Verfahrensgang

ArbG Mannheim (Urteil vom 12.04.1995; Aktenzeichen 8 Ca 16/95)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen dasUrteil desArbeitsgerichts Mannheim – Kammern Heidelberg – vom12.04.1995 – Az.: 8 Ca 16/95 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger ist seit dem 01. Januar 1979 bei der Beklagten beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden aufgrund beiderseitiger Tarifbindung die Tarifverträge für die Metallindustrie in Nord-Württemberg Nord-Baden Anwendung. Bis zum 30. Juni 1994 war der Kläger als Werkmeister in der Abteilung Messerabzieherei beschäftigt und in die Gehaltsgruppe M 4 der Anlag 5 zu § 4 des Lohn- und Gehaltsrahmentarifvertrages I (LGRTV I) eingruppiert Die Vergütung betrug zuletzt DM 5.726,– brutto.

Mit Schreiben vom 21. Juni 1994 teilte die Beklagte dem Kläger mit, die Abteilung Messerabzieherei werde zum 30 Juni 1994 aufgelöst, seine Meisterstelle entfalle. Eine Umsetzung auf eine andere Meisterstelle sei nicht möglich Ihm werde daher eine Stelle als Arbeiter mit der Vergütung nach der Lohngruppe 10 inklusive Leistungszulage und freiwilliger Zulage von insgesamt monatlich DM 4.000,– brutto angeboten. Damit erklärte sich der Kläger einverstanden Mit einem Schreiben vom 14 August 1994 focht der Kläger seine Einverständniserklärung an, weil er bei Abschluß der Vereinbarung darüber getäuscht worden sei, daß bei Abgruppierungen nach § 11 LGRTV eine Verdienstsicherung besteht

Mit seiner Klage macht er die Differenzbeträge aus § 11 LGRTV I für die Monate Oktober bis Dezember 1994 in rechnerisch nicht streitiger Höhe von DM 5.178,84 brutto nebst Zinsen geltend. Er ist der Auffassung, er habe auf die tariflichen Ansprüche aus § 11 LGRTV I nicht wirksam verzichten können, weshalb es einer Anfechtung seiner Einverständniserklärung überhaupt nicht bedurft habe Der Wechsel von der Gehaltsgruppe M 4 in die Lohngruppe 10 sei eine Abgruppierung im Sinne von § 11 Abs. 1 LGRTV I Die Beklagte sei daher verpflichtet, für die Dauer von 18 Monaten die Differenz zwischen seinem jetzigen Stundenlohn und dem früheren Gehalt auszugleichen. Außerdem verbiete § 10.3 3 LGRTV I eine Abgruppierung um mehr als eine Gehaltsstufe, weshalb die Beklagte ohnehin verpflichtet sei, ihm zumindest nach der Gehaltsgruppe M A zu bezahlen

Die Beklagte ist der Auffassung, ein Verdienstausgleich sei bei einem Wechsel von einer Angestellten – in eine Arbeitertätigkeit im LGRTV überhaupt nicht vorgesehen Das ergebe sich daraus, daß dieser Fall in den Beispielen nach § 11.1.2 1 LGRTV I, sowie in den Rechenbeispielen der Anlage 7 zu dieser Bestimmung nicht erwähnt sei Einer erweiternden Auslegung des Tarifvertrages stehe daher dessen eindeutiger Wortlaut entgegen Die Tarifparteien hätten diesen Fall bewußt nicht geregelt, so daß auch eine Lückenausfüllung nicht in Betracht komme.

Das Arbeitsgericht hat der Klage entsprochen.

Auf die Wirksamkeit der vom Kläger erklarten Anfechtung komme es nicht an. Von einem Verzicht auf den tariflichen Verdienstausgleich sei in dem Angebotsschreiben der Beklagten vom 21.06.1994 nicht die Rede Deshalb könne dem vom Klager erklärten Einverständnis nach dem Inhalt dieses Schreibens eine solche rechtsgeschäftliche Bedeutung nicht beigemessen werden § 5 Abs. 4 TVG (gemeint ist wohl § 4 Abs. 4 TVG) brauche daher nicht geprüft zu werden.

Der Wortlaut des § 11 Abs. 1 LGRTV I sei eindeutig. Danach habe jeder Arbeitnehmer, der mindestens sechs Monate in eine Lohn- oder Gehaltsgruppe eingruppiert gewesen sei, bei Abgruppierungen einen Anspruch auf Verdienstausgleich. Abgruppierung sei nach der Rechtsprechung des BAG (AP Nr. 41 zu § 1 TVG / Tarifverträge Metallindustrie) jede Umgruppierung in eine niedrigere Lohn- oder Gehaltsgruppe Diese liege vor, wenn die Umgruppierung zu einer Verdiensteinbuße führe Diese Voraussetzungen seien auch bei einem Wechsel von einer Angestellten in eine Arbeitertätigkeit erfüllt. Das Problem der Grenzen einer Tarifauslegung bzw. einer Ausfüllung von tariflichen Regelungslücken stelle sich deswegen nicht. Die Auffassung der Beklagten führe zu einer restriktiven Auslegung der fraglichen Bestimmung entgegen ihrem weitgefaßten Wortlaut. Es sei aber nicht ersichtlich, inwiefern von dem umfassenden Abgruppierungsschutz ausgerechnet der gravierende Fall des Wechsels von einer Angestellten- zu einer Arbeitertätigkeit ausgenommen sein solle. Zwar enthalte der Beispielkatalog des § 11121 für den vorliegenden Fall keine Rechenbeispiele.

Geregelt seien darin aber nicht die Voraussetzungen eines Ausgleichsanspruches, sondern lediglich dessen Berechnung. Wegen der Zeitlöhne und der Gehälter erschöpfe sie sich in der Festlegung der zu vergleichenden Vergütungsbestandteile. Die Grenzen zu dieser Auslegung seien nicht überschritten, wenn man diese Grundsätze bei einem Wechsel von einer Gehalts- zu einer Lohngruppe dahin ergänze, daß in diesem Falle die Differenz zwischen Tarifgehalt plus Leitungszulage auf der einen und Monatsgrundlohn plus Leitungszula...

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