Entscheidungsstichwort (Thema)

Unwirksame Vertragsstrafenklausel bei unangemessener Übersicherung der Arbeitgeberin für den Fall fristwidriger Kündigung während der Probezeit

 

Leitsatz (redaktionell)

1. In formularmäßigen Arbeitsverträgen sind Vertragsstrafenabreden aufgrund angemessener Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten nach § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB grundsätzlich wirksam; zum Schutz der Beschäftigten ist jedoch ein strenger Maßstab anzulegen.

2. Eine Vertragsstrafenklausel genügt dem Bestimmtheitsgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB nur dann, wenn sie im Rahmen des rechtlich und tatsächlich Zumutbaren die Rechte und Pflichten der Arbeitnehmerin so klar und genau wie möglich beschreibt; enthält eine Klausel vermeidbare Unklarheiten und Spielräume, verletzt sie das Bestimmtheitsgebot.

3. Werden mit der Tatbestands- und Rechtsfolgenseite einer Vertragsstrafenklausel abweichende Fallgestaltungen erfasst und genügt die Klausel aufgrund dieser Vertragsgestaltung hinsichtlich des Auslösens der Vertragsstrafe "klar und eindeutig" nur dann dem Bestimmtheitsgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, wenn die Arbeitnehmerin bei Auflösung ihres Probearbeitsverhältnisses ohne Einhaltung der zweiwöchigen Kündigungsfrist eine Vertragsstrafe in Höhe eines Bruttomonatsverdienstes zu zahlen hat, führt diese unangemessene Übersicherung der Arbeitgeberin zur Unwirksamkeit der Klausel.

 

Normenkette

BGB § 307 Abs. 1 S. 2, § 309 Nr. 6, § 310 Abs. 4 S. 2, § 611 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Freiburg i. Br. (Entscheidung vom 20.03.2014; Aktenzeichen 13 Ca 313/13)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 17.03.2016; Aktenzeichen 8 AZR 665/14)

 

Tenor

  1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Freiburg - Kammern Villingen-Schwenningen - vom 20.03.2014, Az. 13 Ca 313/13 wird auf Kosten der Klägerin verworfen.
  2. Die Revision wird zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Berufungsverfahren noch um die Wirksamkeit einer Vertragsstrafenvereinbarung.

Die Beklagte war bei der Klägerin in der Zeit vom 01.06.2013 bis 28.06.2013 auf Basis des Arbeitsvertrages vom 29.04.2013 (ABl. 8 ff. der erstinstanzlichen Akte) zu einem vereinbarten Bruttomonatsverdienst von 2.100,00 € als "Mitarbeiterin Einzelhandel" beschäftigt. Sie beendete das Arbeitsverhältnis durch außerordentliche Eigenkündigung vom 28.06.2013 innerhalb der vereinbarten Probezeit. Der Arbeitsvertrag enthält in § 12 folgende Regelung:

§ 12 Vertragsstrafe

Nimmt der Mitarbeiter die Arbeit nicht oder verspätet auf, löst er das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung der maßgeblichen Kündigungsfrist auf, verweigert er vorübergehend die Arbeit oder wird das Unternehmen durch vertragswidriges Verhalten des Mitarbeiters zur außerordentlichen Kündigung veranlasst, so hat der Mitarbeiter an das Unternehmen eine Vertragsstrafe zu bezahlen.

Als Vertragsstrafe wird für den Fall der verspäteten Arbeitsaufnahme sowie der vorübergehenden Arbeitsverweigerung ein Bruttotagesentgelt für jeden Tag der Zuwiderhandlung vereinbart, insgesamt jedoch nicht mehr als das in der gesetzlichen Mindestkündigungsfrist ansonsten erhaltene Arbeitsentgelt. Im Übrigen beträgt die Vertragsstrafe ein Bruttomonatsentgelt.

Mit ihrer beim Arbeitsgericht Freiburg - Kammern Villingen-Schwenningen - eingereichten Klage hat die Klägerin soweit für die Berufung noch von Interesse, die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung einer Vertragsstrafe von 1.358,00 € nebst Zinsen an sie beantragt und vorgetragen, die Beklagte habe keinen wichtigen Grund zur fristlosen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gehabt und deshalb das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung der maßgeblichen Kündigungsfrist aufgelöst. In der vereinbarten Probezeit habe die Kündigungsfrist 14 Tage betragen. Folglich sei die Beklagte verpflichtet, ihr als Vertragsstrafe für jeden Tag der nicht eingehaltenen Kündigungsfrist ein Bruttotagesentgelt zu zahlen. Unter Zugrundelegung der vereinbarten Monatsvergütung von 2.100,00 € betrage die Vergütung für einen Tag 97,00 € (2.100,00 € : 21,65 Arbeitstage). Multipliziert mit der nicht eingehaltenen Kündigungsfrist von 14 Tagen ergebe sich eine Vertragsstrafe von 1.358,00 €.

Die Beklagte hat vor dem Arbeitsgericht Klagabweisung beantragt und vorgetragen, die Vertragsstrafenregelung sei unwirksam.

Mit Urteil vom 20.03.2014 - 13 Ca 313/13 - hat das Arbeitsgericht Freiburg - Kammern Villingen-Schwenningen - die Klage, soweit für die Berufung von Relevanz abgewiesen und ausgeführt, die Vertragsstrafenregelung in § 12 des Arbeitsvertrages sei unwirksam, da sie die Beklagte entgegen Treu und Glauben unangemessen benachteilige, § 307 Abs. 1 BGB. Es handle sich bei dem von der Klägerin vorformulierten schriftlichen Arbeitsvertrag um allgemeine Geschäftsbedingungen, weshalb §§ 305 ff. BGB anzuwenden seien. Unangemessen sei jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses des Arbeitnehmers, die nicht durch begründete und billigenswerte Interessen des Arbeitnehmers gerechtfertigt sei oder durch gleichwertige Vorteile ausgegli...

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