 1998 als Leitender Redakteur beschäftigt. Er erhielt eine monatliche Grundvergütung nach der Vergütungsgruppe 13 Stufe d. Nach § 2 des Arbeitsvertrags finden auf das Arbeitsverhältnis die für den Südwestrundfunk geltenden Tarifverträge in der jeweils gültigen Fassung Anwendung.

Aufgrund einer Ergänzungsvereinbarung ebenfalls vom 13. Juli 1999 (Anlage K 2) wurde der Kläger befristet vom 1. Juli 1999 bis 30. Juni 2001 als Redaktionsleiter des "Tigerenten-Mitmach-Clubs" beschäftigt. Mit Vereinbarung vom 15. Januar 2001 (Anlage K 3) wurde diese Beschäftigung bis zum 30. Juni 2006 und im weiteren Verlauf durch Vereinbarung vom 24. März 2006 (Anlage K 4) bis zum 30. Juni 2011 verlängert.

Im Haus der Beklagten bestand im Zeitpunkt der Ergänzungsvereinbarungen ein "Tarifvertrag zur befristeten Übertragung von Leitungsfunktionen" vom 20. Oktober 1998 (Anlage B 1). Dieser Tarifvertrag lautet auszugsweise wie folgt:

"1. Leitungsfunktionen sind Funktionen, die den Vergütungsgruppen 13 und 14 der Vergütungstabelle (...) zugeordnet sind ... .

2. Die befristete Übertragung einer Leitungsfunktion setzt voraus, dass gleichzeitig ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht oder abgeschlossen wird.

Das unbefristete Arbeitsverhältnis muss bei Leitungsfunktionen, die den Vergütungsgruppen 13 und 14 zugeordnet sind, mindestens in Vergütungsgruppe 12 ... bestehen oder abgeschlossen werden.

...

3. Die erstmalige Befristung soll mindestens drei Jahre, die weiteren Befristungen sollen jeweils mindestens fünf Jahre betragen.

...

4. Spätestens sechs Monate vor Ablauf der Befristung findet eine Verständigung mit dem/der Arbeitnehmer(in) über die Verlängerung der Übertragung statt. Im Fal...

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